Volltext Seite (XML)
Rr. 284 DonnerkaK. 4. Deeembep L85V gegeben «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetzl» ist der Conflict Deutschlands mit Dänemark wegen der Herzogthümer. Ist eS auch noch ungewiß, ob und inwieweit wirklich die russische und die fran zösische Diplomatie sich deS dänischen Unrechts gegen daS gute deutsche Recht in Wien und Berlin angenommen habe, so ist es doch wol nur zu gewiß, daß es an Auffodrrungen dazu seitens Dänemarks nicht fehlen möge, und mindestens sehr wahrscheinlich, baß jene beiden Großmächte, die jetzt überall, am Belt wie am Bosporus, getreulich Hand in Hand zu geben scheinen, gern die Gelegenheit benutzen werden, wenn nicht, um Dänemark einen Ge fallen zu thun, so doch, um den beiden deutschen Großmächten «ine Verle genheit zu bereiten, an Oesterreich für die Entschiedenheit, womit es ihren vereinten, wie vorher Rußlands vereinzelten Prätensionen entgegentritt, sich zu rächen, Preußen bei der unnatürlichen Allianz, in welche sie es bereits hineingezogen haben, festzuhalten. Und leider steht zu fürchten, daß England, welches schon ans diesem Grunde sich der angemaßten Schutz- Herrlichkeit deS franco-russischen Bündnisses über Dänemark widersetzen und Deutschlands Recht, welche» in dieser Sache formell wie materiell so son nenklar ist wie nur ein», vertreten sollte, abermals die Sache durch die selbe trübgefärbte Brille ansehen wird, welche 1848—52 seine Staatsman. ner in der dänisch-deutschen Frage so grobe Schnitzer begehen machte. Soviel über daS Thatsächliche der augenblicklichen politischen Combi- Nationen. Gin andermal sprechen wir vielleicht darüber, welche Allianzen eigentlich die natürlichsten sein würden, und zwar in namentlicher Bezie hung auf Deutschland. P»iS für da« Vierteljahr 1'/, Thlr.; jede einzelne Rümmer S Rgr. D-«tschtanV. Preußen. .'. Berlin, 2. Dec. Wir haben gestern eines Vermit- telungsvorschlagS Frankreichs zur Verständigung über die Bolgradfrage Erwähnung gethan. Inzwischen bringen mehre, insbesondere englische Blät ter Miltheilungen, nach welchen das Zustandekommen der zweiten Cvnferenz als gesichert zu betrachten wäre. Die betreffenden Mittheilungen sind in dessen mit einiger Vorsicht aufzunehmen. Es mag sein, daß man sich, gleich- viel ob infolge des französischen Vermittelungsvorschlags oder einer förm lichen Verzichtlcistung Rußlands auf Bolgrad, zur Beschickung der zweiten Cvnferenz von englischer Seite jetzt bereiterklärt hat; nicht» wäre indessen ungeeigneter, als wenn man aus dieser wirklichen oder angeblichen Bereit- Willigkeit auf ein nunmehr vorhandenes Einverständniß zwischen den früher» Alliirtcn zurückschlicßen wollte. Leicht kann die fragliche Bereitwilligkeit erst nur noch einen einseitigen und überhaupt nur relativen Charakter haben; aber selbst auch Im besten Fall würde sie nur bedeuten, daß man an der Hauptschwierigkeit jetzt erst angelangt sein dürfte. Diese Hauptschwicrigkeit liegt in der Frage wegen d«r zukünftigen Organisation der Donaufürsten thümer. Solange die Bolgradfrage noch nicht geordnet war, konnte die Er ledigung der Donaufürstenthümerfrage noch nicht mit unmittelbarer Noth wendigkeit herantreten. Die Bevölkerung der Fürstenthümer soll, in ent sprechender Repräsentation, ihren Wünschen über die künftige Organisation des Landes freien Ausdruck geben. Zur Bevölkerung der Donaufürstenthü mer gehört nun aber, infolge deS Pariser Friedensschlusses, jetzt auch die Bevölkerung des von Rußland an die Donaufürstenthümer abgetretenen Theils von Bessarabien, und es versteht sich darum von selbst, daß die Wünsche dieser Bevölkerung ebenso gut gehört werden müssen als die Wim- sehe der alten Bevölkerung de» Landes. Solange also die Bolgradfrage noch nicht geordnet war, konnte natürlich auch mit der Einberufung der beiden DivanS sä Koo nicht vorgegangen werden. E» war dies auch die ewige Ausrede der türkischen Regierung, wenn man französischer- und russischer- seits auf die Einberufung der Divans drang; man verwies imitier auf die unerledigte Bolgradfrage, durch welch« eine Einberufung der DivanS zur Zeit noch unmöglich gemacht würde. Sobald nun aber die Bolgradfrage erledigt ist, kann der Einberufung der beiden DivanS sä twe an und für sich natürlich nichts mehr entgegenstchen. Gerade darum aber wird man dann an den eigentlichen und größern Schwierigkeiten erst recht angekom- men sein. Oesterreich hat früher gesagt, daß e», weil die neue Grenze in Bessarabien noch nicht regulirt sei, seine Truppen noch nicht aus den Donaufürstenthümcrn zvrückziehen könne. WaS wird es nun jetzt thun? Wird cS seine Truppen jetzt zurückziehen, oder wird eS nich' vielmehr sagen, daß es dieselben bis zur Erledigung der Organisation»- frage in den Fürstenthümern noch zurücklassen müsse? Wird eS sich der Vereinigung der Fürstenthümer nicht mit allen Kräften widersetzen und wird eS insbesondere den ihm durch eine fortdauernde Occupation gebotenen Ein fluß nicht benutzen wollen, um die lractatSmäßig garantirte freie MeinungS- äußerung der dortigen Bevölkerungen über die zukünftige Organisation des Landes nach Möglichkeit zu unterdrücken? Frankreich aber hat seine Ansicht über die Organisationsfrage nicht im geringsten geändert, und darum ist, mag sich die» nun in einem fortdauernden Dissens Oesterreich» in Betreff Zu beziehen durch «llc Postämter de« In- und Äu-landc«, sowie durch die Erpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Dtiltschc MgtMllt Zeitung Jnsertion-aebühr für dcn Raum einer Zeile 2 Ngr. Die politischen Allianzen des Augenblicks. ---e Leipzig, 3. Dec, Die Bildung und Auflösung, bi« Verschiebung und Kreuzung politischer Allianzen, wie sie seit dem Pariser Frieden statt- gefunden, hat' rin wahrhaft kaleidoskopische» Durcheinander von Figuren und Farbenmischungen hervorgcbracht. Nicht genug, daß frühere Allianzen sich gelöst uttb neue sich gebildet haben, so haben auch noch die mancherlei absorbirenden TageSfragen der europäischen Politik ein so vielfach verschlun- gentS und sich kreuzende» Netz von Verbindungen und von Gegnerschaften sä Koo zuwege gebracht, daß eS ein förmliche» Studium erfodert, um die Stellung jeder einzelnen Macht in diesem Gewirre von Combinationen und andererseits die au» den mehrseitigen und oft sehr abweichenden Beziehungen der einzelnen Mächte zueinander für die allgemeine europäische Lage rcsul- tirenden Folgen zu übersehen. Wir glauben daher etwas nicht ganz Un- verdirnstlicheS zu thun, wenn wir, auch ohne uns auf weitere Betracht»»- gen einzulassen, lediglich eine Art diplomatischer Statistik von den äugen- blicklich zusammen- oder gegeneinanderwirkenden Kräften auf dem Gebiete der europäischen Politik ent>v«rftn. Beginnen wir unsere Rundschau dort, wo die längste Zeit der eigent- licht Knotenpunkt der ganzen europäischen Situation lag, in Konstantinopel, so finden wir im Augenblick — seitdem Reschid-Pascha an die Spitze der Geschäfte getreten ist — die Pforte im Einvernehmen mit England und Oesterreich, dagegen gegen Rußland entschieden, gegen Frankreich nicht viel weniger mistrauisch. Die Streitpunkte, um die es dort sich handelt, sind bekannt. Rußland deutet die Bolgrad- und Schlangcninselfrage im Pa riser Vertrage zu seinen Gunsten, und Frankreich tritt ihm darin bei oder wenigstens nicht entgegrn, während England und Oesterreich, letztere» eben falls mit fast überraschender Energie, von Rußland die einfache und völ lige Verzichtleistung auf jenen doppelten Anspruch fodcrn. Um diesen Preis willigt die Pforte — wenn auch übrigens vielleicht nicht gerade gern — in die fortdauernde Besetzung der Donaufürstcnthümer durch Oesterreich und di« fortgesetzte Anwesenheit einer englischen Flotte im Schwarzen Meere. In der Frage der Reorganisation der Fürstenlhümer findet die gleiche Partei- stellung statt: England (das früher anderer Meinung schien) und Oester reich (das sich hierin vom Anfang an consequent geblieben), sind, mit der Pforte, gegen ein« Union beider Länder, weil sie darin eine Gefährdung der faktischen Obermacht der Pforte über sie und eine bedenkliche Handhabe der Agitation für Rußland erblicken; Rußland ist aus eben diesen Gründen dafür, und Frankreich secundirt ihm auch dabei. Die Pariser Konferenzen, welche unmittelbar mit jenen Fragen im Zusammenhänge stehen, dürften, wenn sie wirklich noch wieder zusammcn- treten sollten, ebenfalls eine ganz neue Partcistcllung statt der früher« sehen. Mit Rußland und Frankreich möchten da noch Preußen (in angewohnter Hinneigung zu dem erster«) und Sardinien (leider, wie es scheint, von der russischen Diplomatie berückt) Hand in Hand gehen und eine Majorität bilden, gegen welche die englisch-österreichisch türkische Dreiheit nicht aufkom- men könnte, weshalb mit gutem Fug die «nglischen Oppositionsblätter ihre Regierung beschwören, ihre Zustimmung zu neuen Conferenzen nicht zu geben. Eine ganz andere Combination finden wir wieder in Italien. Hier besteht die englisch-französisch« Allianz ihre letzte Probe al» „Vorkämpferin der westlichen Civilisation"; aber man sieht eS dieser Probe auch an, daß es mit dem Ernst der Sache vorbei ist und nur der Schein noch gerettet werden soll. England nimmt dort im Augenblick vielleicht mehr Rücksichten auf Orsterreich als auf Frankreich, welches erstere natürlich jeder Eruption in Jtali«» mit Angst entgegensieht. Rußland ist, gleichwie Preußen, grund sätzlich gegen die Intervention in Neapel, wiewol cs andererseits gewiß seine herzliche Freude an den österreichischen Verlegenheiten in Italien hat und zugleich sich in der Rolle eines Protektors des constitutioncllen Sardinien gefällt. Noch ein Stück weiter nordwestlich — und wir sehen abermals die Si tuation verändert. Der Schweiz gegenüber spielt Preußen die Hauptrolle und erfreut sich hier — fast zu seiner eigenen Verwunderung, darf man glauben — der vorderhand freilich nur „moralischen" und einigermaßen ver- elausulirten Unterstützung Oesterreichs, ebenso, wie cs scheint, deS „morali schen" Beistandes Frankreichs, bci welchem aber wol noch gewisser an ir gendwelche Hintergedanken und noch weniger gewiß an ein thatkräftigcs Miteinstchen für die preußischen Plane zu denken sein möchte. England steht schweigend und mehr Einspruch drohend als Zustimmung winkend von fern; Rußland dürfte wol den preußischen Ansprüchen sich günstig erweisen, freilich hier, nach der Sachlage, ohne viel Nachdruck und schwerlich ohne den Vorbehalt anderweitiger Vergeltung seiner guten Dienste. Endlich ist noch eine Streitfrage auf dem Tapet, für uns die wich tigste von allen, bei welcher sich jene allgemeinen europäischen Combinalio- mn, freilich sehr unberechtigterweise, geltend machen zu wollen scheine»! da»