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Dienstag. Leipzi». Die Zeitung erscheint mit Ausnahme de« Montags täglich und wird Nachmittags 5 Uhr aus- gegebc». PreiS für das Vierteljahr 1'/? Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. —- Rr.W. 2». Januar 1857 DmWt AllMkiiik Zcitmg. «Wahrheit und Recht, Freiheit and Sesehl- Zu beziehen durch alle Postämter de« In- und Auslandes, sowie durch die Expedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Jnsertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Die Botschaft des schweizerische» Bundesraths an die Bundesversammlung in der Neuenburger Angelegenheit vöm 12. Jan. 1837. Tit. Kaum find wenige Tage verstossen, seit Sie die Bundcsstadt verlassen haben, und schon sind wir wieder im Falle, Sie um uns zu versammeln, um Ihnen in der Neuenburger Angelegenheit Bericht und Antrag zu hinterbringen, — in dieser Frage, welche gegenwärtig so fast ganz'.ausschließlich die Aufmerksamkeit unsers Vaterlandes und in so hohem Grade diejenige Europas in Anspruch nimmt. Möge das Jahr 1857 unter günstigem Anspicien sich uns eröffnen, als das für die Schweiz an Ge schichte reiche Jahr 185,« sich zu schließe» schien! Wir knüpfen unsere diesmalige Be richterstattung da an, wo wir in der Botschaft vom 28. v. M. Misere Darstellung zu beendigen im Falle gewesen sind An dem Tage, als Sie hier zu der bedeutungs vollen außerordentlichen Session zusammeutraten, verlangte unser Minister in Paris eine» Urlaub, um mit uns, natürlich über die Tagesfrage, conferiren zu köneu. Wir gewährten diesen Urlaub und es erschien der Hr. Minister bereits in der Sitzung vom 28. Dec. in unserer Mitte, um uns über die Gründe seiner Hierherkunft nähern Aufschluß zu ertheilen. Sc. Maj, der.Kaiser der Franzosen hab« nämlich in einer ihm — unserm Minister — gewährten Audienz neuerdings seine freundschaftliche Ge sinnung gegen die Schweiz und seine Absicht, zur friedlichen Lösung des bestehenden Conflicts mit Preußen das Mögliche beizutragen, zu' erkennen gegeben. Der Kaiser habe den Minister! äufgefodert, sich persönlich nach Bern zu begeben und mit dem BundcSrath Rücksprache zu nehmen, damit dieser seine Vorschläge, wie der Streit gelöst werden könne, dem Kaiser kundgebe, worauf sich England und Frankreich ge meinsam angelegen sein lassen würden, eine für di« Schweiz ehrenvolle Erledigung des Conflicts hrrbeizuführrn. Wir unser Minister bereits in einer Depesche vom 26. Dec. uns gemeldet hatte, war auch von dem englischen Gesandten in Paris, Lord Cowley, eine ähnliche freundschaftliche Gesinnung gegen die Schweiz ausgesprochen worden, und auch Lord Cowley schien damit rlnverstanden zu sein, daß der schweizerisch« Mi nister von seiner Regierung nochmalige Instructionen einhole, um noch in der letzten Stunde einen gütlichen Austrag der Differenz herbeizuführen. Im Drang dcr vielen Geschäfte, welche die Sitzungen der Räthe am 29. und 30. Dec. mit sich brachten, war es natürlich nicht möglich, die unserm Minister mitzugebcnden Instructionen sofort zu berathen. Dagegen beschäftigten wir uns am 31. Dec. einläßlich mit die- sem Gegenstand und über die Entschließungen; welche wir diesfalls zu nehmen hatten, konnten wir keinen Angenblick im Zweifel sein, wenn wir nicht unsere Selbstachtung verscherzen und die in der Einmüthigkeit der Nation und dec Behörden sich kund gebende Anschauungsweise vcrkcnnen wollten. Hier erlauben wir uns, Sie noch kurz auf den Inhalt der sogenannten Collectivnote hinzuweiscn, welche am 21. Dec. pro- jectirt wurde, und auf die wir ausdrücklich erklärten eiiigehen zu wollen, weil wir dafür hielten, daß der Inhalt derselben der Würde der Schweiz in keiner Weise zu nahe trete. Nach jenem Projekt wollten nämlich die Vertreter der Mächte die be stimmt« Zusicherung geben, daß, sobald die unniittelbar« mid vollständige Nieder- schlagüng des Protestes von den eidgenössischen Behörden kraft ihrer SouverSnetätS- rechte ausgesprochen sein werde, ihre resp. Regierungen' altes Mögliche' thun wür den, uni Se. Maj. den König von Preußen zu einer Ausgleichung der fraglichen Angelegenheit zu bestimme»; und zwar im Sinn einer vollstänvigen Unabhängig keit Neuenburg« von jedem fremden Verbände, Es schien uns nun gerecht »nd billig, daß unser neues Programm nicht weniger enthielte, als was in jener CoÜictivnote uns «»geboten worden war,, sondern daß es vielmehr noch einige Lücken ergänze uns gewisse Principien näher feftstelle, die in der Collectivnote zwar implloit« verstanden gewesen sein mochten, die aber nicht genau ausgesprochen sich" fanden.- Di« unserm Minister mitgegebene Instruction ging daher von nachstehen dem Gesichtspunkt aus: Der.BundcSrath sei seinerseits bereit, volle Amnestie und Freilassung ddr Gefangenen selbst vor dem Urtel v'vrzuschlagcn, jedoch müßte er in Beziehung auf die Unabhängigkeit Neuenbürgs bestimmtere Zusicherungen gewärti gen, als in der Rote des französischen CabinetS vom 26. Noo. enthalten gewesen seien. Das WünschenSwertheste. schiene uns,, wenn schon jetzt versichert werden könnte, der König von Preußen sei bereit, nach geschehener Amnestirung und Freilassung der Gefangenen äuf Neuenburg zu verzichten oder wenigsten« auf Grundlage dcr Anerkennung der UNabhüngigkeit NcujnburgS zu" Unterhandlungen die Hand zu bie ten, und haßdas' Zustandekommen einer Uebereinkunfc in diesem Sinne von Seiten Frankreichs' alle «Tort, gleichwie in der Note vom 26. Rov. zugesagt wür den. Diese letztere! Röte, sollte jedenfalls dahin ergänzt werden, daß die Dctailbe- stimmungen LeS Arrangements nichts «nthükten werden, wa« der vollständigen äu ßern Unabhängigkeit und den verfassungsmäßigen Grundsätzen des CantonSNeuen- burg und der Schweiz sowie der' froicn inner» Entwickelung überhaupt zuwider wäre. Natürlich wurde auch in Vieser Jpstruction darauf gedrungen, daß die In- surgentenchess bis zum Züstanbekynicken Siner bestimmten Ucbereinkünft Vie Schweiz oder wenigsten«'den Eamon Neuenburg zu vrrlässin hätten'. Diese Federung liegt ebenso wol in dem wohlverstandenen Interesse der Angeklagten selbst alS in dem jenigen der öffentlichen Ordnung im Canton Neuenburg. Mit dem Amnestie- und Freilaffungsspruch sollte die Frag« der Proceß - und militärischen Kosten noch offcn- behalttn werden. Der BundcSrath. erklärte jedoch zum voraus, daß. wenn der Kö nig von Prcüßen keine Geldfrage erhebe, er auch seinerseits die Kostenfrage voll ständig fallen lassen' werde. Wäre dieser Punkt nicht erhältlich, so könnte er fallen- gclassen werden. Dagegen schiew uns die Zusicherung von Wichtigkeit, daß jede weitere militärische Demonstration von Seiten PreußeNS? unterbleibe und daß nach Freilassung der Gefangenen' feindselige Maßnahmen Preußen« gegen die Schweiz nicht geduldet würden. Endlich sollte darauf hingewirkt werden, daß auch, die eng lische Regierung zu allen vorstehenden Punkten die Hand biete und dieselben Zu sicherungen wie Frankreich der Schweiz gegenüber etcheile. Dies find di« Grund- züge der Instruction, wobei natürlich der Abordnung innerhälb de« Programms freie Hand gelafftn werden mußte, indem einzelne Modlficationesi infolge mündlicher Besprechung allerdings al« möglich gedacht wurden. Wesentlich war nm, daß in der Hauptsache die von Vsr französischen Regierung, bczichung«weise vom englischen Cabmet, zu gewärtigenden Zusicherung«» mit der Instruction übereinstimmen. Es schien uns zweckmäßig, bei der hohen Wichtigkeit der in Frage liegenden Interessen zur Ausführung dieser Instruction eincn außerordentlichen Gesandten an Se. Maj. den Kaiser der Franzosen in einer Specialmission abzuordnen. Unsere Wahl fiel auf den Hrn. Ständcrath 0r. Kern, der als Mitglied der Bundesversammlung mit den Intentionen der obersten LandcSbchördc genau vertraut war und der von Sr. Maj. dem Kaiser der Franzosen seit langem und in freundschaftlicher Weise gekannt zu sein die Ehre hat. Unsere Abordnung trat die Reise noch am gleichen Tage (31. Dec.) Abends an, und sic wurde in Paris mit gleicher Zuvorkommenheit em pfangen wie dcr frühere außerordentliche Abgeordnete, der im November abhin dort hin gesendet worden war. Nach einläßlicher Erörterung der Frage, theilS mit dem Staatsoberhaupt selbst, thcils mit dem Minister der allSwärtigen Angelegenheiten Grafen. Walewski, wurde unterm ä. Ian. dem französischen Eabinet von unserer Abordnung eine Note we sentlich folgenden Inhalts überreicht. Die schweizerische Bundesregierung, in der Absicht, den wohlwollenden Gesinnungen Sr. Maj. des Kaisers zu entsprechen, sei geneigt, den gcsetzgrbcndcn Räthen vorzuschlagen, daß kraft der Souveränität der Eidgenossenschaft die Procedur, welche gegen die in dem neuenburgischen Aufstand vom 3. Sept. Implicirten eiNgelcitet worden war, niedergeschlagen werde, wenn er über die Tragweite der an den Minister von Frankreich in Bern gerichteten Note vom 26. Nov. genügende Erklärungen erhalte. Der Bundesrath legte den größten Werth darauf, die Zusicherung zu erhalten, daß die Ausgleichung, für welche die kaiserliche Regierung ihre volle Mitwirkung verspreche, keine Bedingung enthalte, welche mit dcr vollständigen Unabhängigkeit des Cantons Neuenburg unvereinbar wären. Aus Gründen der öffentlichen Ordnung, welche von dem Herrn Minister hinlänglich gewürdigt werden dürften, werde der Bundesrach die Amnestie unter dem Vorbehalt beantragen, daß die Beklagten bis zur definitiven Erledigung dcr Neuenburger Frage die Schweiz zu verlassen haben sollen. Damit auch der Ver dacht wegfalle, daß die gesetzgebenden Räthe unter dem Einflüsse von Drohungen berathen, sei es nothwendig, daß bis zum erfolgten Entscheide Preußen sich jeder neuen militärischen Demonstration enthalte. Noch wichtiger wäre es, wenn dje Bundesregierung die Zusicherung erhielte, daß nach der Freigebung der Beklagten die preußische Regierung keinerlei der Schweiz feindselige Maßregel ergreife. Da der Zeitraum von der Freilassung der Gefangenen bis zur endlichen Austragung de« Conflicts als ein« schwierig« Periode bezeichnet werden müsse, so liege sehr daran, denselben nach Möglichkeit abzukürzcn. Um diesen Zweck zu erreichen, er schein« e« als unerläßlich, daß man durch vorläufige Schritte allen Zwischenfällen zuvorkomnic, welche geeignet waren, dic Eröffnung der Unterhandlungen zu ver zögern, und zwar in der Weise, daß die letztem unmittelbar nach Verkündung der Amnestie begonnen' werden könnten. Der Bundesrath spreche endlich di« Hoffnung au«, daß die Regierung Ihrer bvit. Maj. ihre Bemühungen mit denjenigen der kaiserlichen Regierung vereinigen werde, auf daß Vie Neuenburger Frage eine Lö sung erhalte, dic sowol mit den Grundsätzen der Bundekverfgffung als mit den cinmüthigen Wünschen des schweizerischen Volk« im Einklänge stehe» (Fortsetzung folgte Deutschland -LiVom Rhein, 17. Zan. Unsere Beleuchtung der Neuenburger Frage in dcr Deutschen Allgemeinen Zeitung Nr. 230, 231 und 233 vom I-, 2. und 4. Oct. enthält unter Ziffer III. (Nr. 233) unter Anderm folgende Sätze: „Es versteht sich dabei von selbst, daß Preußen sich in er ster Linie die Amnestie aller bei dem Putsche vom 3. Sept. Bethettigten auSbedinge und die Zusicherung verschaffe, daß nichts geschehe, worin wohl erworbene Rechte dcr Royalisten, worin sie auch immerhin bestehen moch ten, beeinträchtigt würden. In zweiter Linie ist dann nur noch der Ent- schädigungspunkt für Preußen in dem Falle auszutragen, daß der König von ' Preußen nicht verziehen sollte, mit seinen« Verzicht der Eidgenossenschaft ein Geschenk zu machen. Könnte sich die Eidgenossenschaft dazu erheben, baldmöglichst die Betheiligtcn beim Putsche zu amnestiren und mit einem solchen Act der Mäßigung, Großmuth und Politik die Initiative zu einer friedlichen Ausgleichung zu ergreifen, dann wäre vielleicht um so eher bei Preußen eine Saite berührt, die einen Widerhall in unserm Sinne erwar ten ließe. Mit dem Verzicht aus Neuenburg wird sich Preußen außerdem (neben dem Gewinn für seine Politik) dessen rühmen können, daß es durch seine Weisheit und Mäßigung zur Befestigung der Ruhe und des Frie dens von Europa namhaft beigetragen habe. Sollte so reeller Gewinn nicht den precären Besitz eines Ländchens bei weitem aufwiegen, das für die Machtstellung Preußens ohne allen Belang ist?" Bereits haben der schwei zerisch« Nationalrath und der Ständerath den Commissionsantrag auf un bedingte Niederschlagung des Processes wegen des Aufstandes angenommen und somit ist Das, was wir als Vorbedingung in die erste Linie stell ten, «rfMt. Es bleibt also nur noch Das zu bereinigen, was wir in die zweit« Linie gewiesen, die gänzliche Einverleibung. Neuenburgs in die Eidgenossenschaft nämlich. Es bieten sich nun verschiedene Wege zur Erledigung dieses Punktes dar, nachdem dieselbe, zufolge der Verhand lungen in Bern, lediglich im Allgemeinen einem definitiven Uebercinkommen vorbehalten ist: Wlr »erstehen darunter insbesondere folgende: 1) Der König von Preußen verzichtet auf. seine Rechtsansprüche an Neuenburg zu Gunsten der Schweiz in irgendeiner passenden Form, selbst in der einer Schenkung, indem er daran diejenigen Vorbehalte knüpft, die ihm sach dienlich oder nothig erscheinen, unbeschadet jedoch elfter nähern Verständi gung hierüber je nach den Umständen. 2) Die Angelegenheit wird durch directe Unterhandlung zwischen Preußen und der Schweiz, mit oder ohne