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Nr «7 2«. März 188« Deutsche Mgmeim Zeitung Preis für das Vierteljahr 1'/, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. »Wahrheit und Recht, Freiheit und GeW» Zu beziehen durch all. Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Erpeditio» in Leipzig lOuerstraße Nr. 8). Jnsertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Donnerstag Di« Zeitung «scheine mit Ausnahme des Montags täglich und wird Nachmittags 4 Uhr aus- gegeben. Der Vertrag vom 31. Juli 1841. LAus Franke«, 14. März. Preußen ist, so meldet der Telegraph, als Mitunterzeichner de« Dardanellenvertrag« von 1841 zur Theilnahme an den pariser Conferenz«» emgeladen worden. Hunderte sprechen von die sem Vertrag, Wenige haben ihn je angesehen. Es dürste jetzt der rechte Moment sein, sich "dieses merkwürdige diplomatische Product etwas genauer zu betrachten. Der Vertrag ist von den fünf Großmächten und der Pforte am 31. Juli 1841 zu London unterzeichnet. Er lautet in getreuer Ueber- tragung wie folgt: Da II. MM. der König der Franzose», der Kaiser von Oesterreich, König von Ungarn und Böhmen, die Königin des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland, der König von Preußen und der Kaiser aller Neuffen überzeugt sind, daß ihre Einigkeit und Uebereinstimmung Europa das sicherste Unterpfand der Erhal tung des allgemeinen Friedens, des steten Gegenstandes ihrer ernsten Fürsorge, bieten, und da ZI. genannten MM. diese Nebereinftimmnng zu bezeugen wünichen, indem sie Sr. Hoh. dem Sultan einen offenkundigen Beweis von der Ächtung, welche, sie für die Unverletzlichkeit seiner souveräne» Rechte hegen, sowie von ihrem aufrichtigen Wunsche geben, die Ruhe seines Reich« sich befestigen zu sehen — so haben II. ge dachte» WM. beschlossen, der -Einladung Gr. Hoh. des Snltanö Folg« zu -leisten, zu dem Zweck, um gemeinsam durch eine» stemMen Aet ihren etnstimnügen Entschluß zu eonstatiren, sich der alten Kegel des osmanischen Reichs zu füge», wonach die Durch fahrt durch die Meerengen der Dardanellen und des Bosporus den fremden Kriegs schiffen stets verschlossen sein muß, solange die Pforte sich im Frieden befindet. Nach dem JI. gedachten MM. auf der ein«n und Se. Hoh. der Sultan auf der andern Seite beschlossen, untereinander eine Convention über diesen Gegenstand zu schließe», so haben sie zu dem Ende zu ihren Bevollmächtigte» ernannt rc. Art. 1. Se. Hoh. der Sultan auf der eine» Seite erklärt, daß er fest entschlossen ist, i» Zukunft das als alt« Regel seines Reichs unveränderlich festgcstellte Princip aufrechtzuhalten, kraft dessen cs den Kriegsschiffen der fremden Mächte jederzeit verboten gewesen ist, In die Meerenge» der Dardanellen und deö Bosporus cinzulaufen, und daß, solang« diePforte sich im Frieden befindet, Se. Hoh. kein fremdes Kriegsschiff in den genannte» Meer engen zulaffen wird. Und JI. MM. der König der Franzosen (rc. wie oben) von der andern Seite verpflichte» sich, diese Entschließung des Sultan« zu achten und sich dem oben ausgesprochene» Grundsatz zu fügen. Art. 2. Es bleibt dabei wohlverstan den, daß der Sultan, indem er die Unverletzlichkeit der im vorhergehenden Artikel er- wühnttn alten Regel de« osmanischen Reichs constatirt, sich vorbehätt, wie bisher ton leichten Fahrzeugen unter KriegSflagg«, welche, >vie »blich, im Dienst der Gesandt schaften der befreundeten Mächte werden gebraucht werden, Fermans (Ermächtigungen) zur Durchfahrt zu ertheilen. Art. 3. Sc. Hoh. der Sultan behält sich vor, die ge genwärtige Convention zur Kenntniß aller Mächte zu bringen, mit denen die Hohe Pforte sich in freundschaftlichen Beziehungen befindet, indem er sie derselben beizuire- ten ausfodert. Art. 4. Die gegenwärtige Convention wird ratificirt werden rc. Die nächst« Frage, welche sich darbietet, ist die: wer sind die Contra- henttn des Vertrags, lver conirahirt mit wem? Hierauf antwortet der klare Wortlaut: Contrahcnten sind die fünf Großmächte einerseits, der Sul- tan andererseits, d. h. jede der fünf Großmächte conirahirt mit dem Sul tan; davon, daß die fünf Großmächte unter sich contrahiren, sagt der Ver trag kein Wort. Die zweite Frage ist: welche Rechte, beziehentlich Ver pflichtungen begründet der Vertrag für jeden der Contrahcnten? Es handelt sich also: 1) um die Rechte des Sultans, beziehentlich Verpflichtungen der Großmächte; 2) um dir Rechte der Großmächte, beziehentlich Verpflichtungen de« Sultans aus dem Vertrage. Die fünf Großmächte (d. h. jede dersel- den) verpflichten sich -egen den Sultan, dessen Entschließung über die Nicht zulassung fremder Kriegsschiffe in Friedenszeiten und die sogenannte alte Rqgel des osmanischen Reichs zu respeetiren, und hierauf erhält somit der Sultan ein vertragsmäßige« Recht. Wozu aber verpflichtet sich der Sul- tau? In der Lhat zu gar nichts. Der Sultan erklärt nur, er sei ent schlossen, ein bestimmtes Princip aufrechtzuhalten, er macht sich nicht ver- bindlich dazu, während es von den Großmächten heißt: II. MM- ver- pflichten sich sH Aist. s'snMgent). Damit stimmt die ganze dem Ver trage zugrunde liegende Anschauungsweise überein. Man will nicht den Sultan zu etwas Neuem verpflicht««, man will „ihm einen Beweis der Achtung vor der Unverletzlickckcit feiner souveränen Rechte geben, sich einem alten Grundsatz des osmanischen Reich« conformiren, einen Entschluß des Sultans respeetiren". Alles Dies verträgt sich nicht wohl mit einer beab sichtigten Verpflichtung des Sultans. In Art. 2 heißt es dann nicht: „Indem der Sultan sich zur Aufrechthaltung jenes Princips verpflichtet, behält er sich vor", sondern: „Indem er die Unverletzlichkeit jener Regel constatirt." Unser Resultat ist ein bemerkenswerthe«. Der Sultan hat seinen Ent- schluß erklärt, eine gewisse Regel aufrechtzuhalten, er hat sich nicht juri stisch dazu verpflichtet; die Großmächte ihrerseits haben sich rechtlich, gegen den Sultan, nicht gegeneinander verbunden, diese Entschließung zu restrec- tiren, dieser Regel sich zu unterwerfen. Hieraus folgt: 1) der Sultan kann ohne Vertragsbruch jene Entschließung ändern, die Meerengen öffnen. Die Großmächte haben solchenfalls kein Widerspruchörecht aus dem Vertrag; 2) die Verpflichtung der Großmächte zur Anbequemung an die Regel der Schließung der Meerengen dauert nur so lange, als jene Entschließung der Pforte bestehen bleibt; 3) da die Großmächte sich nicht untereinander zur Beobachtung jener Regel verpflichtet haben, so haben sie auch untereinander aus dem Vertrag« kein Recht des Widerspruchs gegen Verletzung, bezüglich Abänderung derselben. Zu einer Modifikation des Vertrags von 1841 be darf «s also keineswegs einer Zustimmung jeder der Großmächte, weder für die übrigen Großmächte noch für die Pfdrte; 4) folglich ist eine rechtliche Nothwendigkcit für die Zuziehung Preußens zu den pariser Conferenzen aus dem dort zu revidircnden Vertrag von 1841 nicht begründet; 5) wollte man schlirßlich auch annehmen, aus diesem Vertrag erwachse eine gegen seitig« Verpflichtung unter den Großmächten, sich dem Princip der Schlie ßung der Meerengen zu fügen, so würde immer daraus ein Widerspruchs- recht jeder derselben oder aller zusammen gegen Aufhebung jener Regel durch freie» Entschluß des Sultans nicht abzuleiten sein; denn der Sultan hat die unveränderte Aufrechthaltung jenes Grundsatzes nur für sein« be stimmte Absicht erklärt, nicht vertragsmäßig als Verbindlichkeit übernommen. So stellt sich das unbefangene juristische Urtheil über jenen vielge nannten Dardanellenvertrag. Praktisch haben unsere Resultate im Augen blick keine Bedeutung; denn die sämmtlichen Belheiligten scheinen einig, daß eine Abänderung des durch d«n Vertrag von 1841 sanctionirten Grund satzes nicht ohne Zustimmung aller Contrahcnten desselben erfolgen soll«. Aber cs wäre doch möglich, daß «s schließlich an der materiellen allseitigen Uebereinstimmung fehlte. Für diesen Fall möchte es nicht unnütz sein, darauf hingewiesen zu haben, wie gering die durch den Vertrag von 1841 gegebenen rechtlichen Garantien für Aufrechthaltung des darin festgestellten Princip« sind. Preußen, t Berlin, 18. März. Der Ausspruch Lord Palmer ston'«, Preußen sei eingeladen worden, nicht um den Friedensver trag mit zu unterzeichnen, sondern um sich dem Ergebniß der Untrrhand- lungen anzuschlicßen, hat hier, wie man leicht begreifen wird, einen großen Eindruck hervorgebracht, der sich jedoch bereits wieder beschwichtigt hat. J«d«r sagt sich, daß das Ergcbniß der Berathungen unter den kriegführen den Mächten mithin Preußen zur Prüfung vorgclegt wird, ob es sich dem selben anschließen will, denn von einer Unterzeichnung Preußens ohne eine solche Prüfung und Zustimmung ist doch in keiner Weise die Rede. In Betreff der Verträge von 1840 und 1841 wird Preußen in jedem Fall an den Verhandlungen selbst gleich vollen Antheil nehmen. Mit diesen Er- wägungcn und mit der Thatsache, daß Preußen seinen Sitz bei den pari ser Berathungen bereits eingenommen hat, scheint die hiesige öffentliche Mei nung sich ziemlich zu beruhigen. Es ist nicht in Abrede zu stellen, daß viele begeisterte preußische Vaterlandsfreunde erst seit der an Preußen er gangenen Einladung wieder frei aufathmen, da die Stellung Preußens als Großmacht nunmehr al« gewahrt sich darstellt. Die Sprache der Commis- sion des Hauses der Abgeordneten in Betreff der Stellung Preußens der obschwebenden großen europäischen Frage gegenüber, eine Sprache, wie man sie bisjetzt nur in den Ländern zweiten Nangcs in den kleinern deutschen Staaten zu hören gewohnt gewesen, indem nur von den Interessen und Pflichten Preußens als Bundesstaat die Rede war, hatte offenbar die hie sige öffentliche Meinung sehr herabgedrückt. Entschieden hat letztere stets die Stellung Preußens als einer europäischen Großmacht mit bestimmendem Einfluß und Gewicht im europäischen Staatensystem und als leitender deut scher Macht allgemein und in ungetheilter Ueberzcugung, trotz des Bußpre- digens des bekannten „Hohenpriesters der preußischen Ehre" als die alleinige und unwandelbare Grundlange des geschichtlichen Beruf« des jugendlichen preußischen Staats betrachtet. Den neugeschaffenen preußischen Patriotis mus, vor welchem die alten Urberlieferungen des Ruhms und der Macht Preußens al« revolutionäre Ausgeburten in Staub und Asche sich beugen sollen, will nun einmal das preußische Volk nicht. — In der vielbesproche nen Depeschenangelegenheit hat der Gehcimrath Seiffart in Pots dam eine Nechtfrrtigungsschrift hier und in Potsdam vielfach verbreitet. Dies« Schrift soll auch dem König von demselben übersandt word«n sein. Für die Ocffentlichkeil scheint diese ^Auseinandersetzung nicht bestimmt zu sein. — Bei den Beschreibungen des großartigen Leichenbegängnisses des TcneralpoiizcidirectorS v. Hinckeldey ist sonderbarerweise der sieben Mit glieder de« Herrenhause-, welche sich dabti betheiligt haben, nirgends Er wähnung geschehen. Mehre Herren, unter denen sich sehr hervorragende und hochgestellte befinden, haben die ausdrückliche Bitte ausgesprochen, in der Presse cs hirvorzuheben, daß sie ihrer innigen und tiefcn Theilnahme an dem so beklagenswerthen Ereignlß gerade «inen offene» Ausdruck durch ihr Erscheinen in dem Leichenhanse haben geben wollen. Seine ganz be sondere Theilnahme hat der Familie des Hrn. v. Hinckeldey der Graf