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Sonnabend. Die Zeitung erscheint mit Ausnahme de« Montags täglich und wird Nachmittag- 4 Uhr aus- gtgeben. Press für da- Vierteljahr IThlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. Rr. 286. « December I8S«. DtllW Mgmtim Ztiwg. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch all« Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Erpedition in Leipzig (Querstraße Rr. 8). ZusertionSgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Die Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. V Berli«, 3. Dee. Die englischen Blätter, welche seit einigen Tagen saft täglich Leitartikel über die Wahl Buchanan's und über die daraus hervorgrhenden Auspicien gebracht Haden, stimmen fast sämmtlich in der An» schäuung überein, daß die Krisis der amerikanischen Verhältnisse einen gün stigen Verlauf nehme, und geben sich der Hoffnung hin, daß alle Parteien nun wieder auf demselben Gleis sich vereint finden werden; im Uebrigen, setzt die Morning Post hinzu, könne England der aggressiven Politik der Union nicht eher hindernd entgegentreten, solange nicht englische Besitzun gen durch dieselbe in Gefahr gericlhen. Abgesehen von der Unbestimmtheit dieser Ansicht, wäre es besonders in Betreff des lehtern Zusatzes weit klü ger, wenn sich die englischen Blätter solange vollständig der Beleuchtung der amerikanischen Angelegenheiten enthielten, bis in denselben eine beson- dcre Richtung ersichtlich Wirts, oder bis die englische Regierung sich zu be stimmten Maßregeln entschlossen hat. Die in der amerikanischen Politik hervortretendsn Punkte sind die Sklavenfrage und die Lcrritorialvergrößc- rung. Dies« beiden Richtungen sind zwar vollständig ersichtlich; aber die englische« Blätter besprechen sie jetzt nicht in eindringlicher Weise, weil sie entweder glaubt«) diplomatisch mit dem strengen und richtigen Urthcit zu- rückhalten zu müssen, oder weil sie überhaupt Nicht den Kern beider erken nen. Die Wahlagitation für Buchanan hat Europa eine tiefe Einsicht in die Gesinnungen der transatlantischen Parteien gewährt. Die Ultrasklaven- partci hat selbst all« Anstrengungen gemacht, uns über ihren Zweck, keinen freien Arbeiter im Gebiet der ganzen Union zu dulden, die verschiedensten Variationen im Munde ihrer Redner Horen zu lassen. So feindlich ernst u»s ei« solches Spiel dieser Leute stimmen muß, so komisch klingt unS das für dir Nothwendigkeit eines solchen angebrachte Argument: Griechenland und Rom, die beiden mächtigsten Republiken deS Alterthums, hatten beide diese oft verdammte Institution der Sklaverei; dort gab eS nicht freie Ar beiter. So soll es auch in Amerika sein; die Union ist der legitime Nach- folger RomS. Wie phantastisch und wie blödsinnig zugleich, wird jeder deutsche Secundaner rufen und sich freuen, daß er ein gutes Theil vor den südlichen Staatsmännern voraus hat. Diese Phantasterei ist die Folge jener jetzt leider auch in Deutschland platzgrcifenden Ansicht: Man müsse nur so viel, ql< absolut nothwendig erscheine, lernen und dann seinem Erwerb an der Börse nachgehcn. Für die Kenntniß der Geschichte muß dann ein klei nes Compendium ausreichen — was kann dann aber der gereifte Mann leisten, wenn «S von ihm heißt: „stouXacSepräocav", und er über Wohl und Wehe von Millionen zu entscheiden hat? Lverse ein jeder wahre und ein sichtsvolle Mann dieselbe Frage sich auf: Darf eS irgendwo Sklaven und Sklavenhalter geben? und wir sind überzeugt, daß er dann mit uns zu der Einsicht gelangen wird, die Stlavenfrage sei so zu formuliren: Soll die ganze Frucht des Christenthums, die Frucht aller unserer Kämpfe für die Verbreitung der Wissenschaft, die seit einem Jahrhunbert gemachte An- flrengung aller Menschen, ein möglichst gleichartiges Wohlsein zu schaffen, zerbrochen werden? Dir Kampf in diesem Jahrhundert ist ein anderer und bei weitem gewgltiaeret, als er jemals gewesen. Die Anhänger brr wahren Lehre versaMineln sich jetzt nicht in Höhlen und sind nicht eine unter- drückte Partei; sie haben vielmehr ebenso viel Orte der Versammlung als cs Hochschulen, Gymnasien und Akademien gibt, und ihre Bundestage be gehen sie in Deutschland mit der Leopoldina, in England mit der vritisk Association kor tkv Nävancemeut ol Science. Die Anhänger der wahren Lehr« brauchen fecn«r sich nicht aus sentimentaler Neigung für die Mikio- nen in den Nordstaattn der Union zu btgeistern, sondern in fester Ueb«- zcuaung von der Rothwendigkeit, ihr eigenes Interesse dort zu wahrt«, müssen sie sich gegen den Blödsinn erbärmlicher Phantasten erheben. Un- licgt über bitse Flage eine Rede vor, welche Rusu- Choate in Maffachu- seit- am 28. Ott. hielt, der in aller Breite den Beweis liefert, daß auch dort bereits unter den Demokraten sich Stimmen gegen die Ultrapartei de- SüdtnS erheben. Dem Redner st«ht nicht der Fond- dtutscher Bildung zur Seite, Eindringlichkeit ist daher nicht von ihm zu erwarten, und er Hilst sich damit, seinen Zuhörern die Frage vorzulegen, ob die AuSdthnung der Sklaverei nvthwendig sei? Damit ist viel gewonnen. Sr erklärt sich fern«r für die Richtlntervrntion in Kansa- und spricht die Hoffnung aus,? daß drr freien Arbeit dann da- Territorium gerettet werde. Eine andere bedeutungsvoll««!« Stütze biet«t uns «ine der letzten Nummern dir United State« Gazette in Washington, indem sie darauf hinwie«, daß Buchan-«, wenn er nicht den von der Majorität der Bürger aufrtchterhaitenen hu manen Prineipien huldige, von einer unwiderstehlichen Gewalt weggeftgt. werde. Ein u«ß zugegangener Brief auS Neuyork theilt eine Antwort Fre- mont'S an «inen Bekannten, d«r ihn in Wallstreet traf, mit. Fremont sagte: „Dier Jahre sind für di« Freiheit gewonnen. Mag Gott geben, baß" Buchanan ein besserer Präsident sei, als ich hätte sein können." Dann schließt der Verfasser: „Das sind eines Washington würdig« Wort«; da- Reich der Menschen, ist zu Ende, das Reich der Prineipien hat begonnen." Die Territorialvergrößrrung ist recht eigentlich eine Fragt für den Staatsmann. Nicht nur muß bei ihrer Betrachtung die Natur der von der Anncxation zunächst bedrohten Territorien, sondern die in kaum sichtbar«« Ferne nach ihrer Anncxation in weitern Kreisen fühlbaren Folgen berück» sichtigt werden. Die Namen Jefferson und John Quincy AdamS, welche mit den ersten Annexationen der Union in Verbindung stehen, gehören nicht allein der Union, sondern der Welt umsomehr an, als sie der Politik der Union seit 1803 eine cigenthümliche Neigung und den politischen Tenden zen im Allgemeinen, sobald die Frage der Vergrößerung in den Vorder» grund tritt, eine nicht abzuweisende Basis gegeben haben. Diese Neigung und Basis zugleich möchten wir die geographische Doctrin nennen. So pa radox manchem Politiker diese Einführung einer neuen Figur auf dem po litischen Schachbrett erscheinen mag, so sicher wird er sich doch von der Nolhwendigkcit ihrer Aufnahme überzeugen- wenn er bedenkt, daß «- sich hier nur um die Anerkennung des bisher fast nur als Ahnung ausgespro chenen Zusammenhanges der politischen Verhältnisse und der geographischen Lage eines Landes handelt. Wer möchte nun kühn genug sein abzuleugnen, daß ein Staat, dessen Territorium unter einem von allen Klimaten gewo benen Himmel liegt und das eine ausgedehnte Küste mit unzähligen Häfen umsäumt, eine größere Mannichfaltigke.it von Interessen und damit eine glänzendere Entwickelung der verschiedenen menschlichen Fähigkeiten darbie ten kann als der auf eine Fläche im Binnenlande ohne Häfen und unter Einer Zone beschränkte Körper. Lon dieser Ansicht ist die ganze Union durchdrungen, und man muß e« daher als eine trügerische Darstellung au» sehen, wenn einzelne Redner des Nordens sich darin gefallen, ihre Staaten al« unschuldig an diesem Drange nach Erwerbungen in der tropischen Zone darzustcllen. Drr Süden spricht diesen Hang klarer und rücksichtloser quS; aber der Norden hegt ihn ebenso wol, wie die Geschichte de- Ankauf- von Louisiana unter Jefferson und der Anncxation von Texas zeigt. Der Nor den jubelte darüber, und der in Europa nje gehörte Ruf. Ganz« Region«« < des Pflanzenreichs und köstliche Klimate haben wir gewonnen! durcheilt« die Union von den Fichten bis zu den Palmen. Es fragt sich nun, yb die Län-i der Centralamerikas, über dercn Haupt das Schwert der Union hängt, nicht auf andere Weise ihrem z«rrütt«tcn Zustande entriss«« und für den Welt-, handel nutzbar gemacht werden können. Die Anncxation derselben an die > Union brächte ohne Zweifel die Sklaverei und den Abschluß dieser Territo rien gegen den Transit nach Asien mit sich. Hicr liegt der Punkt, wo die Sklavcnfrage und dic Territorialvergrößerung zusammcnlaufen. Ihr« Be», rührung zwingt uns nun, an dic oben erwähnten Worte der Morning Post zu erinnern, deren Unzeitigkeit gewiß Jedem einleuchlet. Alst Interessen i scheinen sich zu vereinigen, um «in die Ausbreitung der Union nach dieser j Seite hinderndes Verhalten zu verlangen. Selbst wenn es den Staaten, frcigestellt würde, sich über die Sklaverei selbst zu entscheiden,^ würde deren Einführung nach dem bisherigen Benehmen Walker'S gewiß sei«. Läßt man : der amtkikanischen Politik Raum, so verliert Europa Centralamerika, und. die- darf es nicht verlieren, wenn die Staaten Europas nicht in «in« brückende -- " Abhängigkeit von der Union gerathen sollen. Ebenso müßten aber auch All« dahin arbeiten, daß der Transit über jenen schmalen Continent so schnell al- möglich hcrgestellt werde, bevor noch an die fcrnerliegende Krag« der politi- chen Neugestaltung der Verhältnisse Centralamerika« gedacht wird. — AuS Süddeutschland, 4-D«- Hie englisch-französische Al» l i an z, besteht jwae noch, allein Ungleich mehr aus vorerst noch zwingenden Gründen, al- au« der Freiwilligkeit einer eulsntc eorciisle. Die Pole mik zwischen der englischen und ftanzösischen Presse bewegte sich keineswegs nur auf der Oberfläche. Vor der Hitze dieses Zankes schmolz bloS die Kruste, welche, unter einem höher» Machtgebot, unter dem Druck einer eifer- . Ntfl Rothwendigkeit, di« Russland -eaevübtr auf beiden Staaten gleichmäßig lqst«t«, bst alten Rivalitäten zeitweilig verdeckt hatte. In Frankreich wurde SNgstwh^sonderSperüM daß: desscn Presse dem Kaiserreich zumuthete, Wand für dst Fppchauzr d«x englisch-französischcn Allianz den Grafen Walpysti zix opfern und damit Lord Palmerston vor dem nächsten Parla» msyt, pcherzustellen, Ezn Artikel auS Paris in der Allgemeinen Zeitung vom HS, Ryy., der einer »fficiösen Kundgebung völlig gleichsieht, weist diese ZumMnng nachdrücklich zurück und zeichnet dic gegenwärtige Situa tion überhaupt in einer Weise, die alle Beachtung verdient. Er wälzt ins besondere dst Verantwortlichkeit auf England, falls „eine Erkaltung, die der Himmel verhüten möge, in den Beziehungen der beiden Mächte ein- treten sollte, die vor kurzem noch so eng in einem denkwürdigen Kriege wie