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1472 drid gehen, noch gar keinen Verkehr gepflogen und sich zuvörderst nach London um entsprechende Instructionen über sein ganze- fernere-Verhalten gewendet haben. Nach den weitern Mittheilungen aus London bestätigt eS flch nur immer mehr, daß man dort die Angelegenheit in ihrer ganzen princi- piellen Bedeutung für England auffaßt. Auf einigest Widerstand von Sei- ten Englands hat der Kaiser der Franzosen gewiß gerechnet; aber eine so bestimmte und principielle Opposition, an die man nöthigenfalls auch noch etwas Weitere- setzen dürfte, mag er doch wol schwerlich vermuthet ha ben. Man schenke darum den JnterventionSgerüchten fürs erste nur ja keinen Glauben. Die Reise des Hrn. de Pcrsigny nach Plombiere- hat keinen andern Zweck, al- Ludwig Napoleon von der Stimmung des englischen CabinelS zu unterrichten. Was endlich noch den weitern Gang der Dinge in Spanien selbst betrifft, so wird es gut sein, wenn man sich erinnert, welche bedeutende Truppenmasscn O'Donnell in der Hauptstadt und in ein- zelnen Provinzialhauptstädten zusammengezogen hat. So stehen in Madrid 18,00V, in Barcelona 15,000 Mann. Dadurch konnte es ihm natürlich gelingen, an diesen Orten Meister zu bleiben. Die Folge aber davon ist, daß durch diese starken Besatzungen die spanische Armee, die bekanntlich so stark nicht ist, zum größten Theil absorbirt wird, und daß darum O'Don nell schwerlich Truppen in ausreichender Zahl übrigbleiben zur Unterwer fung der sich widersetzenden Provinzen und Städte. Die starken Garnisonen in Madrid und Barcelona dürfen nicht vermindert werden; denn sobald dies geschähe, würde der Aufstand daselbst wieder von neuem losbrcchen. Weiler ist hierbei auch noch zu bedenken, daß von der Armee eine ziem liche Anzahl von Truppen, die auf der andern Seite stehen, wieder ab- geht, und der Umstand, daß auf die noch disponibel bleibenden Truppen, sobald sie sich einmal klar darüber werden, um was cs sich eigentlich han delt, kein Verlaß ist; dieser Umstand ist auch nicht gering anzuschlagcn. Das Uebergehen von Truppen im freien Felde zu den „Insurgenten" ist in Spanien, wie die bisherigen Revolutionen daselbst ja genugsam gezeigt haben, nichts Seltenes, und gerade in dem vorliegenden Falle ist diese Eventualität umsomehr ins Auge zu fassen, als einmal die Richtung des spanischen Volks, und namentlich der Armee, keine absolutistische ist, und es sodann auch bereits thatsächlich fcststeht, daß, gleich beim Beginnen der O'Donnell'schen „rettenden That", gegen zehn einflußreiche Generale sich heimlich von Madrid entfernt haben, um sich in die Provinzen zu begeben. Das Weitere ist also in aller und jeder Beziehung noch abzuwarten, und jedenfalls ist die Zeit noch lange nicht ba, wo die siegreiche madrider Reac- tion auf ihren Lorbern ruhen kann. Welch einen Lichtblick gewähren diesen widerlichen Vorgängen gegenüber die Feierlichkeiten in Brüssel! In Spanien schießt man da« Volk und seine Freiheiten mit Kanonen zusammen und bringt das kaum zur Ruhe gekommene Land aufs neue an den Abgrund deS Ver derben- — in Belgien kommt das Volk zusammen, um vor Gott und Men schen jubelnd Zeugniß abzulegcn, daß der König während der 25 Jahre seiner Regierung kein Gesetz des Landes verletzt habe. Die Achtung des Gesetzes und der Freiheit hat Belgien zu Dem gemacht, was es geworden, und gleichzeitig auch die Dynastie unerschütterlich befestigt; die MiSachlung des Gesetzes und der Freiheit bringt Spanien in den Zustand der Trost losigkeit und die Dynastie vielleicht in den vollständigsten Ruin. Die Staatsstreiche sind in unserm Jahrhundert zwar Mode geworden; aber was Recht ist, wird darum unter allen Umständen zuletzt doch Recht blei ben. Das Recht aber läßt sich nicht „machen", weder durch Wohldienerei noch durch Kanonen. — Die Nachricht, daß dem preußischen Paßwesen eine veränderte Ein richtung im Interesse des Publicum- zur schnellem Abfertigung bcvorstehe, bedarf, wie die Voß'sche Zeitung meldet, einer Berichtigung. Es sollen allerdings Erleichterungen eintreten, die Verpflichtung zum unbedingten per sönlichen Erscheinen der Interessenten aber, welche damit im Widerspruch stehen und z. B. bei alten, bei kränklichen und schwächlichen Personen große Härten mit sich führen würde, soll keineswegs im Werke sein. Dagegen ist dem Verlauten nach mehrfach davon die Rede gewesen, bei der jetzigen Reiselust die Pässe und Paßkarten mit einer nicht unbedeutend erhöhten Stempel- steuer zu belegen. fAuS dem Regierungsbezirk Merseburg, 22. Juli. Eine nicht unbedeutende Anzahl junger Handwerker au- dem hiesigen Departement und dm angrenzenden thüringischen Staaten haben in diesen Tagen ihre Hei mat verlassen, um infolge eine Engagements bei den in Rußland projec- Urten Eiscnbahnbauten thätig zu sein. — Der vor längerer Zeit zum ersten Bürgermeister der Stadt Halle erwählte RegierungSralh und Hauptmann v. Voß zu Merseburg hat endlich die königliche Bestätigung zu diesem sei nen neuen Amte erhalten und zwar, wie man sagt, infolge der Vermitte- lung des Prinzen von Preußen. — Kösen zählt bereit- über tausend Badegäste und wird nach den Anmeldungen in diesem Jahre ganz beson- sonderS stark besucht werden. Auch da- in der Nähe von Kösen liegende Soolbad Sulza an der Ilm erfreut sich einer Frequenz, wie dies bisher selten der Fall gewesen. Baiern. Aus Baiern, 22. Juli. Ein Erkenntniß des obersten Gerichtshöfe- entschied vorgestern eine mehrfach nicht unwichtige Frage. Ein Landwirth hatte seinen katholischen Pfarrer geschmäht, weil dieser e- versäumt habe, sein neugeborene- Kind, welches am Tage nach der Geburt wieder gestorben war, zu rechter Zeit zu taufen. Durch zwei Instanzen wurde der Uebelthäter wegen Privatehrenkränkung zu dreitägiger Polizei- orreststrafe verurtheilt, jedesmal aber ergriff die Staatsanwaltschaft die Be- rufung an die höhere Instanz, weil die Untergerichte angenommen hatten, die Diener der Kirche und namentlich die Pfarrer in ihren reinkirchlichen BcrufSgeschäften seien nicht al- StaatSdiener anzusehen und darum eine Amtsehrenbeleidigung nicht gegeben. So kam die Sache vor den höchsten Gerichtshof zur Entscheidung. Die Staat-anwaltschaft führte au-, daß die christlichen Kirchen wegen der im Staate ihnen eingeräumten Stellung zugleich den Charakter einer StaatSanstalt in sich trügen, daß auch deshalb die Pfarrer, als Träger eines Staatsamtes, als StaatSdiener erachtet wer den, und daher auch bei allenfallsiger Beleidigung derselben die Bestim mungen deS Strafgesetzbuchs über Amtsehrenbeleidigung in Anwendung gebracht werden müßten. Der Gerichtshof verwarf diese Anschauung als unbegründet. Die Pfarrer der katholischen Kirche seien als solche nicht Diener des StaatS, sondern lediglich Diener ihrer Kirche. Der Umstand, daß sie vom König ernannt oder bestätigt werden, sei hi« von keinem Be lang. Die katholische Kirche bilde trotz deS Oberaufsichtsrechts deS Staats und des ihr vom Staate zugesicherten Schutzes eine selbständige und vom Staate unabhängige Corporation, sie sei keine Staatsanstalt und ihre Aem- ter könnten auch nicht als Staatsämter betrachtet werden. Wenn den Pfarrern manchmal auch Functionen übertragen würden, welche zur För derung von Staatszwcckcn dienen, z. B. Inspektion der Schulen rc., so könne hieraus doch nicht gefolgert werden, daß sie auch in Bezug auf rein geistliche Functionen als StaatSdiener anzusehen seien. Demnach liege in der Beleidigung eines Pfarrers auch in Bezug auf seine kirchlichen Func- tionen nicht eine Amts-, sondern nur eine Privatehrenkränkung. Baden. xVom Neckar, 22. Juli. Als ich Ihnen neulich über das ebenso rohe als perfide Pamphlet schrieb, welches im gereizten ultra- montanen Jargon sich gegen die badische Refvrmationsfcicr richtete (Nr. 157), konnte ich am allerwenigsten vermuthen, daß dasselbe eine von Protestanten dem Protestantismus angethane Schmach sei. Leider aber stellt sich dies heraus. Ein gewisser Weber, Protestant, wird allgemein al- Verfasser bc- zeichnet. Noch bestimmter aber ist die Betheiligung deS Advocaten vr. Schul; zu Heidelberg an der Angelegenheit. Auch er ist Protestant und in der That ein ausgezeichneter Sachwalter, hat aber bereits seit Jahren sein glän zendes Talent vorzugsweise der Verfechtung der ultramontanen Sache bei ihren verschiedenen gerichtlichen Conflicten gewidmet, wie er denn auch> trotz seine- Glaubensbekenntnisses, allgemein als eine Hauptstütze der ultramon tanen Partei in Heidelberg gilt. Bekanntlich sollte nun jenes Pamphlet zuerst in Heidelberg gedruckt werden, was jedoch die Behörde, nach erfolg- ter Anzeige von Seiten des Buchdruckers, nicht gestattete. Hr. Schulz hat die Schrift, welche dann in Speier das Tageslicht erblickte, zum Druck be fördert; nicht so zuverlässig, obgleich allgemein behauptet, ist, daß er auch Theil an deren Abfassung hatte. Daß er dieselbe gegen eine Consiscalion schützte, nachdem das Heidelberger Oberamt sie vorläufig mit Beschlag be- legt ha te, that er freilich al- Advocat. UebrigenS ist das Schandlibell wie der freigegeben, was die vernünftigen Bekenner beider Confcssionen den Be hörden nur danken können. Während die Katholiken einen Protestanten, der die Reformation, ihren Stifter und die Reformationsfcier nicht etwa mit kritischen Gründen bekämpft, sondern mit blanken Schimpfworten her- abwürdigt, nur verachten, sind die Protestanten neben der Thcilnahme an dieser Verachtung auch in der Lage, den Verfasser des Libells nicht als Bekenntnißgenossen anerkennen zu müssen, da derselbe sich auf dessen Titel, obgleich lügnerisch, als „einen Katholiken" bezeichnet. Freie Städte. Die Angelegenheit der Hamburger Nachrichten wegen Veröffentlichung eines Ausschußantragö des Bundestags ist noch im- mer nicht erledigt. Gegen vr. Franz Theodor Müller, der sich bekanntlich als Uebermittler de- erwähnten Berichts selbst genannt hat, ist dasselbe Verfahren wie gegen die Nedaction der Hamburger Nachrichten eingeschla gen worden, nämlich das Steigen der Strafsummen, vr. Müller, der sei nen Vormann nicht nennen will, ist in voriger Woche gegen jene Maß regel bei dem Senat eingekommen. Oesterreich. o Wien, 23. Juli. AuS Montenegro ist der Ad jutant deS Fürsten Danilo, Hr. v. Vukovich, hier angekommen, um im Interesse desselben zu wirken. Der Fürst hat, wie eö scheint, seine auf die Vergrößerung des FürstenthumS abzielenden Plane noch nicht aufgegeben, und nimmt ungeachtet der in dieser Hinsicht zu wiederholten malen gemach- ten ungünstigen Erfahrungen den Versuch immer wieder auf, den diessei tigen Hof für diese Plane zu gewinnen. — ES verdient bemerkt zu wer- den, daß sowol Fürst Stirbei al- auch Fürst Ghika Denkschriften über die Lage der Fürstenthümer an den Höfen der Großmächte sowie in Kon stantinopel haben übergeben lassen. Ersterer spricht sich darin gegen das Unionsprojcct, Letzterer für dasselbe auS. Fürst Ghika beabsichtigt übrigens diese Ansicht auch persönlich in Pari- zu vertreten. — Die^Consularberichte aus Syrien lauten immer ungünstiger für die Pforte. Die in Aleppo, Vidi- und Marasch vorgenommenen zahlreichen Verhaftungen haben wenig gefruchtet und es wird umfassender Maßregeln und bedeutender Truppen massen bedürfen, um die drohende Erhebung niederzuhalten. Der Handels verkehr liegt in ganz Syrien arg danieder, und viele deutsche, französische und englische Häuser, welche in verschiedenen Städten Etablissements ge gründet hatten, haben dieselben auS Furcht vor ernstlichen Störungen der öffentlichen Ruhe wieder geschloffen. — Die Berliner Börsen-Zeitung vom 23. Juli schreibt: „Wir können die schere Miltheilung machen, daß die österreichische Regierung, gleichviel, ob eine Einigung mit denZollvrreinSstaaten über das Münzsystem zustande kommen sollte, zu dem 21-Fl.-Fuße überzugehen entschlossen ist. Wir kön-