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Nr. 38 Wahrheit »»d Recht, Freiheit und Erseh!» Pr«is Pr da« Vinlklj<chr 1'/, Thlr.; jed« eiuzet« Nummer 2 Rgr. InferttonSgebußr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Mmnadepd. —— Rr. 38. —— 14. Februar 18S7. Die Leituna - Zu beziehen durch ach DtiiW Allgmtiiit Ztitiliig. MM Deutfchßa«-. ---> Aus Süddeutschland, t 1. Febr. Wer Golt, wie es das Evange lium lehrt, im Geist und in der Wahrheit anbetet, der findet wenig Lab- fi»l und viel Trübsal auf dem kirchlichen Gebiet. Der wackere Heinrich Zschokke sagt: „Und wahrlich, kein faltiger Chorrock macht den Priester ehrwürdig, aber seine Weisheit, feine Tugend, seine Demuth und Gottes- liebe. Kehlen diese, so ist alles Aeußerliche eitel und wird spöttlich. Jn- bannst das Herzen- macht aus der einsamen Kammer einen herrlichen Tem pel; aber alle- Bchauspielwerk der prachtvollsten Kirchen bringt keine Her- -enSinbrnnst " Wiepassen diese Worte auf die heutige Zeit! Wenn der nämlich« wahr« Christ „den Fortschritt der Menschheit an der religiösen Ehrfurcht der Großen vor Tugenden, Verdienst und Bürgerglück, am reli giösen Abscheu der Volksmenge vor — Egoi-muS" erkennbar erklärt: wo ist vie Laterne, mit der sich ein solcher Fortschritt auffindcn ließe? Egois mus! ist das allgemeine Losungswort für dieHierarchen hüben und drüben. Auf Knechtung der freien Persönlichkeit, Unterdrückung der Glaubens- und Gewissensfreiheit, Aufrichtung geistlicher Bevormundung, Censur und In- auisition ist da« ganze Streben und Treiben gerichtet. Und was wird das Ende vym Lied sein? Zuerst ein Geschlecht von Heuchlern, und dann? Das Weitere wird die erste beste Krise lehren, welche über Europa hereinblicht und sicherlich auf alle- DaS zählen kann, was sich unter dem Begriff all gemeiner Rathlosigkeit zusammenfaßt. Vor allem verdient eine Neuigkeit Erwähnung, welche die Posener Zeitung mit der Nachricht verband, daß hie Väter Jesu sich im alten Kloster unweit Schrimm cingenistet hätten. Sie flüsterte nämlich in-Ohr: „Bald werden wir auch preußischen Jesuiten habest, da, wie verlautet, mehre junge Leute aus der Provinz ist den Orden eingetttttn find ober doch die Absicht haben, dies zu thun." Oder ist es vielleicht nicht etwas Neues, daß es bisher noch keine „preußische Jesuiten" gegeben Habes War doch sogar die Meinung verbreitet, als schliche dort mancher protestantische Nachtwächter im Dienste des Ordens Loyola'« um her und gebe, um zeitlicher Bortheile willen, sein bessere« Ich preis. Das neuliche Gericht, als stehe der Besuch des Erzbischofs von Olmütz und des CardinalerzbischofS von Prag zu Berlin mit dem Versuch in Verbin dung, durch da« römisch-österreichische Concordat auch jene preußischen Di stricke zu beglücken, welche ja noch immer zu österreichischen Diöcesen gehören, hat sich nicht erhärtet. Indessen fehlt e«' in dem harmlosen Deutschland noch immer nicht an Reisepredigern auS dem Lager des schwar zen WühterthmnS, und während „rechtgläubige" lutherische Geistliche daran arbeiten, die Lutheraner auS dem Gustav-Adolf-Berein abzutrennen, beliefen sich im Jahre 1856 die Einnahmen de« den Missionen unter Katholiken protestanttfchtr Gegenden, gewidmeten Laverius-Verein nur auf das Sümm chen von 3,778,18V Fr. Etwa- pikanter Natur ist die Nachricht, daß in Frankreich und Italien eine Anzahl katholischer Priester wegen ihrer Op position -egen das endlich i» IS. Jahrhundert durchgesehte Dogma der unbefleckten Empfängniß Mariä s stivim« suSpendirt sind. Andererseits wird versichert, daß die katholisirende Beichtordnung der dresdener Confe- renz, nm in etwa- klügerer Manier als in Baiern, demnächst auch im Königreich Sachftnf!?), in Kurheffcn und in Mecklenburg-Schwerin zur Ausführung komme» solle. Run! wo» der Herr verderben will, den schlägt er mit Blindheit. Beichtgehrimniß und Frau Pastorin?! Schon wird es als „maßvolle Haltung" gepriesen, da- die westfalische Provinzialsynode den Antrag, daß an den theologischen Kaeultäten nur auf die Confessio« verpflichtet« Professoren anzustcljen seien, sowie jenon auf Formuliruug eines Lehrconsenses doch noch zurückwies. Hier schiebt mau die „Confession" vor und da«, „Ehristenthum" zurück oder behandelt die „Religion" in einer Weise, die an Schiller'« Lenie „Mein Glaube" erinnert. Es heißt näm lich in dieser Leni«, daß er „keine Religion bekenne aus Religion". Dort überschüttet man die Gemeinden mit Passionsandachten und kirchlichen Ka- techisationtn, indem man die Form immer mehr Ml die Stelle deS Wesen- setzt, im gedankenlosen Auswendiglernen und Herplappern die Andacht und Frömmigkeit sucht, die innere Erhebung und wahre Erbauung aber unter einem Zwange verkümmern läßt, der allmälig abstumpft und gleichgültig macht. Gott bessere es! Doch ist soviel gewiß, daß man protestantischer- seit- drrgestalt systematisch dem Papstchum und dessen Leibgarde, dem Or den Jesu, in die Hände arbeitet, Preußen, t Berlin, 12. Febr. In Betreff des gegenwärtigen Stand punkts der Neuenburg er Angelegenheit hört man, daß zwischen Frank reich und England über den Zusammentritt der Cvnferenz noch vorzugsweise un terhandelt wird, während Preußen in seinem Interesse eine abwartende Stellung glaubt einnehmen zu müssen. Eine Urberrinstimmung der Anschauung zwi schen dem französischen und dem englischen Cabintt soll noch keineswegs er zielt sein Auch von dem österreichischen jCabinet sollen andere Gesichts ¬ punkte geltend gemacht werden, als dies von Frankreich und England ge schieht. Daß der diesseitige Gesandte am französischen Hofe, Graf Hatz feld, noch mit keinen bestimmten Weisungen versehen ist, hat, wie wir hö ren, seine Richtigkeit. Der gegenwärtigen abwartenden Stellung Preußens sollen gewichtige Gründe unterliegen; jedoch wird dieselbe ungeachtet dieser Gründe in manchen Kreisen auch angefochten, da man in denselben auch bei diesem Stande der Sache ein unmittelbares Eingreifen Preußens in dit Vorverhandlungen einem Abwarten vorzieht. In dieser Welse sind die Mei» nungen hier getheilt. Hinsichtlich der Wiederanknüpfung der diplomatischen Verbindungen zwischen Preußen und der Schweiz sollen auch noch manche Hindernisse und Umstände zu beseitigen sein. Namentlich erwartet man von der Eidgenossenschaft ein größeres Entgegenkommen. — Die National-Zeitung bemerkt zu der seit dem 8. Febr. begonnenen Ausstellung der zur Verloosung eingegangenen Geschenke für die entlassenen Geistlichen, Beamten, Lehrer und Offiziere aus den Herzoglhümern Schles wig und Holstein: „Wir können nicht umhin, bei dieser Gelegenheit die Frage aufzuwcrfen: ob in Deutschland, in Preußen, also auch hier in Ber^ lin es der großen Mehrzahl der Bevölkerung zum klaren Bewußtsein ge worden ist, welcher Schmerz für das gesammte deutsche Volk in der Nö- thigung zu einem solchen Schritte liegt? Denn gelangt dadurch nicht an« klare Tageslicht, daß Deutschland es zugegeben hat, daß nicht nur da» echtdeutsche Nordalbingien dem dänischen Staat gewissermaßen incorporirt worden ist, sondern auch, daß alle die hochherzigen Männer, welche vor zugsweise für ihr Recht und die deutsche Nationalität ihrer Landsleute nicht gegen ihren Landesherrn und angestammten Fürsten, sondern gegen die übermüthige riderdä'nische Partei sich erhoben haben, späterhin ihres Amts ohne jegliche Pension entsetzt, mit Weib und Kindern den heimat lichen Herd verlassen und in die Verbannung ziehen mußten, und so dem furchtbarsten Elend und der drückendsten Armuth preisgegeben worden sind? Und dennoch ist den Schleswig-Holsteinern im Jahre 1846 an« allen deut- schen Ländern die Versicherung zugegangcn, daß das gesammte deutsche Volk mit Gut und Blut für ihre Rechte einstchen würde! Deutsche Heere haben allerdings mit manchem deutschen Fürsten an d«r Spitze in Schles wig für dessen Recht uud Deutschlands Ehre gefochten, nicht wenige Ta pfere ruhen dort im Norden an der Grenze Deutschlands im kühlen Schoos der Erbe, glänzende Siege, wie die bei Schleswig, Eckernförde, Kolbing ic„ sind erfochten worden, und dennoch ist es geschehen, daß dir Herzogthümer Schleswig und Holstein zu einem Gesammtstaat mit Dänemark vereinigt worden sind. Und nicht allein unser verpfändetes Wort haben wir nicht eingelöst, wir müssen unS auch noch den Vorwurf machen, daß wir durch dasselbe vielleicht mit veranlaßt haben, daß so viele edle Männer mit ihren Familien dem unverschuldeten Elend anheimgcfallcn sind. In dieser letzten Hinsicht wenigstens kann und muß das deutsche Volk seine Schuld noch sühnen und durch reiche Geldspenden dafür Sorge tragen, daß alle abge setzten Beamten, Geistlichen re. aus den Herzoglhümern Wit ihre» Familien ein sorgenfreie« Leben führen können. Und zu diesem Zweck richten wir vor allem an die Einwohner Berlins die Aufsoderung, sich späterhin reich lich bei den aufs neue zu veranlassenden Sammlungen zu betheiligen, in diesen Tagen aber die Ausstellung zu besuchen und die noch vorhandenen Loose anzukaufen. Wenn wir erwähnen, daß die Königin mit edclm Ginn Geschenke zur Verloosung dem hiessen Centralcomite zugestellt hat und Aehnliche» von andern deutschen Fürstinnen geschehen ist, so hoffen wir, daß man in Berlin hierin «in« mahnende Auffoderung finden wird, »mb umsomehr, wenn wir noch hinzufügen, daß in der ganzen preußischen Mon archie sowie im übrigen Deutschland sich vielfache Beweise dir Theilnahme kundgethan haben." — Der Bericht der Justizcommission des Herrenhauses über drei von Guts besitzern eingereichte Petitionen in Betreff der den ländischen Polizeiverwal- tern angesonnenen Uebernahme der Polizeianwaltschaft ist vonvr. Götze auögearbritet und an die Mitglieder des Hauses ausgegeben worden. Di- Commission ist einstimmig der Ueberzeugung, daß die betreffende Circular- Verfügung der gesetzlichen Grundlage entbehre und demnach die in Rede stehenden Petitionen nicht ungerechtfertigt seien. Sie hat daher beschlossen, dem Herrenhause zu empfehlen: unter Ueberweisung der eingangs aufge- führten drei Petitionen an die königliche Staatsregierung diise zugleich zu ersuchen, der weitern Ausführung der Circularverfügung vom 15. Sept. 1856 Anstand zu geben und die anderweiten Bestimmungen darüber, ob und eventuell inwieweit den ländlichen Polizeivcrwaltern die Pflicht zur Ueber nahme der Polizeianwaltschaft, sofern diese überhaupt beibehalten werden soll, obliegt, im Wege der Gesetzgebung baldigst vorzubcreitcn. — Der Staats-Anzeiger meldet unterm 14. Febr.: „Der König hat gestern dem russischen Geheimrath Baron v. Brunnow eine Privataudienz erthtilt