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DRESDNER PHILHARMONIE Freitag, den 25. April 1975, 20.00 Uhr Sonnabend, den 26. April 1975, 20.30 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 8. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Günther Herbig Solistin: Dubravka Tomsic, SFR Jugoslawien, Klavier Tadeusz Baird geb. 1928 Vier Essays für Orchester Molto adagio Allegretto grazioso Allegro Molto adagio Wolfgang Amadeus Mozart Konzert für Klaviei und Orchester A-Dur KV 414 1756-1791 Allegro Andante Allegretto PAUSE Carl Nielsen 1865-1931 Sinfonie Nr. 5 op. 50 Tempo giusto - Adagio non troppo Allegro - Presto — Andante un poco tranquillo — Allegro Erstaufführung Artur Rubinstein sagte über seine Schülerin DUBRAVKA TOMSIC: „Ihre Begabung und Indi vidualität sind groß. Welche Leichtigkeit, welch schöne Tongebung, Sie ist eine vollkommene und wunderbare Pianistin." Die in Dubrovnik geborene Künstlerin begann ihre Studien im frühen Alter an der Musikakodemie Ljubljana. 1952—1957 studierte sie an der Juillard School in New York. Nach einem Soloabend in der New Yorker Carnegie Holl 1957 bot ihr Artur Rubinstein ein Weiterstudium bei sich an, das nachhaltigen Einfluß auf ihre künstlerische Ent wicklung gewann. 1967 gewann sie den 1. Preis für die beste Mozart-Interpretation während der Mozart-Tage in Brüssel. Dubravka Tomsic widmet sich neben ihrer umfangreichen Konzert tätigkeit an der Musikakademie in Ljubljana auch musikpädogogischen Aufgaben. Konzert reisen führten sie u. a. in die USA, CSSR, UdSSR, nach England, Holland, Italien, Belgien, Portugal, Österreich, Rumänien, Ungarn und in die DDR. Bei der Dresdner Philharmonie war sie bereits 1973 zu Gast. ZUR EINFÜHRUNG Tadeusz Baird ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Komponisten der VR Polen. Kompositionsunterricht nahm er 1943 44 in Warschau bei B. Woyto- wicz und K. Sikorski und nach dem 2. Weltkrieg am Warschauer Konservatorium bei P. Rytel und P. Perkowski (1947-1951). Außerdem studierte er Klavier und Mu sikwissenschaft. Nach einigen Kompositionen im neoklassischen Stil zu Beginn seiner Laufbahn wandte sich Baird, etwa ab 1956, der Wiener Schule zu ,vor allem dem Schaffen Alban Bergs und Anton von Weberns. Schon damals - in seiner frühen Schaffensperiode — begannen sich Bairds ausgeprägte melodische Erfin dungskraft und lyrische Expressivität durchzusetzen, die für sein späteres Werk so charakteristisch sind. Baird hat bisher vor allem Orchesterwerke, orchesterbegleitele Vokalkompositio nen sowie Kammermusiken geschrieben. 1970 entstand im Auftrag der Dresdner Philharmonie anläßlich ihres 100jährigen Jubiläums die Kantate „Goethe-Briefe". Der Uraufführung 1971 folgten weitere erfolgreiche Aufführungen. Bairds Kom positionen erklingen in vielen Musikzentren der Welt, sie finden überall starke Resonanz. Baird ist Träger vieler polnischer und internationaler Auszeichnungen. Die Vier Essays für Orchester sind dem polnischen Dirigenten Witold Rowicki gewidmet. Sie entstanden 1958, wurden 1959 uraufgeführt, 1961 zu einem Ballett umgearbeitet und später auch verfilmt. Die „Essays" stammen aus der frühen Schaffensperiode, in der Baiid sich besonders von den Kompositionsprin zipien der Wiener Schule anregen ließ. Sie sind daher stark von der Zwölfton technik geprägt. Baird beabsichtigte in jedem einzelnen Essay eine ganz bestimmte expressive Haltung zu gestalten mittels Veränderungen der Orchesterbesetzung und sich daraus ergebender Möglichkeiten klanglicher Differenzierung. Essay 1 (Molto adagio) wird getragen vom Klang der solistisch behandelten Strei cher und zweier Harfen. Er wirkt in seiner Grundstimmung lyrisch. Die Solovioline führt sogleich die für das gesamte Werk strukturell wichtige Grundgestalt ein. — Essay 2 (Allegretto grazioso) für Holzbläser, Harfen, Schlagzeug und Streicher besitzt einen lebendigen, heiter-tänzerischen Charakter. - Essay 3 (Allegro): hier dominieren die Blechbläser mit Klavier und Schlagzeug. Aus lastendem, statischem Beginn entwickelt sich eine stark rhythmisch geprägte Bewegung mit explosiven Ausbrüchen, die dann wieder in die Ausgangssituation mündet. - Essay 4 (Molto adagio), ausgeführt von tiefen Holzbläsern, Klavier und (wie im Essay 1) Harfen und Streichern, knüpft in der Grundstimmung an Essay 1 an. Das Werk endet in verhaltener Lyrik. Ende Dezember 1782 schreibt Wolfgang Amadeus Mozart seinem Vater über einige seiner neuen Klavierkonzerte: „Die Concerten sind eben das Mittelding zwischen zu schwer, und zu leicht — sind sehr Brillant — angenehm in die Ohren - Natürlich, ohne in das leere zu fallen - hie und da - können auch kenner allein satisfaction erhalten - doch so — daß die nichtkenner damit zu frieden seyn müssen, ohne zu wissen warum.“ Die Äußerung dürfte sich auch auf das Klavierkonzert in A-Dur KV 414 beziehen, das wahrscheinlich im Herbst 1782 entstanden war. Sie zeugt davon, daß für Mozart Popularität Kunstfertigkeit einschloß. Die Musik sollte leicht ansprechen, verständlich sein, aber zugleich anspruchsvollem, tiefer eindringendem Hören Gewinn bringen. Im A-Dur-Konzert aus dem Jahr 1782 spielen die Bläser — lediglich Oboen und Hörner sind vorgeschrieben - eine untergeordnete Rolle; sie können sogar weg fallen. Im ganzen zeigt das Konzert mehr kammermusikalische als sinfonische Faktur. Gleichwohl kommt es zu lebhaftem, pointenreichem Konzertieren. Der erste Satz erhält durch seine Thematik den Charakter eines „singenden" Allegros. Die orchestrale und die solistische Themenexposition bringen zwei verschiedene