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Europa ist noch nicht Gegenstand der Debatte. Indessen wenn dieses Schreiben die russische Politik in ein richtiges Licht stellt, so finden wir Rußland bereit, von seinen thcucrste» Ueberlieferungen abzufallen und auf das Hazardspiel politischer Veränderung sich einzulassen." „Als gewiß", so schließt die Times, „geht aus diesem Aktenstück wie aus so manchem andern nur hervor, daß Rußland begierig ist, Frankreich in eine Allianz zu verstricken, um sich an England zu rächen und den Herrn Europas zu spielen. Aber der Plan wird nicht gelingen. Mehr als einmal schon versuchte Frankreich, sich auf den Norden zu stützen. Ludwig XVI. war mit Katharina, Napoleon war mit Paul und Alexander gegen die Engländer verbündet. Karl X. ging mit demselben Vorhaben um, als er stürzte; und nachdem Ludwig Philipp 16 Jahke lang die Beleidigungen des Zar eingesteckt hatte, machte er ihm entgegenkommende Schritte, welche nur die Februarrevolution unter brach. So oft ein französischer Monarch im Jnnem schwach oder auf aus wärtige Eroberung erpicht war, suchte er den Beistand dieses Alliirtcn. Aber die angeführten Beispiele dienen eher zur Warnung als Aufmunterung, und der gegenwärtige Kaiser der Franzosen befindet sich nicht in der Nothwen digkeit, seinen Thron durch moskowitische Bayonnete stützen zu müssen.... Mit den alten Monarchen kann er nie eine aufrichtige Allianz ringehen. Ihnen wird er stets als ein Usurpator gelten, der das Erbtheil eines legi timen Hauses an sich gerissen hat. Uns im Gcgcntheil ist er ein so recht mäßiger Souverän wie irgendein Bourbon oder Habsburger. England ist seine natürliche Allianz, und an ihr, dessen sind wir gewiß, wird er fest halten. Wir wünschen dieser Allianz Bestand, weil der künftige Frieden Europas von ihr abhängt. Wir haben für uns selbst und ausschließlich nichts zu gewinnen. England ist glücklicherweise über die Abhängigkeit von fremden Mächten ganz erhaben. In seinem ganzen weitgestreckten Reich ist die Stimme des Misvergnügens verstummt und in der Stunde der Noth würde jeder Theil zur Stärkung des Ganzen beitragen. Der Umfang seiner Hülfsmittel, die Fülle seines Reichthums übertrifft die sanguinischsten Be rechnungen. Wenn je eine Nation allein stehen konnte, so ist es die engli sche Nation der Gegenwart. Aber um jener großen allgemeinen Interessen willen, welche die Allianz der Westmächle bisher geschützt hat, hoffen wir, daß es lange dauern wird, bevor Europa eine Wiederholung der Politik von Tilsit und Erfurt erlebt." — In der Ethnologischen Gesellschaft zu London wurden dieser Tage mehre Vorträge über den Charakter des chinesischen Volks gehalten, vr. Hodgkin suchte nachzuweiscn, daß die chinesische Race ebenso viel Le benskraft besitze „wie die jüngste Nation auf Erden". Der Reisende Mont gomery Martin gab die Scelcnzahl des Reichs auf 400 Millionen an und schrieb den plötzlichen Stillstand der Gesittung des Volks, der vor 800 Jahren eintrai, thcils dem Einflüsse der Tataren zu, welche 15 Millionen zählen, theils dem Rathschlusse der Vorsehung zur Strafe dafür, daß China sich dem Christenthum verschloß. Aber mehr als lächerlich wäre cs, die Chinesen uncivilisirt zu nennen. Kanäle und Straßen, wie sie, hätten selbst die alten Römer nicht gebaut. Ihr Ameisenfleiß habe etwas Wunderba res, ihre Landwirthschaft sei eigentlich Gartenbau zu nennen. Groß sei die persönliche Freiheit in China, da Jeder ohne Paß oder Mauthschranken von einem Ende des Reichs zum andern reisen könne, und das kleinste Fi scherdorf habe seine Druckerei und Zeitung. In den nördlicher» Häfen herrsche auch keine Spur von dem Britenhassc, den man in Kanton beklage. Königreich Sachse«. Ä Dresden, 18. Jan. Im Jahre 1856 wurden in Dresden sammt eingepfarrten Dörfern 885 Paare getraut, -1029 (darunter 966 uneheliche) Kinder geboren ; es starben 3408 und commünicirten 48,876 Personen in den 19 kirchlichen Gemeinden. Werfen wir einen Blick in das vorige Jahr hundert, so finden sich im Jahre 1656 272 Getraute, 798 Geborene, 560 Gestorbene, 45,086 Communicanten; im Jahre 1756 434 Getraute, 2703 Geborene, 2522 Gestorbene, 47,540 Communicanten; im Jahre 1856 883 Getraute, 4029 Geborene, 5408 Gestorbene und 48,876 Communicanten. Gegen das Jahr 1855 gab es überall mehr 61 Paar Getraute, 270 Gc^ borene, 192 Gestorbene und 651 Communicanten. Die Zahl der Gebur ten überstieg die der Todesfälle um 552. Die größte Parochie war die der Kreuzkirche, welche allein 245 Getraute, 1766 Geborene und 12,757 Communicanten halte. Dresden, 16. Jan. Die auf heute Nachmittag anberaumtc Haupt verhandlung dauerte von 4'/« bis 11V« Uhr Nachts und betraf dey der Unzucht mit einem Kinde von acht Jahren bczüchtigten Schlossergesellen Karl August Ludwig Haarfeldt von hier, 28 Jahre alt und verlobt. Als Präsident fungirtc Hr. Appellationsrath v. Cricgern, als Staatsanwalt Hr. Appellationsrath Metzler, als Vertheidiger Hr. Advocat Pleißner. Ohne uns über die Einzelheiten der Beweisaufnahme und des Plaidoyer hier aussprechcn zu können, bemerken wir nur, daß die Scheußlichkeit des an dem Kinde begangenen Verbrechens allen Glauben übersteigt und das sitt liche Gefühl auf daS tiefste empört. Zum Beweise dessen diene nur soviel, daß der Verbrecher durch seine, längere Zeit fortgesetzte Schandthal das Kind moralisch so verwahrlost hat, daß cs in die Besserungsanstalt hat ge bracht werden müssen. Der Gerichtshof verurtheilte den Jnculpaten auf Grund des Art. 185 des Strafgesetzbuchs zu einer dreijährigen Arbeitö- hausstrafe. (Dr. I.) . * Leipzig, 19. Jan. Einer vom Sladtrath unterm 16. Jan. erlasse nen Bekanntmachung zufolge hat das Ministerium des Innern einem Ge such der Thüringischen Eisenbahngesellschaft wegen Ausführung einer pro- jectirten Eisenbahn von Leipzig nach Eilenburg um Gestattung der zur Aufsuchung der künftigen Eisenbahnlinie von der preußischen Grenze in der Richtung von Eilenburg nach Leipzig erfodcrlichen Recognoscirungs- arbeiten statlgegeben und werden demnach die betreffenden Grundbesitzer er sucht, ein Hinderniß dabei nicht in den Weg zu legen, wogegen ihnen etwa dabei entstehende wirkliche Schäden von den Unternehmern zu vergüten sind. — Dem Pastor Valentiner sind von einem hiesigen Handlungshause, „dessen Arbeit Gott im vcrwichenen Jahre besonders gesegnet hat", 100 Thlr. mit der Bitte überreicht worden, solche zur Unterstützung bedrängter und vertriebener schleswig-holsteinischer Geistlichen zu verwenden. — Die Leipziger Zeitung vom 17. Jan. bringt in cincr Extrabeilage eine mit nahe an 1600 Unterschriften bedeckte „Erklärung", deren Unterzeichner — Rittergutsbesitzer, Ockonomen, Schenkwirthe, Handwerker rc. aus allen Theilen Sachsens — bekannt machen, daß von ihnen „fremde Bank noten und Kassenscheine im Verkehr nicht zu einem höhern Curs an- genornmen werden, als zu welchem solche in Silber umzusetzen sind". Die Bekannlmachnng stellt ein Fortsetzung in Aussicht. Neuere Nachrichten. Bern, 18. Jan. (Telegraphische Depesche.) Die Neuenburger Ge fangenen haben ihre Pässe bereits erhalten und werden nach der französischen Grenze escortirt. Man erwartet eine bal dige Wiedereinberufung der Bundesversammlung. In der Schweiz herrscht fortwährend Aufregung. (Frkf. I.) Handel und Bttdufirte. Nürnberg, 15. Zan. Heute Mittag wurde die Versammlung der Abgeordne ten zur BcrathuvF des Deutschen Handelsgesetzbuchs von dem Staatsmini ster der Justiz vr. v. Ringelmann eröffnet. S Freiberg, 11. Jan. Schon seit einigen Jahren ging man mit dem Gedanken hier um, in Freiberg ein publicistischcs Centralorgan für das gesammte Erzgebirge zu gründen; bei der vielfachen Eigenthümlichkcit der erzgebirgischcn Ver hältnisse und Zustände, deren richtiges Verständniß anderwärts mangelt, konnte weder die Zweckmäßigkeit noch der Rcichthum des Stoffs in Zweifel gezogen wer den. Mit dem neuen Jahre ist dieses publicistischc Unternehmen nun ins Leben ge treten durch den hiesigen Buchdrucker Wolf. Die neue Zeitschrift hat sich zum Litel gewählt: „Glück auf; erzgebirgischcS Industrie- und Familienblatt." Es er scheint alle Sonnabend ein Bogen. Nach den beiden Nummern, die uns vorliegcn, kann man der neuen Zeitschrift gern einen glücklichen Fortgang wünschen. Freilich könnte man die Frage auswerfen, ob es nicht gerathener gewesen wäre, daß der hiesige Anzeiger, der täglich erscheint, den Plan, den das neue Blatt für sich aus- zuführen sucht, ebenfalls in sich ausgenommen hätte. — Bezüglich der Moldauischen Landesbank sind von Jassy in Dessau Nach richten eingelaufen, welche über den Verlauf ihrer GeschästSthätigkcit, die bekannt lich schon seit einiger Zeit begonnen, das Günstigste melden. Die GeschäftSlocali- täten der Bank waren an den ersten Eröffnungstagen von Kaufleuten und Guts besitzern buchstäblich-überfüllt, und wenn dies so fortgeht, wird bald der ganze Stourdza'sche Palast, in welchem das GeschästSlocal der Bank sich gegenwärtig be findet, von ihr in Anspruch genommen werden müssen. Der Vorstand derselben, Hr. BischoffSheim, hat kürzlich unter Anderm mit einem der größten Grundbesitzer der Moldau ein Geschäft von solcher Bedeutung abgeschlossen, daß von dem Gewinn hiervon allein alle außerordentlichen Ausgaben bestritten werden können, welche durch die verzögerte Constituirung der Bank erwachsen sein dürsten. (B. B.-Z.) — Der Verein deutscher Ingenieure, welcher, obgleich in öffentlichen Blät tern bisher kaum erwähnt, dennoch bereits viele Freunde seit der kurzen Zeit sei nes Bestehens sich erworben, steht dem Vernehmen nach im Begriffe, durch die Herausgabe seines Organs unter dem Namen: Zeitschrift des Vereins deutscher In- ! genieure, nunmehr an die Oeffcntlichkeit zu treten und so daß Werk seiner Bildung I durch die Herstellung eines die einzelnen Mitglieder, insbesondere die zu engern Verbänden innerhalb des Hauptvereins zusammengetretencn Bczirksvereinc umschlin genden Bandes in gewissem Sinne zu vervollständigen. Die erste Anregung zur Gründung desselben ist bekanntlich von dem unter den Zöglingen dos königlichen Gcwerbcinstituts in Berlin bestehenden Verein „Die Hütte" ausgegangen. Es war aber vor allem erfoderlich, nicht nur die verhältnißmäßig wenigen frühern Zöglinge des Gcwerbcinstituts, resp.„Hütte"-Mitglieder, sondern jeden irgendwie auf dem Ge biete der Technik thätigen Landsmann zum Beitritt einzuladen; denn wenn die Tä tigkeit des Vereins auch nur auf Preußen beschränkt geblieben wäre, so wäre cs dennoch bei den immerhin so weiten räumlichen Grenzen nicht möglich gewesen, ei nen dauernd festen Zusammenhang und dadurch eine in gewünschter Weise erfolg reiche VereinSthätigkeit zu erzielen, falls nicht durch eine entsprechend beträchtliche Mitgliedcrzahl ein engercs Ancinandcrschließcn und ein wenigstens bezirksweises öf teres persönliches Zusammenkommen der Mitglieder ermöglicht worden wäre. Mit dieser Idee ward zu Pfingsten vorigen Jahres (bei Gelegenheit des zehnten Stif tungsfestes der „Hütte" im Harz) die Gründung unternommen. Von dem in er wähnter Versammlung einstweilen und vorbehaltlich einer gründlichen Revision in der nächsten Generalversammlung (welche am 14. Sept. d. I. in Berlin stattfinden soll) angenommenen Statut ist als Zweck des Vereins „ein inniges Zusammenwir ken der geistigen Kräfte deutscher Technik zur gegenseitigen Anregung und Fort bildung im Interesse der gejammten Industrie Deutschlands" vorangestcllt, und daß der Verein diesen Zweck vorzugsweise dadurch zu erreichen sich vorsetzt, daß er die Bildung von Bezirksvcreinen unter seinen Mitgliedern anstrcbt, welche bei mäßiger räumlicher Ausdehnung ein öfteres persönliches Zusammenkommen und die Einrich tung eines Journalcirkcls und einer Bibliothek gestatten. Eine gleichzeitig in Mo natsheften herauSzugebcndc Zeitschrift, deren bevorstehendes Erscheinen wir oben erwähnten, wird die Bczirksvereinc und übrigen zerstreuten Mitglieder in beständi ger Verbindung erhalten und die Früchte ihrer Thätigkcit in sich aufnchmcn. Was die Aufnahmebedingungen betrifft, so werden zur ordentlichen Mitgliedschaft ohne weiteres zugelassen: ausübende Techniker, Lehrer der Technik und der technischen Wissenschaften, Besitzer und Leiter technischer Etablissements; durch besonder« Be schluß des Vorstandes kann auch jeder Nichttcchnikcr ausgenommen werden. Der jährliche Beitrag, wofür ein Exemplar der Zeitschrift geliefert wird, beträgt 5 Thlr.