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günstigen und nahen Lösung gewähren. Wenn wir gut unterrichtet sind, so wäre die schweizerische Regierung, jedoch von freien Stücken, auf den gleich anfänglich vom Kaiser Napoleon gemachten Vorschlag rurückgekommen, und dies war, wie «jr , schon vor 14 Lagen gesagt haben, unter allen Partien, die sich darbieten konnten, in der That die weiseste. Die Herren Barmann und Kern sollen dabei etwa in folgender Weise verfahren sein. Sie spllen dem Grafen Malewski amtlich kundge- than haben, daß der BundcSrath geneigt sei, bei dem schweizerischen Parlament die Anyullirung der gegen die Neuenburger Gefangenen begonnenen Untersuchung zu beantragen. Sic erklärten jedoch, daß ihre Regierung eine besondere Wichtigkeit darauf lege, zu wissen, daß der Vergleich, auf den aus allen Kräften Frankreich hinzugrbeitcn versprochen hatte, durchaus keine mit der völligen Unabhängigkeit unverträgliche Bedingung enthalten werde. Sie kündigten andererseits an, daß der BundcSrath, indem er die Angeklagten in Freiheit setze, sich im eigenen Interesse ihrer persönlichen Sicherheit für verpflichtet erachten würde, ihnen den Aufenthalt in der Schweiz bis zur definitiven Lösung der Neuenburger Angelegenheit zu un tersagen. Sie verlangten ferner, daß, bis die Entscheidung des Parlaments be kannt sei, Preußen sich jeder neuen militärischen Kundgebung enthalte, daß keine einzige feindliche Maßregel seitens der preußischen Regierung nach der Freilassung der Gefangenen getroffen werde, sowie endlich, daß die Eröffnung der Unterhand lungen zum Zweck eines definitiven Vergleichs unverzüglich nach der Verkündigung der Amnestie solle stattfindcn können. Obgleich sie sich darauf beschränkte, Erläute rungen über diese verschiedenen Punkte nachzusuchen, vcrricth doch die Mittheilung der Herren Barmann und Kern ein Streben, Verpflichtungen zu beanspruchen. Man versichert uns, daß die Antwort der französischen Regierung jede Verpflichtung in Bezug auf daß Ergebniß ihrer Verwendungen bei Preußen ablehnte, indem sie sich auf übrigens befriedigende Erklärungen beschränkte. So z. B. verpflichtet sich das Tuileriencabinet, alle Bemühungen aufzubietcn, um einen zur Sicherung der völli gen Unabhängigkeit Neuenburgs geeigneten Vergleich durch die Verzichtung des Königs von Preußen aus die Rechte herbcizuführen, welche ihm die Verträge auf dieses Fürstenthum verleihen; aber cs vermeidet, sich über die Bedingungen auszu sprechen, an welche Preußen diese Verzichtleistung knüpfen könnte. Es würdigt die Erwägungen, welche die schweizerische Regierung in die Nothwcndigkcit versetzen, die Gefangenen für den Augenblick vom schweizerischen Gebiet zu entfernen; aber es ist überzeugt, daß Preußen, das bisjctzt seine Rüstungen aus Versöhnungsgeist vertagt hat, keinerlei Druck auf die Berathungcn der Bundesversammlung auszu- übcn trachten wird, und es hegt die Zuversicht, daß diese Macht, wenn sic die Frei lassung der Gefangenen vernimmt, jeder feindlichen Maßregel gegen die Schweiz entsagen werde. Dies sind die Abweichungen, die zwischen den beiden Mitthcilun- gen hcrvorzuhebcn sind. Die französische Negierung, wir wiederholen es, verpflich tet sich, alle ihre Bemühungen aufzubietcn, aber sic verbürgt keineswegs deren Er folg. Jedoch sind die in ihrer Antwort enthaltenen Erläuterungen offenbar genü gend, um die Schweiz zu bestimmen, das von ihr begehrte Zugcständniß zu ma chen; in Ermangelung eines unmittelbar gewissen Ergebnisses, das jedoch, nach un serer Ueberzeugung, mehr als wahrscheinlich ist, sichern sic ihr den Beistand Frank reichs in den weitern Gestaltungen, welche die Frage nehmen kann. Sicherlich hat, wenn auch das pariser Cabinet sich nicht verpflichtet, den Vergleich zu erwirken, der, auf die Verzichtung des Königs Friedrich Wilhelm auf die Rechte als Fürst von Neuenburg gestützt, die Unabhängigkeit dieses Cantons unwiderruflich begrün den würde, dennoch die Zusicherung, alle seine Bemühungen für diesen Zweck auf zubieten, die ernsteste Bedeutung. Sollten unvorhergesehene Schwierigkeiten im Laufe der Verhandlungen dazwischcntrcten, sollten die auf den Geist der Versöh nung, wovon der König von Preußen sich beseelt zeigt, gebauten legitimen Hoff nungen sich nicht verwirklichen infolge von Hindernissen, zu deren Beseitigung die Diplomatie außer Stande wäre, so würde, ohne allen Zweifel, die französische Regierung officiell der Schweiz gegenüber an nichts gebunden sein; aber die mo ralische Verpflichtung würde fortbestchcn. Preußen, das auf der angcdeuteten Grundlage zu unterhandeln verweigert hätte, würde nicht mehr befugt sein, auf das Wohlwollen Frankreichs zu rechnen, und die Regierung des Kaisers würde, eintretendenfalls, zu erwägen haben, ob sie nicht veranlaßt sein dürfte, sich für nicht mehr an daß Londoner Protokoll gebunden zu erklären. Der Vorthcil für die Schweiz ist also gewiß, selbst im ungünstigsten Falle. Es ist übrigens anzu- ,nehmen, daß Preußen nicht den Fehler begehen wird, Schwierigkeiten zu erheben, die, durch Lähmung der Verhandlungen, eine auch ihm nachthcilige Folge haben könnten. Jedermann will die Sache beendigt wissen, der König von Preußen wie die Schweiz; denn er hat nichts dabei zu gewinnen, Ansprüche aufrechtzuhaltcn, welche für seine Krone nur eine Quelle von Verlegenheiten und Sorgen ohne Ent schädigung sind, und welche die Natur der Dinge gegen sich haben, die auf die Dauer immer stärker ist als die wohlbegründetstcn Rechte. u: Paris, 17. Jan. Der im Moniteur nach der Revue contemporaine mitgetheilte Artikel ist Gegenstand vielfachen Gesprächs. Man findet es sonderbar, daß der Moniteur in dem Augenblick, wo die Angelegenheit allgemein als beigclegt betrachtet wird, mit einer Art von Erklärung her vortritt, welche ihn Preußen' näher stellt als der Schweiz. An den ver schiedensten Deutungen dieses Acts kann es natürlich auch nicht feh len. Während die Einen den Wunsch, eine Pression auf die Schweiz auszuüben, darin erblicken, erkennen Andere eine Handlung der feinsten Diplomatie in diesem Schritte. Man sagt nämlich, der Kaiser Napo leon III. spiele nur eine sehr geschickte Karte aus. Bisher habe es sich darum gehandelt, die Schweiz zur Nachgiebigkeit zu bewegen, und da habe die französische Diplomatie mehr der schweizerischen Anschauung ge huldigt. Nun cs aber gelte, Preußens Beitritt zu gewinnen, liege der französischen Regierung wieder am meisten daran, dem preußischen Cabinet zu beweisen, daß man nichts von den geheimen Unterhandluugen verrathen, nichts gethan habe, was mit der Würde Preußens als europäische Groß macht sich nicht vertrage. Aufrichtig gestanden, scheint uns diese Auslegung zu gesucht. Frankreich ist nicht weiter gegangen, als ihm seine Stellung und als ihm die vorher gepflogene Bcrabredung mit dem König von Preu ßen gestattet. In Berlin weiß man das so gut als in Bern. Ueberhau^t wird aus dem Abdruck dieser Stelle zu viel Aufhebens gemacht, da die selbe so ziemlich mit der vom Bundesrath abgefaßten Botschaft überein stimmt. Auch die schweizerische Regierung spricht von nichts Andern; als von einem Engagement Frankreichs, sich nach Möglichkeit anzustrengen, um rc.; sie sagt nirgends, Frankreich habe sich zugleich verpflichtet, zu reussiren. Wol aber bemerken beide Theile, wie das Tuileriencabinet seine Versprechungen von den befriedigendsten Erklärungen habe begleiten lassen. — Die «Presse» veröffentlicht folgendes Schreiben: Palast der Luilerien, 17. Jan. I8S7. Herr Redacteur-en-Chef! Die «Presse» enthält in ihrer Nummer vom letzten Freitag über die.sthweizcr Angelegenheiten einen Brief, den sie dem Sekretariat deß Kaisers zuschreibt. Ein derartiger Brief ist niemals aus dem Secretariat Sr. Maj. hervorgegangen. Ich bitte Sie, die ge genwärtige Erklärung in Ihrer nächsten Nummer aufnehmen zu wollen, und ich bringe Ihnen, Herr Redacteur-en-Chef, die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung. Der Sccrctär des Kaisers, Cabinetschcf: Mocquard. Der Brief, von dem der CabinetSchef des Kaisers spricht, war in den schweizer Journalen erschienen und aus diesen in die «Presse« und die Esta fette übergegangen, welche, wie der Moniteur mittheilt, deshalb vor Gericht gezogen worden sind. — Der Moniteur nennt das Gerücht von einer Vermehrung der Ci- villiste für gänzlich falsch. — Die Fregatte Jö ly ist nach den neapolitanischen Häfen abgegangen. GroH-rita«nie«. -j-London, 17. Jan. Die Times erhielt neulich von ihrem pariser Cor- respondenten ein angebliches Privatschreiben eines Petersburger Staatsmanns zugeschickt, dessen Thema die so gut wie abgeschlossene russisch-französi sche Allianz war. Das Schreiben, gleichviel ob echt oder unecht (von der Times wird seine Echtheit angenommen), stimmt jedenfalls mit den längst bekannten unleugbaren Anzeichen einer ungemein herzlichen Annähe rung zwischen den Cabineten von Paris und Petersburg, und die Sprache des englischen Blatts scheint zu zeigen, daß man diesen Symptomen keine geringe Wichtigkeit beilegt. Wir geben daher den Artikel im Auszüge. An fangs spricht die TimcS mit tiefer Geringschätzung von den Leistungen der russischen Diplomatie. Bis vdr kurzem habe man die russische Diplomatie für sehr fein gehalten. War die Welt schon erstaunt über die geringen Waffenerfolge Rußlands, so war ihr Erstaunen noch weit größer über Ruß lands Niederlagen auf dem diplomatischen Felde. Seit dem Zeitpunkt, wo der vorige Zär die Unklugheit beging, gegen den Kaiser der Franzosen die gewöhnlichsten Formen der Höflichkeit zu vernachlässigen, habe man von dem vielgerühmtcn Geschick russischer Minister und Gesandten blutwenig zu sehen bekommen. Der so schnell entlarvte Bolgradschwindel zeige nur, daß die russische Unterhandlungskunst sehr gesunken sei. Eine noch auffallendere Taktlosigkeit bemerke man im Tone der nordischen Gesellschaft und Presse gegen Frankreich. Natürlich wünsche Rußland die Westmachte voneinander zu trennen. Ein gewandter Politiker möge dies für kein chimärisches Spiel halten. Aber Rußland spiele es so plump und ungeschickt, daß es für jetzt alle Chancen verloren habe. Die Männer, die Rußland einst besaß, würden der anglo-französischen Allianz gefährlicher geworden sein. Sie hätten in ihrer Zuvorkommenheit gegen Frankreich einige Würde, einigen Anstand beobachtet. Sie hätten beim ersten Schritt einen bedauernden Seitenblick auf die Bourbonen fallen lassen, eine Art männlichen Schamgefühls affectirt und mit feinerer Schmeichelei gesagt: „Wir halten fest an unserm legiti- mistischen Glauben, aber ein großer Mann hat seine Verwirklichung un möglich gemacht; wir sind und bleiben Russen mit den Erinnerungen von 1812, aber wir sehen die Nothwendigkeit ein, Diejenigen als Freunde an zunehmen, die wir als Feinde nicht überwältigen können." Ein wenig Zu rückhaltung hätte dem Zugeständniß Werth verliehen. Ein wenig Zartgefühl wäre in diesem Fall gute Politik gewesen. So aber wurde das Ding zu grob getrieben. Wen soll die Schmeichelei und Kriecherei der Russen und ihrer Organe täuschen? Der Wechsel kam zu plötzlich und man merkt die Absicht zu geschwind. Vor blinder Wuth über England haben sich die Russen in ein Extrem der Speichelleckerei gestürzt, welches sie lächerlich zu machen anfängt. Wir selbst, in deren Meinung sie etwas gesunken sind, können uns nicht des Erstaunens erwehren über die Selbsterniedrigung ei nes Reichs, das ja noch immer 60 Millionen Einwohner zählt und immer ein starker Staat bleiben wird; aber wenn uns etwas das Gegencheil glau ben machen könnte, so wäre es die unwürdige Haltung, welche Rußland angenommen hat. Die Times recapitulirt darauf den Inhalt der Peters burger Epistel. Frankreich werde eingeladen zu einem innigen Bündniß mit einer Nation, von der es so sehr geachtet und bewundert werde. Natürlich, nur die Entwickelung von Industrie und Handel, nur der friedliche Fort schritt sei Zweck dieser Allianz. Es sei ein Triumph für die „Krämer nation", daß jede Militärmonarchie, die ihre halbe Million Soldaten, ihre Polizei und ihr Paßwesen hat, sich gezwungen sehe, eine solche Sprache zu führen. Selbst diese Heuchelei enthalte eine Huldigung vor den Principien Englands. Der Plan sei also folgender: Rußland und Frankreich sollten Preußen in die Mitte nehmen, dann würden die Drei unüberwindlich da stehen. Frankreich könne dann seine Landmacht einschränken und dafür eine Seemacht ersten Ranges werden, und die kleinern Seemächte um sich scha rend, werde cs der englischen Seeherrschaft ein Ende machen. Dann rücke Rußland (versteht sich, blos industriell und commerziell) in Mittelasien vor und Frankreich könne bei der Verbindung mit einem so wachsenden Reich nur gewinnen. Das große Finale bildet die „friedliche" Verdrängung Eng lands aus Ostindien. „Dies Alles", fährt die Times fort, „ist üur einer jener Gemeinplätze, wie man sie täglich in wehr als einem belgischen oder deutschen Blatt finden kann. Aber wenn die Epistel den russischen Plan richtig deutet, so will das russisch-französische Protektorat eine Revision der Wiener Verträge unternehmen, und zwar sollen schon Unterhandlungen zu dem Zweck im Gange sein. Das ist lauter Uebertreibung. Unterhandlun gen, die den Zweck haben, die Lage gewisser Provinzen zu heben oder die UnzusriedeUheit aus denselben zu bannen, mögen allerdings die Aufmerk samkeit der Cabinete beschäftigen, aber eine Umarbeitung der Landkarte von