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Freitag. Leipzig. Die Zeitung erscheint mit Ausnahme des Montags täglich und wird Nachmittags I Uhr aus- gegeben. Preis für das Vierteljahr I V, Thlr.; jede einzelne Numnier 2 Ngr. —— Nr. 68. — HI März I8S« MW Mgemeim Zeitung «Wahrheit und Recht, Freiheit und Geschl» Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Erpedition i» Leipzig (Querstraße Nr. 8). Insertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Wegen -es Charfreitags erscheint -ie nächfte Nummer Sonnaven-, LS. März, Nachmittags. L)en erhöhten Anfoderungen, die in der jetzigen Zeit an die größern politischen Blätter Deutschlands gestellt werden, sucht die Deutsche Allgemeine Zeitung in jeder Weise zu entsprechen. Sie hat zahlreiche und zuverlässige eigene Correfpondente« an allen Hauptpunkten Europas, namentlich auch an den verschiedenen bei den gegenwärtigen Ereignissen besonders wichtigen Orten. Ihre Leitartikel suchen den Leser über die politischen Angelegenheiten zu unterrichten und zugleich die Aufgabe der unabhän gigen patriotischen Presse nach Kräften zu erfüllen. Den sächsische« Angelegenheiten wird in Leitartikeln und Kor respondenzen große Aufmerksamkeit gewidmet. Wichtige Nachrichten, auch die Börsencurse von London, Paris, Wien, Berlin erhält die Zeitung durch telegraphische Depesche«. Die Interessen des Handels und der Industrie finden sorgfältige Be achtung. Ein Feuilleton gibt zahlreiche Originalmittheilungen und kurze Notizen über Theater, Kunst, Literatur u. f. w. Die Deutsche Allgemeiue Zeitung erscheint, mit Ausnahme des Montags, täglich in einem ganzen Bogen. Das viertel jährliche Abonnement beträgt 1 Thlr. 1S Ngr. Inserate finden durch die Zeitung die weiteste Verbreitung und werden mit S Ngr. für den Raum einer Zeile berechnet. Bestellungen auf baS mit dem L. April beginnende neue Abonnement werden von allen Postämtern des In- und Auslandes, in Leipzig von der Erpedition der Zeitung angenommen und baldigst erbeten. Ein LkAumentuin ült dominem. — Leipzig, 20. März. Es ist in neuester Zeit mehrfach von den Geg° nern des Liberalismus diesem der Vorwurf gemacht worden, daß er im Jahre 1848, als er am Ruder gewesen, sich zumeist mit der Ausführung unpraktischer, utopischer und excentrischer Grundsätze und Staatstheorien be schäftigt habe. Insbesondere den Deutschen Grundrechten Hal man dies häufig nachgesagt. Ihnen namentlich hat man schuldgegeben, daß sie zuM größten Theil vage Allgemeinheiten enthielten, welche auf die positiven Staatsoerhältnifse unanwcndbar seien, und hat es als den Anfang der wie- dergekehrten politischen Weisheit und Besonnenheit gepriesen, daß man mit diesen unpraktischen Abstractionen reine Wirthschaft gemacht habe. Glück licherweise hat die Erfahrung selbst in mehr als einem Fälle bereits die Rechtfertigung der vielverschricnen Grundrechte übernommen, indem sie Hand- greiflich zeigte, welche praktische Schäden und Misbräüche in unserm Staats leben durch jene Rechtsgaranlien beseitigt und abgewehrt werden sollten und wie diese selben Schäden und Misbräüche, weil die dagegen versuchte Schutz wehr nicht zustande kam oder wieder eingerissen ward, seitdem von neuem und zum Theil ärger als vorher zum Vorschein kamen- Eben jetzt liegt wieder ein solcher Erfahrungsfall vor, und diesmal in besonders frappanter und unwiderlegbarer Gestalt. Man weiß, auf welche ursachliche Momente jener Conflict zurückweist, dessen erschütternder Ausgang, der Tod im Duell eines hochgestellten und hochverdienten preußischen Beamten, eine so allge meine Sensation und Theilnahme hervorgebracht hat. Seine erste Wurzel war die Unverträglichkeit des militärischen Standesbewußtseins mit der Idee der Unterordnung unter die gewöhnliche bürgerliche Polizeigewalt. Diese Exclusivität und Selbstüberhebung des militärischen Standesbewußtseins ist aber ein natürliches und fast unvermeidliches Product der absonderlichen Verhältnisse, in welche man das Militär und insbesondere den Offizierstanb versetzt hat. In den meisten und den wichtigsten Beziehungen hat man die sen Stand dem Bereiche deS bürgerlichen Lebens und der bürgerlichen Ord nung geflissentlich und systematisch entrückt. Nicht blos in Aeußerlichkeiten, z. B. durch das Gebot des steten Tragens der Uniform auch außerm Dienst, durch die angeordncte Einrichtung besonderer Offiziertische (in vielen Staa ten) u. dergl m., sondern in Bezug auf seine wesentlichsten Rechte und Pflichten. Um nur Zweierlei zu erwähnen, was bei dem vorliegenden trau- rigen Falle besonders in Betracht kommt: der Offizier steht wegen aller sei ner Handlungen, auch der nichtmilitärischen, nicht unter der allgemeinen bürgerlichen, sondern unter seiner eigenen Gerichtsbarkeit, und er ist (vieler Orten wenigstens) durch besondere Ehrengesehe oder durch ein mit der Kraft eines Gesetzes bekleidetes Herkommen verpflichtet, in gewissen Fällen nicht auf den Schutz der Gesetze, sondern auf seine persönliche Geschicklichkeit in der Waffenführung zu recurriren, mit andern Worten, sich zu duelliren. Die Folge einer solchen anomalen oder Ausnahmestellung des Militärs ist ganz natürlicherweise die, daß dieser Stand sich nicht allein in seinen Gefühlen und Ideen, sondern sogar in seinem Rechtsbewußtsein, in seinen Begriffen von Dem, waö erlaubt oder nicht, was seine Pflicht und sein Recht sei, von den bürgerlichen Ständen, dem Civil, ganz und gar absondert und ausscheidet. Zu welchen Unzuträglichkeilen dies bereits lange vor 1848 geführt, wollen wir hier nicht deS weitern auseinandersetzen; wer sich in jene Zeil zurückzuver- setzen vermag, wird sich der häufigen Excesse erinnern, welche Offiziere sich gegen Personen vom Civil im gewöhnlichen geselligen Zusammentreffen erlaubten und welche nicht selten schwere Verwundungen, ja Tödtungen herbeiführten. Gtgm derartige Ausschreitungen einen Damm zu schaffen, war eine Haupt absicht jenes Paragraphen der Grundrechte, welcher „die Militärgerichts barkeit auf die Aburtheilung militärischer Verbrechen und Vergehen sowie die Militärdisciplinarvergehen" beschränkte, in allem Ucbrigen aber daS Di» litär wie das Civil, und zwar Offiziere sowol als Gemeine, den gewöhn lichen Gerichten unterwarf. In England besteht bekanntlich diese Einrich tung schon lange. Man erinnert sich, wie vor etwa zwei Jahren in London ein Gardeoffizier von vornehmer Geburt, weil er sich gegen einen Con stabler unziemlich betragen, von einem simpcln Friedensrichter zur Hast ge bracht und zu einer Freiheitsstrafe verurtheilt ward, die er quch richtig ab- büßen mußte. Seine vornehmen Slandesgenoffen konnten ihren Mismulh über diese Beugung des hochadeligen Stolzes unter das gemeine bürger liche Gesetz in einer glänzenden Ovation von wappengeschmückten Carrossen, die sie vor seinem Gcfängniß halten, und von Visitenkarten, die sie durch ihre betreßten und gepuderten Bedienten bei ihm abgeben ließen, zur Schau stellen, aber sie konnten die Buße, welche das verletzte Gesetz dem hochgeborenen Schuldigen aufcrlegte, nicht um eine Stunde abkürzen. Und man hat nicht wahrgcnommen, daß wegen dieser Unterordnung des engli schen Militärs unter die Autorität des bürgerlichen Gesetzes und der allge meinen Landesgesetze die DiSciplin im Heere oder der Geist der Truppen minder tadellos gewesen wäre als in andern Armeen, wo daS Princip der besonder» Standesehre und der Losgcbundenheit von den bürgerlichen Staatsgcsetzen besteht. Oder waren jene Colonnen, welche die Höhen an der Alma unter dem Kartätschcnfeuer des Feindes in geschlossenen Reihen und im unerschütterlich gleichmäßigen Taklschritt erstiegen, und jene, die bei Inkerman dem furchtbaren Anprall einer sechsfachen Uebermacht wider- standen, etwa keine zuverlässigen und kriegStüchtigen Truppen? Merkle man etwa jenen Offizieren, die den furchtbaren Strapazen der Wintcrcam- pagne in der Krim ohne Murren Stand hielten, einen Mangel an solda tischer oder an ritterlicher Gesinnung an? Und gibt es für den Soldaten wol einen edlern Stolz als den der Tapferkeit vor dem Feinde im Felde, des Gehorsams gegen die Gesetze und die Einrichtungen seines Landes da- heim während des Friedens? Daß dieses System dem Staate ebenso wol tapfere Vertheidiger wie gute Bürger schafft und ein Verhältniß der Ein tracht und der gegenseitigen Achtung zwischen den beiden Hauptständen der Staatsgesellschaft, dem Militär und dem Civil, begründet, ist durch daS Beispiel Englands ebenso erwiesen wie Das, was aus dem entgegengesetzten Verfahren folgt, durch diese neueste, blutige Erfahrung, welche leider nicht die erste war und schwerlich die letzte sein wird, sich zweifellos Allen, welche nur sehen wollen, darbietet. War es also wol etwas Grundloses oder etwas Unausführbares, was man 1848 verlangte und was ins Leben einzuführen der oben erwähnte Paragraph der Grundrechte versuchte? Gewiß nicht! Deutschland. Preußen. Berlin, 18. März. Den berliner Blättern ist Folgen- des zur Veröffentlichung zugegangen: Mit Rücksicht auf die allgemeine Theilnahme, welche der Tod meines Bruder-, des Generalpolizeidirectors v. Hinckeldey, gefunden hat, und veranlaßt durch die Erörterungen, welche über dies unglückselige Ereiguiß von verschiedenen Seiten her veröffentlicht worden sind,' fühle ich mich verpflichtet, meinerseits nachstehende That- sachen HInzuzufüaen, deren Wahrheit ich verbürge und von denen ich erwarten darf, daß sie behufs einer unbefangenen und unparteiischen Würdigung dieser ganzen Ange legenheit nicht überflüssig erscheinen werden: I) Das von dem Polizcilieutenant Damm gegen den Jockeyclub eingehaltene Benehmen wurde von meinem Bruder ernstlich ge- misbilligt und er verhängte, gegen eine mildere Auffassung der Mitglieder deS Poli-