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2. August L8S« Rr. 179. Tonnabend «Wahrheit und Recht, Freiheit und GesetzI» Preis für da» Vierteljahr l Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. Zu beziehen durch olle Postämter de» In- und Auslandes, sowie durch die Expedition in Leipzig sOnerstruße Nr. 8). Jnserlionsgebühr für den Raum einer Zeil« r Ngr. Kaiy-ig' Di. Zeitung WM- Dcntsche Aßgmmlt Ztltllng Deutschland. P reußen. t Berlin, 31. Juli. Die gestern erfolgte Beschlagnahme der hiesigen Boß'schen Zeitung (siehe unten) wird noch immer auf das lebhafteste besprochen. Bei der bevorstehenden Ankunft der hohen russischen Gäste war der scharfe, gegen Rußland gerichtete Artikel, der übrigens manche Wahrheiten enthielt, von Seiten der genannten Zeitung ein etwas gewag tes Stück. In einer andern Zeit möchte vielleicht keine Beschlagnahm« er- folgt sein, da bekanntlich die Boß'sch« Zeitung früher Rußland noch här tere Dinge ins Gesicht gesagt hat. Der Gegenstand, welchen Letztere be- sprachen hat, wird auch in den hiesigen diplomatischen Kreisen eifrig ver handelt, indem das Benehmen Rußlands hinsichtlich der Schleifung der Fe stungen Reni und Ismail von Allen als im Widerspruche mit den Be stimmungen des Pariser Friedens stehend erkannt wird. — Bon der hiesi gen, noch immer einflußreichen und bedeutenden Schleiermacher'schen Partei ist besonders folgender Ausspruch Hengstenberg s übel ausgenom men worden: „Die Schleiermacher'sche Partei, an die sich Alles anschließt, was in der Kirche unten an der Wurzel faul und oben im Wipfel trocken ist, suchte durch die von der absorptiven Union gemachte Bresche in die Kirche einzudringen und machte somit ihre Blößen völlig offenbar, schnitt die Hoffnung ab, daß die kirchliche Willkür bei der ersten, ihr gemachten Concession stehen bleiben werde. Das Wort: «Mancher Sünden werden erst hernach offenbar», ist auch in Bezug auf die Union wahr geworden und gereicht uns zur Entschuldigung, wenn wir nicht sogleich ihr Wesen vollständig erkannten. Bietet die Union schon jetzt eine so gefährliche Waffe dar für alle Die, welche den Grund der Kirche untcrwühlen wollen, was wird dann erst werden, wenn etwa ungünstigere persönliche Verhältnisse ein- treteu sollten!" Die Schleiermacher'sche Partei, welche in Professor Adolf Müller einen neuen eifrigen Vertheidiger gefunden hat, wirft Hengstenberg vor, er sei begeistert für das Kirchenthum, aber nicht für das Christen- thum, in abgestorbenen Formen und Kräften suche er das Heil der Welt, aber die lebendige Gegenwart kenne er nicht. Er sei ein Freund der irdi schen Macht, und er wisse nicht, daß im Himmel irdische Macht keine Gel tung habe. Er klammere sich an den Buchstaben an und verketzere jede Regung des lebendigen Geistes als menschlichen Hochmuth. Der Begriff Entwickelung sei ihm absolut fremd und unverständlich. Wer sich nicht entschieden für die Evangelische Kirchen-Zeitung erkläre und ihre Zwecke un- terflütze, der sei nach Hengstenberg'S Anschauung nicht nur ein Kind des Ut^laubenS, sondern er sei auch ein Feind des Staats, ein Revolutionär, der nach allen Seiten hin nur auf Umsturz und Verderben brüte re. Das Müller'sche Wort der Mahnung erklärt die Hcngstenbcrg'sche Richtung der Evangelischen Kirchen-Zeitung als „dem Christenthum und der Entwickelung des preußischen Volks- und Staatslebens verderblich". — Di« heutige Voß'sche Zeitung enthält in Betreff ihrer Confiscalion folgende Notiz: „Gestern Morgen um 9'/, Uhr wurde die gestern früh aus- gtgehen« Nummer unserer Zeitung polizeilich mit Beschlag belegt. Grund dieser Maßregel soll der Leitartikel dieser Nummer gewesen sein, in welchem dqS Verfahren Rußlands bei der Zerstörung der Festungswerke von Reni und JSmail, mit Bezugnahme auf die Aeußcrungrn des englischen Mini sters d«S Austvärtigen über diesen Punkt, besprochen wurde." Nach An- gäbe des Correspondenz-Bureau ist die Beschlagnahme von Seiten des Po- lizeipräsidiums auf Befehl des Ministeriums angeordnet worden. — Die berliner Börsen-Zeitung schreibt: „Wie wir hören, ist die neuen- buvger Angelegewheit, die der erste Bevollmächtigte unsers Cabinets auf der Pariser Conferenz in deren Sitzung vom 8. April d. I. bereits zur Anregung gebracht hatte, ohne daß damals eine eingehendere Verhand lung darüber stattgefunden, von neuem Gegenstand diplomatischer Bespre chungen gewesen. Bekaimtlich hat Preußen bei der gewaltsamen Trennung des Fürstenthums Neuenburg und Einreihung desselben als republikanischen Canton in die Schweizerische Eidgcüossenschaft gegen diesen Act protestirt und sich alle seine SouveränetätSrrchte Vorbehalten. Diese Erklärung bildet denn auch jetzt nach den uns zugehenden Mittheilungen den Ausgangspunkt." — Wie man hört, finden Beraihungen darüber statt, wie man bei den zahlreich vorkommenden Conversionen vom Judenthum zur christlichen Kirche Gewißheit darüber erlangen könne, ob der Uebertritt eine Folge wirk licher Bekehrung oder nur ein Mittel zur Erlangung äußerer Dorthei'e sei. Ein bekannter hiesiger Geistlicher hat eine Denkschrift über diesen Gegen stand ausgearbeitet und eine Art von Noviziat in Vorschlag gebracht, wäh rend dessen die Convertanden sich einer Prüfung ihres Wandels und ihrer Fortschritte in der Erkenntniß vor der Aufnahme in die christliche Kirche zu unteisziehen hätten. (C.-B.) Magdeburg, 29. Juli. Vor einiger Zeit hat bekanntlich der Ge- neralsuperintendent vr. Möller den Predigern und Lehrern ein oberhirtli- ' ches Schreiben zugehen lassen, in welchem er sie auffodert, mit ihrem Ge- wissen ernstlich zurathe zu gehen, ob eine Verbindung mit dem Orden der Freimaurerei auch nicht mit den Pflichten ihres Amts im Widerspruch stehe, und mit dem apostolischen Schlußwort: „ES ist mir Alles erlaubt, aber es frommt nicht Alles", die Hoffnung ausspricht, daß sie sich mehr und mehr von der Verbindung mit dem Orden fernhalten werden, weil Gemeindeglieder, zumal schlichte und einfältige Christen, an der Betheili gung bei den nicht nur unbekannten, sondern vielfach auch verdächtigten Beschäftigungen der Freimaurer Anstoß und Acrgerniß nehmen möchten. Dieser Hirtenbrief, in welchem der Orden, sein Cultus, die Geheimhaltung desselben, die Tafelgenüsse rc. durchweg eine ungünstige Beurtheilung er fuhren, hat, wie die Voß'sche Zeitung meldet, mehre geachtet« hiesige Geist- liehe, welche dem Orden angchören, veranlaßt, dem Generalsuperintendenten eine Entgegnung zugehen zu lassen. Es ist darin unter Anderm auf die freimaurerischen Schriften des Bischofs Dräsek« verwiesen, welcher unmit- telbar vor Dr. Möller das oberhirtliche Amt in unserer Provinz bekleidet« und dessen Stellung innerhalb des Ordens eine solche war, daß gerade sei nen Schriften eine dokumentarische Bedeutung zuerkannt werden muß. Der Wortlaut des Schlusses dieser Entgegnung ist folgender: BiSjetzt hat cS mit dem angeblichen Anstoße der Gcmeindeglieder an der Logcn- mitglicdschaft des Geistlichen nichts auf sich; aber wol ist es möglich, daß recht bald dieser Anstoß ins Leben gerufen und sich dann ans allerlei Weise manifestlren wird. Wir Müßten ja blind sein, wenn diese Perspective >ms entgehen sollte. Infolge der Schrift des Professors Hengstenberg: „Die Freimaurerei und das Evangelische Pfarr amt", haben wir schon eine Menge sogenannter öffentlicher Zeugnisse von Amtsbrü- dern gelesen, welche sich gegenseitig dergestalt im Protestiren gegen den Orden über bieten, als ob die Existenz desselben bisher wie ein Alp auf dem Herzen der Zeug- nißgeber gelastet habe. Es ist schwer, sich ihnen gegenüber der Hinweisung auf Nöm. 1-1, 4 zu enthalten: „Wer bist dn, daß du eine» fremden Knecht richtest? Er steht oder fällt seinem Herrn." Wer aber einigermaßen mit den Zeichen der Zeit vertrant ist, darf leider nicht zweifeln, daß gerade diese Intoleranz, welche, überall über die Grenzen des eigenen und eigentlichen Wirkungskreises hinausgreifend, hochmüthiger- weise Zucht üben will, wo nicht nur aller Beruf, sondern sogar alle crfoderliche Kenntniß dazu fehlt, viel zu gut bineinpaßt in die Bestrebungen ter absolutistisch-hier archischen Partei, als tag sie nicht die Aussicht haben sollte, noch eine zeitlang mit vollen Segeln fahren zu dürfen. Und da müßte es ja freilich Wunder nehmen, wenn das mehr und mehr zum Schibboleth der moderuen Ehristenheit gewordene Gebühren einer nicht unbedeutenden Anzahl von Geistlichen nicht auch bald seinen Widerhall in den Gemeinden fände. Wird das Salz dumm, läßt die Geistlichkeit sich so unglaub lich leicht fanaiisire», wie könnte es ausbleiben, daß bald auch der Laienwelt die Binde der Harmlosigkeit vom Auge genommen werden wird? Gewiß, die Opposition und ihre Bezeugung braucht hier gar nicht erst künstlich gemacht zu werden, sie wird sich nach solchen Vorgängen von selbst machen — und freilich so wie so eben immer eine „gemachte" sein- Welche tieferliegende Gründe Ew. Hochwürden zu dem Erlasse des auch uns zugegangenen Hirtenbriefs bewogen haben, darüber stehen uns keine Vermnthnnaen zu; aber auf Eines dürfen wir hindeutcn. Dreizehn Jahre lang haben Hochdiefewen an ter Spitze unserer Provinz gestanden, ohne daß Sie bis ans die neueste Zett jemals uns und ken übrigen Genossen des FreimaurerbundeS ein Bedenken wegen dieser Genossenschaft zu erkennen gegeben hätten, und selbst die bei Gelegenheit ter hierselbst im Jahre I85t gehaltenen Generaikirchcnvisitatio» als «in per sönliches pium öbsiüerium anftretenden Reden einzelner Visitatoren entbehrten Ihres zustimmenden und bestätigenden Wortes. Woher doch jetzt, so dürfen und müssen wir fragen, dieses Wort, welches, wenn eS einen wirklichen Uebelstand trifft, nunmehr fast zu spät, wenn cs dagegen einer unschuldigen und gerechte» Sache Abbruch thnn soll, jederzeit zu früh kommt? Wie aber auch die Sache liegen nröac, wir können, ohne den Schein einer falschen und feigen Rücksicht auf persönliche Wünsche, die mit un sern ats richtig erkannten Grundsätzen streiten, ans uns zu laden, nachfolgende schließ liche Erklärung nicht zurückhalten: Wir finden bei genauester Prüfung der Bedenken, welche üw. Hochwürden gegen die Thetlnahme der evangelischen Geistlichen am Frein au- rerbunde erheben, keins in der Wahrheit gegründet, und würden demnach gegen umer Gewissen handel», wenn wir auf Grund „jener" Bedenken dieser Theilnahme entsag ten. Sollten wir, was sich freilich nicht für alle Zukunft im voraus für unmöglich erklären läßt, jemals dahin gelange», einer andern Ueberzengung Nanin geben zu müssen, so werden wir diese in unserm Tchun und Meiden zu ihrem Rechte kommen lassen. Sollte, was kaum zu erwarten steht, der Frcimaurcrbnnd in unserm Vater lande etwa künftighin eine Nichlung nehme», Tendenzen hege», die sich mit dem Be rufe des evangelischen Geistlichen nicht vertragen, so würde, und zwar nicht bloö nm des anvertrauten Amts willen, sondern schon aus Grund des Christenglaubens, de» wir bekennen, uusers Bleibens im Orden nicht länger sein; denn wir werden uns nimmermehr da heimisch fühlen können, wo das Evangelium nicht Hütten bauen darf. Sollte eS wider alle Berechnung dahin kommen, daß ein Staatsgesetz den Geistliche» die direkte Betheiiigung am Logenwescu untersagte, so würde unfehlbar der Orden selbst ohne unser Zuihu» sogar jede indirecte Verbindung mit uns aufbebem Denn dieser hält fest an dem Grundsatz unbedingten und ehrlichen Gehorsams gegen die Ge setze des Staats und wird sich niemals auch nur dasjenige Maß der Opposition er lauben, welches neuerdings die Kirche dem subjektiven Ermesse» cittjel»er ihrer Diemr gern zugute halten zu wollen scheint. Auch dürfte für etwaige Unregelmäßigkeiten des llmstnrzjahres, deren Ew. Hochwürden auf der letzte» Seite Ihres Erlasses mit leiser Hin- deutung auf den »»patriotischen Sinn einzelner Bundcsglicder erwähne», der Bund selbst wol mir von Dene» verautwortlich gemacht werde», die fast gar keinen Begriff von dem Wesen desselben haben. Baiern. ^Ans Baiern, 29. Juli. Der oberste Gerichtshof har gestern sein Urtel in der bekannten Untersuchungssachc des Rentners Frö-