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Gomtag. ——- Rr. 281. —7 s« November 18S«^ Zu beziehen durch all« Postämter des In- »vd Anslandes, sowie durch die Erpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). ^^ÄlAEahm^d's M- --M" DtilW AgtMM Zeitmg PrrtS für das Vierteljahr I'/, Th(r.» jede einzelne Nummer 3 Ngr. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Tesch!» JnsertionSgebühr für den Raum einer Zeise 2 Ngr. Französische Zustande. X Southampton, 24. Nov. Die pariser Presse thut seit einiger Zeit gegen einen Theil der deutschen Journale sehr ungehalten, weil diese mit der weitaus überwiegenden Zahl der englischen Blätter die Dinge in Frank reich mit ernster Aufmerksamkeit betrachten und nicht Alles so sehen wollen, wie man eS in den officiellen Journaltstenkreisen der französischen Haupt stadt wünscht. Unter den inspirirten pariser Journalen <und welches pa riser Blatt gehörte nicht heute zu diesen?) hat es besonders der Constitu- tionnel wiederholt versucht, gegen die angeblichen „Verleumdungen" der englischen und deutschen Blatter Fronte zu machen; aber er hat im Grunde mit stinctt allgemeinen Zornesphrasen wenig oder nichts widerlegt. Der ConMütionnek-liebt eS nicht, auf eine de'taillirle Erörterung der gemachten Vorwürfe «inzugehen, historische Thatsachen und Zahlen sind ihm ein wah rer Gräuel und er pflegt diese gewöhnlich mit dem Ausruf Lüge! Ver leumdung und Bavaümge! abzuferligen. Erst vor einigen Tagen versuchte er wieder gegen die Verbreiter von „falschen Neuigkeiten" und „alarniiren- den Gerüchten" zu Felde zu ziehen, ohne aber etwas zur thatsächlichcn Wi- Verlegung dieser Gerüchte vorzubringen. Er grollt den pariser Epiciers, daß sie überhaupt in ihren Mußestunden noch von Politik sprechen, und gibt zu verstehen, daß aus dieser abscheulichen Gewohnheit alle „lsux bruit8" und „vouvslios ulsrmsvtsts" entstehen! Nach der Ansicht des Constitu- tionnel lebt man jetzt in Paris und Frankreich billiger als je und die Fi- nanzlage deS StaalS ist eine höchst befriedigende. Das Journal vergißt aber, daß man sich in Betreff der Lebensmittelpreise in der nächstbesten Boutique eine weit bessere und praktischere Auskunft holen kann als in seinem RedactionSbureau, und hinsichtlich der Finanzlage Frankreichs sprechen Zahlen auch deutlicher als die rosenfarbenen Phantasien des Constitulionncl. Wir wollen nur mit einigen Zügen das finanzielle Gebühren dec französi schen Regierung, da wir demselben, wenn wir vollständig sein wollten, einen eigenen Artikel widmen müßten. Kurz nach dem unvcrgeßbaren Staatsstreich vom 2. Dec. hat man eine wahre Manie für öffentliche Bau ten und Arbeiten aller Art gezeigt. Die Herstellung des Louvre, die Er richtung ganzer Reihen neuer Straßen und Plätze kostete eine ungeheure Zahl von Millionen. Man nannte dies eine zeitlang die „brotlosen Arbei- ter beschäftigen", für welche die Negierung ein besonderes Interesse habe. Diese sonderbaren Staatsökonomen sahen aber bald ein, daß dieses Mittel hinsichtlich der Armuth der Arbeiterklasse nicht zum Ziele führe, und die Staatskasse wurde für diese temporäre Unterstützung mit einem ungeheuer« Deficit belastet. Man hat sich unbcgrciflichcrweise darauf beschränkt, Pa läste und kostbare Monumente bauen zu lassen, aber Niemand kümmerte sich darum, ob die Erbauer derselben für die nächste Zeit ein bescheidenes Obdach haben. Daher der schreiende Widerspruch, daß bei der jetzigen enormen Höhe der Wohnungsmiethen ganze Scharen von Arbeitern obdach los umherirren oder in ihren elenden provisorischen Holzhütten nicht besser daran sind als russische Leibeigene. Die Kronschuld beläuft sich während der letzten drei Jahre auf die Summe von 50 Mill. Fr., und rechnet man noch hinzu die Civilliste des Staatsoberhaupts von 40 Mill. Fr. per Jahr, so erhält man als Gesammtzahl der dreijährigen Kronausgaben die fabel hafte Summe von 170 Millionen! Der Krieg in der Krim, der mit einem Tractat endete, welcher bis heute noch nicht ausgeführt ist, kostete Frank- reich 2 Milliarden Fr., und die grauenhaften Verwüstungen, welche wäh- rend des letzten Sommers die Rhone, Saöne und Loire anrichteten, erfo- derten, ungeachtet der freiwilligen Sammlungen, ebenfalls eine enorme Hcr- stellungs'summe. Wir könnten noch mehr Einzelheiten in Beziehung von Zahlen geben und besonders das wenig ökonomische Gebühren der Krone nachweiszn, welches mit dem Haushalt der Juliregierung und selbst der Restauration in keinem günstigen Vergleiche steht, aber wir glauben, daß schon dst obigen Ziffern hinreichen werden, um jedem Unbefangenen die Fi nanzverhältnisse Frankreichs und die jetzt herrschende abnorme Theucrung zu erklären. Daß unter solchen Umständen so manche Illusionen verschwinden, kann daher Niemandem Wunder nehmen. Man kann sagen, daß noch unter keiner Regierung Frankreichs die politischen Parteien und Geheim bünde eine größere Thätigkeit entfalteten als unter der jetzigen, und eS ist leicht begriflich, daß diesen jede Blöße der Regierung als willkommenes Agitationsmitlel dient. Erst jüngst hat es das londoner Central der berüchtigten Marianne mit vieler Ostentativ» erklärt, daß «S in Frankreich 382 Zweigvereine. besitze, die durch ihre „eigenthümliche Okgäfnsation" al- len Nachforschungen der Polizei spotteten! Und es scheint wirklich, daß die Regierung trotz aller Wachsamkeit nicht im Stande ist, das Treiben der geheimes Gesellschaften zu unterdrücken. Die Zahl der politischen Verur- theilten ist eine sehr bedeutende, und wir haben eine Nominalliste vor uns ljegen, welche in Cayenne allein 277 politische Gefangene auSweist. In dessen bauern die Verhaftungen und Verurtheilungen sozusagen wöchentlich fort, und eben diese Dauer und das zweideutige Schweigen der französi schen Presse darüber macht zuletzt auch Leute stutzig, die mit den wilden Revolutionärs und Republikanern durchaus nichts gemein haben. „Wie wird da«, enden?" Diese Frage wird heute immer allgemeiner in Frank- reich, und Niemand wagt sich an die Beantwortung derselben, am allerwe nigsten die Presse. Eine Discussion der inner« Angelegenheiten ist zur Un möglichkeit geworden, und wenn man über diese einen unabhängigen Artikel lesen will, so nimmt man seine Zuflucht zu englischen oder deutschen Jour nalen. Darüber ärgert sich nun die pariser Presse mit der nervösen Reiz barkeit eines Kranken, macht aber hierdurch ihr Uebel nur noch augensälli- ger. Indessen liegt in diesem Aerger über die eigene Krankheit noch nichts Verwerfliches oder Unmoralisches, und jenes Symptom ist in gewisser Hin- sicht sogar erklärbar. Wenn aber ein Kranker in gallsüchtigcr Bitterkeit dir ganze Welt siech sehen möchte, so zeugt ein solches Verlangen schon von einem verdorbenen Gemüth und einem unmoralischen Haß. Und dies ist der „fromme Wunsch" des Constikutionnel und eines großen Theils der ge genwärtigen pariser Presse. Deutschland. Preußen. -^-Berlin, 28. Nov. Die ministerielle «Zeit» bespricht heute die gegenwärtige Lage der neuenburger Frage. Sie gibt bei die ser Gelegenheit wiederholt deutlich zu verstehen, daß Preußen auf das kleine Gebiet am Neuenburgers« verzichten wolle. Aber, meint das ministerielle Blatt, nur mit Ehren könne Preußen verzichten, und dazu sei es nothwen dig, daß sein Recht zuvor durch eine bestimmte Handlung der schweizeri schen Negierung ausdrücklich anerkannt werde. Es handelt sich also eigent- lich nur um eine „Form"; diese Form sei aber für Preußen so wichtig, daß es davon nicht ablässen könne, ohne sich an seiner politischen Stellung oder an seiner Ehre zu schädigen. „Möge man die Neuenburger verurthei- lcn", schließt das Blatt, „Preußen wird handeln." Es fragt sich nun, worin das „Handeln", von welchem die «Zeit» redet, bestehen wird. Preu- ßen hat sich durch das Londoner Protokoll insofern gebunden, als es, wenn cs jetzt weitergehen will, sich zunächst an die Großmächte mit dem Ersuchen zu wenden hat, in die im Londoner Protokoll vorgesehene Berathung dar über zu treten, wie die Rechte Preußens auf Neuenburg zur faktischen Anerkennung zu bringen seien. Diesen Schritt dürfte man denn auch, wie wir vernehmen, diesseits einschlagen, Die Sache wird also zunächst in die Hände der Großmächte gelegt, und solange diese letzter« nicht gesprochen haben, wird von Seiten Preußens gegen die Schweiz ein Weitere- wol nicht veranlaßt werden können. Anzunchmen dürfte aber sein, daß die Großmächte einer kriegerischen Entscheidung soviel als nur immer möglich vorzubcugen suchen werden. Ob die Großmächte, und insbesondere- Oester reich und Frankreich, beschließen werden, im Verein mit Preuß?« und an dern Staaten die Schweiz bis nach erfolgter Rcgulirung der Sache zu be- setzen, da« bleibt abzuwartc«; unwahrscheinlich dürfte es indessen sein, daß man zu irgendeiner äußersten Maßregel sich überhaupt entschließen werde, schon darum nicht, weil cs Preußen ja, wie die «Zeit» wiederholt-versichert, nicht sowol um den kaum crwähnenswerthen Besitz des Fürstenthüms, als vielmehr nur um eine geeignete Form zu einer ehrenvollen Verzichkleistung zu thun ist. Die Schwierigkeit aber, welche die Auffindung dieser geeigne ten Form bisjeht noch darbietet, dürfte sich durch die in bestimmter Aussicht stehende Amnestirung der Gefangenen nach beendigtem Prottß wol einiger maßen glätten, besonders wenn der Bundcsrath sich bei - dem betreffenden Act einer für Preußen verbindlichen Form bedient. Ist die «Zeit» in ein- zelnen Punkten nun auch anderer Ansicht al« wir^ st stimmt die Quint essenz ihres Raisonnements doch darin mit uns ganz überein, daß wir einen Krieg mit der Schweiz wol. schwerlich zu besorgen haben dürftet« Wir glauben aber ganz besonders auch noch desbalb an eine friedliche Verständigung zwischen Preußen und der Schweiz, weil es in politischen Kreisen gar kein Gehcimniß ist, daß Oesterreich die gegenwärtige Gelegenheit benutzen will, um die alte schweizerische Verfassung durch ein Verbiet der Großmächte wiederherzustellen und ebenso auch wieder den ultramontanen Sonderbundsintercssen auf die Beine zu helfen. Mit diesen Bestrebungen Oesterreichs fallen aber die hö her» Interessen, welche Preußen zu verfolgen hat, in keiner Weise zusam- men, und darum glaub?«'wir, wie gesagt, daß auch dieser Umstand zu einer baldigen Verständigung über die an und für sich doch so untergeord nete neuenburger Frage mit beitragen werde. — Die dänische Antwort äüf die jüngste diesseitige Note, ist, wie wir bereits im Allgemeinen anzu- deuten Gelegenheit genommen haben, hier «ingettoffcn. In den Händen des Grafen Buol dürste sich dieselbe in diesem Augenblick wol ebenfalls be- Veits befinden. Wie die früher« dänischen Rückäußcrungen, so versucht es, wie wir vernehmen, auch die gegenwärtige, die deutschen Großmächte mit Ausflüchten hinzuhalten. Die diesseitige Note vom 25. Oct. und die wie-