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Universität im Jahre 1875. Die Uraufführung erfolgte erst 1894, als der Kom ponist bereits schwer erkrankt war. Bruckner starb, ohne sein Lieblingswelk je gehört zu haben. Die Sinfonie ist von außerordentlicher thematischer Geschlossenheit. Der 1. Satz wird von einer feierlichen Adagio-Introduktion eröffnet. Hier werden die thema tischen Keime des Hauptsatzes, ja eigentlich der ganzen Sinfonie angedeutet. Uber den absteigenden Pizzicato-Bässen setzen die Violinen und Bratschen mit aufstrebenden Linienführungen ein. Doch wird die elegische Haltung der Einleitungstakte von dem machtvollen Choralweckruf der Blechbläser jäh abge löst - schroffe Gegensätze, die für Bruckners Werk so charakteristisch sind. Ein lyrisch-versonnener Allegro-Teil inmitten der Introduktion deutet schon auf die Exposition des Hauptsatzes hin, die nach einem zweiten Bläserruf mit dem schwungvoll-hinreißenden Hauptthema in den Celli eröffnet wird. Anfangs noch zögernd, gewinnt es im Verlauf an Festigkeit, bis es im glanzvollen Bläser- Hymnus kraftvoll und entschlossen vor uns steht. Zwei weitere Themenkomplexe, ein mehr lyrischer und ein aufbegehrender mit rhythmisch synkopierter Motivik, schließen die Exposition ab. Mit der leicht modifizierten Wiederholung der Adagio-Introduktion setzt die Durchführung ein. Durch das plötzlich ertönende Hauptthema wird das musikalische Geschehen aktiv vorangetrieben. Alle Motive und Themen werden in ihrer Ganzheit entfaltet, miteinander verbunden und gesteigert. Jedoch wird dieses Miteinander und Nebeneinandr nie zur dialekti schen Auseinandersetzung im Sinne der klassischen Sinfonie. Die Coda des Satzes ist allein dem Hauptthema Vorbehalten. Im strettahaft-stürmischen Aus klang wird es im Blech-Fortissimo hinreißend zum Hymnus gesteigert. Das nachfolgende Adagio, einer der merkwürdigsten Sätze Anton Bruckners, fällt allerdings in Resignation, ja Trostlosigkeit zurück, über den spröden Pizzi- cato-Akkorden der Streicher trägt die Oboe eine schmerzliche, fast weltverlorene Melodie vor. Ein zweiter Themenkomplex, vom Streicherchor dargeboten, hat dagegen etwas Tröstliches, kann aber die schwermütige Haltung des Satzes nicht grundsätzlich oufhellen. Erst ganz am Schluß des Adagios — in der Um wandlung des tiefernsten Oboenthemas nach Dur — werden Gedanken der Hoffnung und Zuversicht zum Ausdruck gebracht. Im Scherzo wird Bruckners Beziehung zur österreichischen Volksmusik recht deut lich. Der lebendigen Musizierfreudigkeit sind hier keine Grenzen gesetzt. Ein behagliches Ländlerthema und das dahinpendelnde Trio geben dem Satz freundliche Züge, wenn auch durchaus dramatische Akzente durch das dahin stürmende Hauptthema gesetzt werden. Interessant ist, daß der Komponist das Scherzo aus dem Themenmaterial des Adagios aufgebaut hat. Krönung und Höhepunkt der Sinfonie bildet das Finale. Wie im Schlußsatz der 9. Sinfonie Beethovens wird an vorangegangene Themen erinnert. Noch einmol klingt die Introduktion des 1. Satzes an. Sie wird jedoch plötzlich von einem Oktavthema der Klarinette unterbrochen. Auch das ernste Adagiothema kommt nicht zur Entfaltung. Erneut fällt das kühne Oktavthemo ein und gewinnt in einer groß angelegten Fugenexposition an Entschlossenheit. Ein zweiter Themenkom plex mit ländlerischer Motivik bringt im weiteren Verlauf schwärmerische Züge. Kerngedanke des Finales bildet das Choralthema, Bruckner verarbeitet es in der Durchführung kombiniert mit dem Oktavthema zu einer monumentalen Doppel fuge - Mittelpunkt und Epilog des Schlußsatzes. Aber auch hier stehen unver einbare Gegensätze nebeneinander, Zuversicht und Zweifel. Den absoluten Höhe punkt bildet die Coda. Bruckner gestaltet hier Steigerungen, wie vor ihm noch kein Meister. „Choral bis zum Ende im fff, schrieb der Komponist in die Partitur. Der machtvolle Bläser-Choral bildet mit dem kämpferisch-entschlossenen Haupt thema des 1. Satzes musikalisch und inhaltlich eine Synthese. Im Glanz der Trompeten und Posaunen findet das Finale einen hymnischen Abschluß, ein Finale übrigens, das an Ausdehnung und klanglichen Dimensionen seinerzeit alles bisherige übertraf. VORANKÜNDIGUNGEN: Pfingstsonntag, den 18. Mai 1975, 17.00 Uhr, Dresdner Zwinger Pfingstmontag, den 19. Mai 1975, 17.00 Uhr, Dresdner Zwinger 10. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Martin Flämig Solisten: Barbara Hoene, Dresden, Sopran Hans-Jürgen Wachsmuth, Halle, Tenor Hermann Christian Polster, Leipzig, Baß Chor: Dresdner Kreuzchor Joseph Haydn: Die Schöpfung Freier Kartenverkauf Mittwoch, den 28., und Donnerstag, den 29. Mai 1975, jeweils 20.00 Uhr, Kulturpalast Einführungsvorträge jeweils 19.00 Uhr Dr. habil. Dieter Härtwig 9. KONZERT IM ANRECHT C UND 9. ZYKLUS-KONZERT Dirigent: Kurt Rapf, Österreich Solist: Peter Rösel, Dresden, Klavier Werke von Schumann und Bruckner Anrecht C und B Programmblätter der Dresdner Philharmonie - Spielzeit 1974/75 - Chefdirigent: Günther Herbig Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Druck: GGV, Produktionsstätte Pirna - 111-25-12 2,85 ItG 009-51-75 (•HKarnoorrio 8. KONZERT IM ANRECHT C UND 8. ZYKLUS-KONZERT 1974/75