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Mittwoch. Eeßtz-tls Die Zeitung erscheint mit Ausnahme des Montag« täglich und wird Nachmittag« 4 Nhr au«« gegeben. Preis für da« Vierteljahr 1'/, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. —- Rr 283. 3 Decemver I8S6 Dklltscht Allgcmtillk Zeitung. «Wahrheit und Recht, Freiheit und GesetzI» Zu beziehen durch alle Postämter de« In- und Auslandes, sowie durch die Erpedltwn in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Jnsertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Schleswig-Holstein. Die Weser-Zeitung enthält unter obiger Ueberschrift folgenden Ar- titel: „Wie ist doch die schleswig-holsteinische Sache so gründlich verfahren, so heillos in Vewirrung! Ein Regiment, unter welchem in Dänemark selbst das äußerste Maß volkSthümlicher Rechte, grundrechtlicher Freiheiten besteht, erkennt in den deutschen Ländern auch nicht den Schatten eines Rechts mehr an, und der gcgcnwirkende Schutz für die ständischen Rechte in Holstein soll nun von Mächten kommen, die sonst für ständische Rechte doch nicht gerade passionirt sind, und die Abhülfe in letzter Instanz steht beim Bun destage, der zu Gunsten ständischer Beschwerden einzuschreiten bisher nicht zu eifrig war. Gewiß eine seltsame Lage. Ein zweiter in gleicher Rich, tung charakteristischer Umstand ist eS, daß von einer schleswig-holsteinischen Sache officiell nicht mehr die Rede ist. Man wende nicht ein, officiell habe davon auch in den Jahren 1815 — 48 nicht die Rede sein können, da im- mcr nur Holstein deutsches Bundesland gewesen, Schleswig aber nicht. Die Untrennbarkeit der Herzogthümer, das Recht Holsteins auf Schleswig war die Brücke, die damals noch nach Schleswig hineinführte und das Land von deutscher Seite nicht völlig schutzlos ließ. Niemand wird leugnen, daß der Äundesbeschluß von 1846 gegen den Offenen Brief als beiden Herzog- thümcrn gleichmäßig zugute kommend beabsichtigt und betrachtet wurde. Seit dem Londoner Protokoll steht für Preußen pnd Oesterreich die Sache in Bezug auf Schleswig völlig anders; mit der Anerkennung des Gcsammt» staats haben sie dieses deutsche Land absolut schutzlos gelassen, jedes Recht, für dasselbe einzutreten, aufzugeben. Daß damit das öffentliche Nechtsbe- wußtscin in Deutschland im schroffsten Gegensatz steht, bedarf nur eines Hinweises: daS deutsche Bolt versteht wohl, was das heißt, «die schleswig- holsteinische Sache», aber «die holsteinische Sache» ist ihm ein Neues und, so Gott will, für immer Unbegreifliches. Diese Zusammenfassung ist nicht etwa eine willkürliche, tendenziös gemachte, sondern nur eine Anerkennung eines Jahrhunderte alten objektiven Sachverhalts, wie denn auch gewiß un ter allen Schleswig-Holsteinern nicht Einer sein wird, dem es möglich wäre, in jenen neumodischen diplomatischen Sprachgebrauch sich HIncinzudenken. Die Diplomatie findet sich also in dieser Beziehung mit der natur- und sachgemäßen Auffassung im Widerspruch, mit andern Worten: in einer Schwierigkeit. Endlich: mit dem Deutschen Bunde selbst stehen die deut schen Großmächte im Gegensatz; sie haben das Londoner Protokoll anerkannt, der Bund nicht; der Bund hat demnach bisjetzt unter keinen gesammtstaal- lichen Consequenzen zu leiden; er kann, wenn er will, immer noch auf den Standpunkt deS Bundesbeschlusses von 1846 zurückkehren, die Zusammen gehörigkeit von Schleswig und Holstein festhalten, und demgemäß von letz- i term nach ersterm hinein seine Hand erstrecken. Dies kann er, sagen wir; nur daß, wenn er es thäte, Preußen und Oesterreich in ihrer Eigenschaft als Bundesstaaten anders zu stimmen haben würden, als sie es in ihrer europäischen Eigenschaft thun können. Dieser Gegensatz ist derart, daß er auf die praktische Behandlung der deutsch - dänischen Frage mehr noch als jene beiden ersten inner» Widersprüche hemmend und verwirrend einwirkt. Dev Bewußtsein davon einen Theil der Scheu zuzuschreiben, Pie man in Wien und Berlin vor einer Verhandlung dieser Frage am Bundestage em- pfindet, ist gewiß nicht gewagt, und so ist denn die Hülfe, die der Bundes tag in der seinerseits ganz unzweifelhaft berechtigten Abweisung des (gestern erwähnten) Einspruchs der europäischen Diplomatie den österreichisch-preußi schen Bemühungen leisten könnte, wiederum mit Bedenklichkeiten verknüpft, vor denen man vermuthlich lieber ganz auf den etwaigen frankfurter Bei stand verzichten wird. So steigern sich denn leider die Schwierigkeiten, welche die RechtSfoderungen Deutschlands umgeben, zu greifbarster Stärke. Kenner der schleswig-holsteinischen Frage haben sie längst gesehen. Schon vor Monaten hat es Bcseler in seiner neulich erwähnten Schrift ausgespro chen, wie gering die Aussichten auf einen Erfolg der deutschen Diplomatie in Kopenhagen seien. «Man könnte auf den Gedanken kommen«, schreibt er, «daß es noch Personen gibt, welche von einer Verwendung der preußi schen Regierung eine Milderung des Looses der Herzogthümer erwarten; hat man doch auch von Noten der deutschen Mächte gelesen, welche in Ko- pcnhagen Eindruck gemacht haben sollten, namentlich was die Behandlung der vielbesprochenen Domänenfrage betrifft. Die große finanzielle Wichtig keit dieser Frage zu bestreiten, würde von wenig Kunde der Verhältnisse zeugen; aber selbst angenommen, daß die dänische Regierung bewogen wer den könnte, davon abzustehen, die Substanz der Domänen in den drei Her- zogthümern von dem Gesammtstaal allmälig aufzehren zu lassen, die Do- manialeinkünfte für die gemeinschaftlichen StaatSausgaben zu verwenden, so wäre nur Mer der unzähligen Beschwerden jener Lande abgcholfen, die «ine Consequenz des Gesammtstaal- und der dänischen Herrschaft in dem- selben sind. Zq der That, der Theil der deutschen Presse, der hierin «inen großen Sieg angeblicher Noten deutschcr Mächte sähe, wäre sehr bescheiden; er hätte keine Ahnung davon, wie einem Volk zu Muthe ist, dem das Eisen in die Seele gestoßen worden. Die Existenz solcher Roten können wir we- der behaupten noch bestreiten; man wird uns aber einen ferner» Beweis erlassen, daß die Dänen nicht geneigt sein werden, etwa darin ausgespro chenen Wünschen im Ernste Folge zu geben. Denn die Dankbarkeit ist keine politische Tugend» — am wenigsten eine dänische. Diese verständig resig- nirte Anschauung Bescler's wird man als richtig anerkennen. Go hoch man auch die preußischen Bemühungen — die österreichischen sind nur ihr mattes Echo — anschlagen mag, einen größern Erfolg darf man von ihnen nicht erwarten, als etwa, daß Dänemark in der Domänenfrage eine kleine wirkliche Concession macht. Die dänische Frage muß anders angefaßt wer den, wenn Deutschland zu seinem Recht kommen will." Deutschkanv. — Ans Süddeutschland, 29. Nov. Die Situation ist im Allge meinen noch immer von der Art, .daß der Conjecturalpolitik ein weiter Spielraum bleibt. Ein Blick auf die öffentlichen Blätter zeigt, daß vo» dieser günstigen Gelegenheit, den politischen Scharfsinn zu üben, gleich einet Kassandra weiszusagen oder vom Stuhle der Pythia herab Orakelflprüche zu thun, reichlicher Gebrauch gemacht wird. Da wir nicht zu den Privi- legirten gehören, so beschränken wir uns auf Gruppirung, Andeutung und harmlose Glosse. Ohnehin ist der Publicistik leiser Schritt in Filzschuhen zu empfehlen, seitdem die so unschuldige deutsche Presse Handgriffen aus gesetzt ist, die selbst in den Augen der Frankfurter Postzeitung — und wir freuen uns dieser Humanität — etwas hartherziger Natur sind. Alle Zei tungsnachrichten stimmen darin überein, daß wegen der Donauftage zwi schen den Cabineten unterhandelt wird; dieselben variiren nur bezüglich der Bedingungen und Modalitäten, umer denen eine Verständigung in Aus sicht stehen soll. Bald heißt cs, daß Frankreich die englische Auffassung der Bolgradsrage unterstützen wolle, falls England seine Zustimmung zur Ver- einigung der beiden Fürstenthümcr gebe; bald sollen Bolgrad und die Schlangcninsel gar keine Streitfragen mehr sein, indem Rußland — und das wäre die summarischste Lösung beö Knotens — auf beide Objecte ver zichtet habe. Eine andere Meldung bezieht den Verzicht bloß auf Bolgrad und läßt die Schlangcninsel neutralisiren ober theilt sie der Türkei, als dem frühern Besitzer, wiederum zu. Auch verlautet davon, als wolle Rußland auf die Schlangeninsel Verzicht leisten und sich in Betreff Bolgrads damit begnügen, daß zwischen diesem Ort und dem See Ualpuk die Grenze ge zogen und durch einen Damm markirt werde. Begnügen wir uns vorläufig damit, daß Unterhandlungen im Gange sind und daß wir für unsere zeit weise Ruhe soviel wissen, es fei die Fortdauer der Occupatio» der Donau- fürstenthümcr und des Schwarzen Meeres, auch wenn sie der französischen Presse noch immer ein Dorn im Auge oder ein Pfahl im Fleische ist, doch in der maßgebenden Region bis auf Weiteres nachgeschen. Von der engli schen Flotte im Schwarzen Meere, die unlängst Verstärkung erhielt, er- fährt man unter Anderm, daß sie in Sinope überwintern wolle. Wir sind zwar weit entfernt, dem John Bull, besonders dann, wenn die Times das große Wort für ihn führt, Hintergedanken zuzutraucn, und allenfalls zu meinen, eS könne eine Occupation auch nebenbei zur MaSke für andere Schachzüge dienen; allein dennoch kommen unS unwillkürlich, sobald wir unsere Blicke auf die Karte richten, allerlei Dinge in den Sinn, al« da sind: Kriegszug der Engländer von Ostindien aus gegen Persien; Krieg zwischen Persien und Afghanistan, einschließlich der Belagerung Herats; russische Hetzereien hinter Persien; englische Aufreizungen hinter Afghanistan. Sefer-Pascha setzt den Russen in Tscherkessien zu und England liefert Was- fen dahin. Rußland dagegen vermehrt sein Heer im Kaukasus in auffal lender Weise. England endlich grollt darüber, daß ein französischer Offizier die Geniearbeiten der Perser vor Herat leitet und daß der französische Ge- sandte am persischen Hofe nicht englisch genug ist. Merken wir au- alle dem soviel aufs neue, daß in Asien der untilgbare Stoff zu Hader zwi schen England und Rußland liegt und daß der schwerste Zusammenstoß dort für eine frühere oder spätere Zeit unvermeidlich ist. Mittlerweile fehlte es nicht an officiösen Versicherungen englischer- und französischerseitS, daß die alte Allianz nicht allein ungeschwächt fortbestche, sondern fester sei wie je. Hinter der bezüglichen Erklärung des Moniteur blieb jene der Morning Post nicht zurück, mit dem Beifügen, daß England und Frankreich gemein schaftlich auf Erfüllung deS FriedcnsvertragS bestehen würden. Andere Stimmen, welche da- Bündniß gleichwol für mehr oder weniger innerlich ge lockert halten, treten vor solchen Kundgebungen begreiflich zurück. Zu Manchester und in Guildball sprach sich Lord Palmerston, dort mit einem tüchtigen Sei- tenhicb auf Rußland, entschieden in dem Sinne aus, daß der Friede von Europa erst dann auf sicherer und dauernder Unterlage beruhen werde, wenn die Pariser FriedenSbebingungen getreulich erfüllt und ehrenhaft