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für ihre Pflicht halten dürften, die Vorgänge im Lager der Kritik des Publikums Preiszugebe». Von allen Betrachtungen, welche der Zustand Italiens seit einem Vierteljahre angeregt hat, finden wir die merkwürdigste im letzten Exa- miner. Statt aller Randbemerkungen zu den Auszügen, die wir aus dem betreffenden Artikel geben, wird eS genügen, einige Worte in der Schluß- flelle zu unterstreichen: „Wir glauben, daß England und Frankreich der österreichischen Regierung ernste Vorstellungen gemacht haben wegen der militärischen Besetzung ParmaS und über das Auftreten des österreichischen Commandanten. Es scheint sogar, baß infolge davon einige Kälte zwischen Paris und Wien herrscht; denn daß eine Zusammenkunft zwischen beiden Kaisern im Werke «ar, ist gewiß, und doch hat der Moniteur plötzlich angezeigt, daß man nie daran gedacht habe." Darauf spricht der Examiner sein« Urbrrzeugung von der Eitelkeit aller Clarendon'schen Hoffnungen aus, indem Oesterreich niemals gutwillig den Kirchenstaat räumen oder seinen Einfluß zu Gunsten einer „mildern Regierungßform in Nom und Tos cana" aufbielen werde. Der Schluß lautet: „Was Neapel betrifft, so kann nach den letzten Debatten im Parlament kein Billigdenkender die Ab sichten der Regierungen von Frankreich und England in Zweifel ziehen. Die Sprache der Lords Clarendon und Palmerston, so allgemein, sic auch klang, läßt nur eine redliche oder billige Deutung zu. Wenn das Ver fahren des Königs zu einem Aufstand führen sollte, wird man Oester reich nicht allein einschreiten oder sein« Truppen marschircn lassen zu dem ausschließlichen Zweck, ihn in seine unumschränkte Gewalt wieder ein zusehen. Die westlichen Staaten werden an dieser Besetzung theilnehmen und, in Bezug auf das Resultat, mit nichts weniger zufrieden sein als einer ehrlichen Bürgschaft dafür, daß Neapel künftig etwas mehr im Geiste der Humanität und Civilisation regiert werden wird.... Es bangt uns für den König. Wenn er wieder einmal der Insurrektion erliegt, wird er nicht nur eine österreichische, sondern auch eine französische Intervention zu unterhalten haben, und vielleicht erblickt er sogar die Fahnen und Ba- yonnete einiger englischen Schiffssoldaten." Die Morning Post wehklagt über die Ohnmacht der anglo-fran- zösischen Diplomatie an allen Ecken und Enden Europas, und warnt die Könige im Süden, die Macht der Volksstimnie nicht zu gering anzu schlagen. Belgien. * Brüssel, 21. Juli. Der heutige Tag, der Jubeltag der 25jähri- gen Negierung des Königs, war ein Fest für die Hauptstadt, aber auch für das ganze Land. Wol nie hat Brüssel ein Fest gefeiert, das so allgemeine Theilnahme erregt hätte, und das Aeußere der Hauptstadt, der Jubel, der die ganze Stadt bewegt, ist nur der schwache Ausdruck Dessen, waS alle Herzen erfüllt. Gegen Mittag verließ der König mit der könig lichen Familie Schloß Laeken im offenen Zweispänner und schon auf ihrer Auffahrt wurden sie vom Jubel der auf den Straßen wogenden Tausende begrüßt. Vor dem Hötel des Bürgermeisters von Laeken stiegen der König und die Prinzen aus, um beim Bürgermeister einzukehren. An der Spitze des GemeinderatHS tritt Bürgermeister Herry dem König entgegen und re det ihn mit folgenden' Worten an: „Im Momente, wo Belgien sich ver einigte, um den glücklichsten wie seltensten Jahrestag zu feiern, da kann der Rath von Laeken nicht stumm bleiben. Von Laeken zogen Ew. Maj. vor 25 Jahren aus, um in der Hauptstadt die Krone aufzusetzen, die so würdig, so edel getragen wurde! Der Jubel unserer Einwohner- sehaft begrüßte die ersten Schritte des Königs zu dem Throne hin, auf den ihn die freie Wahl der Nation berief.... Andere mögen die Ansprüche Ew. Maj. auf die Erkenntlichkeit des Landes und die Gefühle schildern, die heute alle Belgier beseelen. Wir beschränken uns darauf, an ein Wort zu erin nern, ein Resultat hervorzukehren. Als Ew. Maj. sich zum ersten male an Ihr Volk wendeten, da sagten Sie am 21. Juli 1831: «Mein Herz kennt keinen andern Ehrgeiz als den, euch glücklich zu sehen!» Der Ehr geiz Ihres edlen Herzens, Sire, muß an diesem Tage seine Befriedigung finden: Belgien ist glücklich, glücklich durch Ew. Maj., möge Golt lange noch dem Vaterlande den Souverän erhalten, den es sich gegeben. Es lebe der König!" Anhaltender Jubel folgte diesen Worten. Nach kurzem Ver- weilen stiegen der König, der Herzog von Brabant und der Graf von Flan dern zu Pferde. Unter Kanonendonner und dem Hochrufen der versam melten Tausende zog der königliche Zug, aus den Hofstaaten und einem glänzenden Generalstabe bestehend, nach dem Thore von Laeken, wo ein grandioser Triumphbogen aufgeführt war, der ein Meisterwerk der Kunst ist. Auf Emporbühnen rechts und links der Place d'Anvers hatten gegen tau send Damen in den reichsten Toiletten, jede dazu mit einem prächtigen Blumensträuße geschmückt, Platz genommen. Hier begrüßte der Gemeinde- rath der Stadt Brüssel durch seinen Bürgermeister, Hrn. C. de Broucker«, den König mit folgenden Worten: „Sire, als der Magistrat von Brüssel Ew. Maj. vor 25 Jahren die Schlüssel der Hauptstadt überreichte, da sagte er: «Vor dem König eröffnet sich eine große Laufbahn von Ruhm und Ruf, vor uns eine Aera von Glanz und Glück.» Diese Worte, die man dazumal für verwegen hätte halten können, haben von der Zeit eine glänzende Sanktion erhalten. Ja, Sire, die umsichtige Entschiedenheit und erleuchtete Weisheit Ew. Maj. ha ben, nachdem Sie viele Klippen umschifft, viele Hindernisse überwunden, das SlaatSschiff in einen guten Port geführt, das dazu in seinem Innern mehr Reich thümer trägt und eine gesündere und kräftiger« Mannschaft führt als je! So eilt denn unsere ganze Bevölkerung dem Könige entgegen, um ihm ihren Tri but der Dankbarkeit darzubringen; sie wird ihre Stimme mit der unserigen yereinigen, um Ew. Maj. den Ausdruck der tiefsten Verehrung und der ! ergebensten Gesinnungen darzubritmen. ES lebe der König!" Der Enthu siasmus des Volks kannte keine Grenzen; der König war tief gerührt, die Prinzen nicht minder. Nachdem der Gcmeinderath den König empfangen, bildete sich der Festz'ug, welcher ganz denselben Weg verfolgte, den der Kö- nig Leopold bei seinem Einzüge zu Brüssel am 21. Juli 1831 genommen hatte. Auf der Place Royale wurde der König von den Mitgliedern des früher» NationalcongresseS empfangen; hier stieg der König ab und der ein stige Präsident, Hr. v. Gerlach, hielt eine Anrede an den König. Nach dieser Rede ging der königliche Zug nach dem St.-JoseohSplatz, wo ein Te- deum abgehalten wurde; eine Cantate de- Kapellmeisters Fe'tis wurde hier von Chören mit Orchester anSgeführt; hierauf empfing der König die Adres sen der legislativen Kammern, welche beide Präsidenten vorlasen. Die Ant- wort des Königs darauf lautet« wie folgt: „Herr Präsident des Senats! Herr Präsident der Repräsentantenkammcr! Ich bin tief gerührt ob der edeln Gesinnungen, die mir eben in einer so herzlichen wie erhabenen Sprache die Redner ausgcdrückt haben. Ich glaube bei diesem feierlichen Anlaß an einige Stellen der Rede am 2I. Juli 1831 zurückerinnern zu dürfen: «Ich habe die Krone, die Sie mir angeboten, nur angenommen, um eine so edle wie nützliche Aufgabe zu erfüllen, nämlich weil ich berufen bin, die Institutionen eines edeln Volks zu befestigen und seine Unabhängigkeit aufcechtzuerhalten.» Die Erfüllung dieser großen Mis sion stieß auf zahlreiche Schwierigkeiten; die erst seit gestern errungene Un abhängigkeit dieses guten Volks stand vor dem argwöhnischen und bewegten Europa gleichsam als Problem da! Seine freien Institutionen, die fern von aller Intervention deS Königlhums gegründet wurden, hatten noch nicht die Sanktion der Erfahrung finden können. Seine improvisirte Verwaltung wartete auf die Reform der organischen Gesetze; die Geister waren durch leidenschaftliche Ansichten und eifersüchtige Influenzen getrennt; die plötzlich gestörten materiellen Interessen machten sich wegen der Zukunft Sorge. Bald aber, dank dem guten Geist des Landes, erschienen Ordnung und Eintracht wieder inmitten der nur augenblicklichen Verwirrung; den Zweifeln und Be sorgnissen folgten Vertrauen und Sicherheit. Im Innern gekräftigt durch die Organisation seiner verschiedenen VcrwaltungSzweige wie durch die Grün dung einer Nationaldynastie, trat das Land auS seiner unseligen Jsolirung heraus und sah seine Unabhängigkeit durch die feierlichsten Verträge gewähr leistet. Die im öffentlichen Interesse begonnenen Arbeiten wurden mit in telligentem Eifer fortgeführt; die Existenz eines durch Kenntniß und Disciplin starken Heeres wurde sichergestellt. Wieder öffneten sich die Quellen der öffentli chen Wohlfahrt, Handel und Industrie entwickelten sich mit einer Raschheit, die ans Wunderbare grenzt, und die alte und werthvolle Industrie des Landes, der Ackerbau, folgte durch weise Verbesserungen diesem Streben. Wissenschaf ten und Künste glänzen wie in den schönsten Tagen unserer Geschichte! Eine Prüfung fehlte noch unserer Nationalität; eine tief«, allgemeine KrislS brach los, aber aus diejer Krisis selbst wußte Belgien neue Kräfte zu scho- ! pfen, neue Beweise seiner Lebensfähigkeit zu geben, neue Ansprüche auf die allgemeine Achtung sich zu erwerben. ES gereicht mir zur Freude, der Na tion selbst das Verdienst einer bevorzugten Lage zuzuschreiben, welche unsere kühnsten Hoffnungen hcrauszufodcrn scheint. Die antike Moralität der bel gischen Bevölkerung, ihr tiefes Gefühl für Pflicht, ihr gesunder Sinn, ihr praktischer Geist, ihre Rücksicht für die väterlichen Absichten ihres Königs, alle diese Eigenschaften vereint haben mächtig dazu beigetragen, sie die Ge fahren der Leidenschaften und Uebertreibungen vermeiden und sie instinrt- ! mäßig die wahren Bedingungen unserer politischen Existenz erkennen zu las sen. Meine Herren! Seit 1830 hat Belgien in der moralischen wie ma teriellen Ordnung die Arbeit eines ganzen Jahrhunderts durchzuführcn ver mocht; uns bleibt noch eine Pflicht zu erfüllen, nämlich in demselben Geiste, der bei seinem Ursprünge obwaltete, auch das Werk seiner jungen und glän zenden Civilisation fortzuführen und zu vollenden. In der Vergangenheit war cS die Eintracht, die unsere Kraft in den Tagen des Triumphs unse rer Nation gebildet, gleichwie in den Tagen der Prüfungen, in welchen sie ihre Energie stählte. In der Zukunft liegt auch in der Eintracht das Ge heimniß unsers Glücks, unserer Größe und unserer Dauerhaftigkeit. Be siegeln wir von neuem die Allianz zwischen der Nation und der Dynastie unserer Wahl! Befestigen wir die Eintracht aller Mitglieder der großen belgischen Familie in dem gemeinsamen Gedanken der Hingebung gegen un ser schönes Vaterland. Vereinigen wir uns vor der göttlichen Vorsehung, die in ihren Händen die Geschicke der Nationen hält und die in ihren un- erforschlichen Absichten eine geliebte Königin zu sich gerufen, deren Abwe- senheit allein die Freude dieses denkwürdigen Tages unvollständig machen kann." Der Cardinal-Erzbischof von Mecheln, assistirt von allen Bischöfen des Landes und dem Klerus, stimmte darauf das Tedeum an. Schließlich defilirten die Deputationen der Bürgcrgardcn und des Heeres unter Mili tärmusik vor dem König vorbei. Der Zug schlug darauf den Weg zum Pa last ein, und der König kehrte sammt dem ganzen Gefolge zu Fuß in dxn Palast zurück. Gegen 7 Uhr fand im Palast der Nation das Banket von 100 Gedecken statt, das beide Kammern der königlichen Familie gaben. Brüssel, 22. Juli. Der König hat auf den Antrag des Justizmi nisters durch Decret vom 21. Juli 704 Verurtheilte begnadigt; 272 derselben hatten Me Strafe noch gar nicht angetreten. Unter den Begna digten befindet sich auch Hr. Esselens, der letzte wegen politischer Vergehen, von der Geschichte des Prado her, noch Verhaftete. H? EkT Konstantinopel, 10. Juli. 20,000 Franzose» und 10,000 Eng länder bleiben vorläufig hier, die übrigen Mannschaften sind bereits ein geschifft. (Oestr. Cz.)