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LS. November 18SV ^»nabend. Zu beziehen durch alle Postämter de» Zn- und Auslandes, sowie durch die Erpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). ivriP-tg. Die S-itmig " erscheint mit Ausnahme-es W' FW' G V -M--- Dkiitschc Mgemcult Ztitilvg PketS für das Vierteljahr 1'/, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Insertionsgebühr für den Raum einer Zeil, 2 Ngr. Die Ansprache des bairischen protestantischen Oberes» ststoriums zu München. -s-Aus Franken, 26. N°v. Die Ansprache, welche das königlich bai- rische Oberxonsistorium zu München vom 8. Nov. behufs der Beruh,, gung der Gemüther über die Kirchenjucht- und Beichtordonnanzen erlassen hat (Nr. 276 u, fg), wir^, das ist leicht vorauszusagcn, ihren Zweck ganz- lich verfehlen. Schon jetzt spricht sich die allgemeine Stimme unter den Laien in solchem Sinne aus. Die Fassung ist nicht populär, sie ist unklar, nmnierirt-doktrinär und wenig logisch. Das ist keine Rede, die zu Herzen geht und die Gemüther erhebt; der ganze Ton ist mehr my stisch als protestantisch, weniger christlich als theologisch. Den Ordonnan- zen selbst aber ist keineswegs die Spitze abgebrochen, Dasjenige genommen, wa- da- protestantische Bewußtsein im Innersten verletzt und aufregt. Die Ansprache hat nur das Gute, daß sie allerwärts die Ueberzeugung erweckt, als könne von einem Mittelwege, einer Ausgleichung und Vereinbarung weiter keine Rede sein, sondern es müßten die Ordonnanzen selbst, wie sie nun einmal vorliegen, ihrem ganzen Inhalt nach zurückgenommen werden. Für jeden protestantischen Laien von gesundem Menschenverstände ist cs ci>r Leichtes, mit der Bibel und der Augsburgischen Confession in der Hand den Nachweis zu führen, daß die Ordonnanzen mit dem Geiste des Christen- tbumS und dem Wesen des Protestantismus unverträglich sind. In dieser Wahrheit liegt der schwerste Schlag für da- königlich bairische Obcrconsisto- rium und eine Niederlage, die ihres Gleichen sucht; denn eS wird dadurch unwiderleglich bezeugt, daß die Ordonnanzen mit Verleugnung des prote stantischen Bewußtseins gegen das protestantische Bewußtsein der Gemein den erlassen wurden. Indem wir hiernach nicht nöthig haben, auf die münchener kirchenregimentlichcn Experimente näher einzugehen, überlassen wir vorderhand die Urheber, Gehülfen und Begünstiger dem Nachdenken dar über, daß ihr Werk von den Ultramontanen und Jesuiten freudig begrüßt und als Wegweiser nach Nom bezeichnet ist. Nur einige Worte wollen wir lins über die Ansprache selbst noch insoweit erlauben, als sic, dem er wähnten Ausgange zufolge, die Ordonnanzen in ihren wesentlichen Punkten rechtfertigen oder beschönigen will. Die Ansprache bezieht sich zu Gunsten der Ordonnanzen im Allge meinen darauf, daß „die Kirche das Amt des Arztes, des Dieners, den Beruf dyr Mutter habe". Wir stellen dieser mehr wie sonderbaren Trias ganz einfach gegenüber, daß gemäß dem Art. 7 der „Augsburgischen Con session" die „christliche Kirche die Versammlung aller Gläubigen ist, bei welcher baS Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sacramente laut des Evangelii gereicht werden, und ist es genug zur wahren Einigkeit die ser Kirche, daß da einträchtig nach reinem Verstände das Evangelium ge- predigt und die Sacramente dem göttlichen Wort gemäß geweiht werden, ohne daß dazu noth ist, allenthalben gleichförmige Cercmonien, von Men- schen eingesetzt, zu halten". Die Ansprache redet zur Bemäntelung derKir- chenzuchtordonnanz von „Regiment, Amt und Gemeinde", sowie von den „Mitteln", womit „innerhalb der Kirche durch das Regiment der Besitz der seligmachenden Wahrheit zu sichern, das Leben zu wecken ist". Wir begeg- nen dieser antiprotestantischen Gliederung und Aufstellung wiederum ganz einfach damit, daß nach Art. 3 der Augsburgischen Confession „Gott das Predigtamt eingesetzt und Evangelium und Sacramente als die Mittel gegeben hat, wodurch er den Heiligen Geist gibt, welcher den Glauben, wo und wann er will, in Denen, so das Evangelium hören, wirket, welches da lehret, daß wir durch Christi Verdienst, nicht durch unser Verdienst, einen gnädigen Gott haben, so wir Solches glauben"; daß zufolge des Art. 14 der Augsburgischen Confession „vom Kirchenrcgimcnt gelehrt wird, daß Nie mand in der Kirche öffentlich lehren und predigen, oder Sacramente rei chen soll, ohne ordentlichen Beruf", daß also Regiment und Predigtamt zusammengehörcn; daß eine christliche Gemeinde überall da besteht, wo ein kleinerer oder größerer Kreis gläubiger Menschen zu ihrem Anhalts- und Mittelpunkt die Predigt des göttlichen Worts und die Verwaltung der hei ligen Sacramente hüt und daß der Prediger nicht über und nicht unter, sondern In der Gemeinde steht. Die Ansprache sagt zur Neinwaschung der Beichtordonnanz, daß „die Kirche dafür sorgen müsse, daß man sich der Privatbeichte als einer Wohl- rhat frei bedienen könne". Wir setzen in Erwägung zumal Dessen, daß sich im Sinne der Ordonnanz die Freiheit ebenso wol durch indirccten wie durch dirtctcn Zwang nehmen läßt-, auch wieder einfach entgegen, daß cs 1. Kor. 11, 28 heißt: „Der Mensch prüfe aber sich selbst, und also esse er von diesem Brot und trinke von diesem Wein"; daß nach Art. 11 mit Art. 25 der Augsburgischen Confession „die Beichte nicht durch die Schrift geboten, sondern durch die Kirche eingesetzt ist und aus der «Gewohnheit» erklärt wirb- das Sacrament nicht zu reichen Denen, so nicht zuvor verhört und absolvirt sind", so zwar, daß aber zugleich „von ihr gelehrt wird, daß man Niemandem dringen soll, die Sünde namhaft zu erzählen, wie es auch die Väter gehalten, indem Chrysostomus spricht: «Ich sage nicht, daß du dich sollst öffentlich dargeben, noch bei einem Andern dich selbst verklagen oder schuldig geben, sondern gehorche dem Propheten, welcher spricht: , Of- fenbare dem Herrn deine Wege.' Derhalben beichte Gott dem Herrn, dem wahrhaftigen Richter, in deinem Gebete, nicht sage deine Sünde mit der Zunge, sondern in deinem Gewissen»; daß es nur einen Mittler gibt zwi schen Gott und dem Menschen, nämlich Jesus Christus." Von dem Moment an, wo man in der protestantischen Kirche vergaß, daß das Christenthum sich nur an den inner» Menschen wende und dessen Umwandlung nach dem Vorbilde des Stifters bezwecke, sowie daß die christ liche Religion die Religion der Liebe sei und nur in diesem Geist ihren welthistorischen Beruf besitze; wo man das Regiment von dem Prcdigtamt trennte, um cs als solches über die Gemeinde zu erheben und in eine Staatsbehörde mit allen bezüglichen Prärogativen und allen weltlichen Zier- rathen staatlicher Uniformirung auSlaufen zu lassen, wo man dagegen das Recht der einzelnen Gemeinde sowol als der durch die Synode vertretenen Districts- oder Gesammtgcmcinde im Staat, burcaukratisch schmälerte und in diesem Sinne Wahlordnungen schuf, um der Geistlichkeit überwiegenden Einfluß und die Herrschaft über die Laien zu verschaffen und zu sichern: von da an war der Grund zu jener Richtung in der protestantischen Kirche gelegt, welche mit Recht eine „katholisirende" genannt wird, zugleich aber jener hierarchischen Bestrebung Thür und Thor geöffnet, die, sei cS als be wußter oder unbewußter Alliirtcr Roms und seiner schlauen Vorkämpfer, bereits Ordonnanzen erläßt wie die fraglichen, und den Protestantismus sei nem Ruin entgegenführen würde, erhöbe sich nicht endlich das protestanti sche Bewußtsein in seiner ganzen Macht und geböte nicht die „christliche Gemeinde" mit voller Entschiedenheit das Halt, die Beichte und die Buße allen Denen, die da in der Schuld sind. Es wäre zu wünschen, daß ein möglichst allgemeiner Anschluß der pro- testantischcn Kirchengemeinden in Baiern an die, von den angesehensten evan gelischen Einwohnern Nürnbergs an den König abgegangene wohlbemcssenc Vorstellung stattfände und daß diesen wackern Protestanten die wärmsten Sympathien des protestantischen Deutschland in geeigneter Weise ausge drückt würden; handelt eS sich ja doch um eine gemeinsame Angelegenheit aller Protestanten. De«tschla«r. Preußen. ^Berlin, 27. Nov. Man kann von dem guten Recht Preußens in der »cuenburger Frage durchdrungen sein, und doch eine anständige Ausgleichung mehr wünschen als einen fetten Proccß. Auch glau ben wir, daß die Staatsmänner, welche die Neuenburger Frage in ihren Händen zur Behandlung haben, vorwiegend auch jetzt noch die Herbeifüh rung einer Ausgleichung im Auge haben und verfolgen. Wenn es daher recht ist, daß man den Ausschreitungen der schweizerischen Presse entgegen tritt, so möchte es nicht minder angemessen sein, wenn man andererseits auch dem Drängen gewisser Blätter nach einer kriegerischen Entscheidung in geeigneter Weise entgegenträte; denn durch daS Eine wie durch das An dere kann die Ausgleichung nur erschwert werden. Ginge eS z. B. nach dem Kopfe der Kreuzzeitung, so befänden sich einige Armcecorps vielleicht schon unterwegs nach der Schweiz. Man sollte vor allen Dingen die Stel lung deS schweizerischen BundcsrathS begreifen und würdigen. Der schwei zerische VundeSrath ist da auf Grund der neuen schweizerischen Verfassung von 1848. Gäbe er die gefangenen Royalisten nach der von Preußen ge stellten Foderung ohne weiteres und ohne alle Bedingung frei, so würde er dadurch in nothwcndiger Consequenz seine eigene Existenz und die Berfas- sung, auf Grund welcher er gewählt worden ist, verleugnen. Wir wissen zwar sehr gut, daß cs eben das Recht Preußens und dessen Conscquenzen sind, welche alledem diagonal gegenüberstehcn; aber andererseits können wir uns, wie die Dinge einmal liegen, auch der Ueberzeugung nicht ver schließen, daß der Bundesrath, wenn er den Boden, auf welchem seine Existenz beruht, nicht aufgcbcn und sich der Schweiz selbst gegenüber nicht schwerer Verantwortung aussetzen wollte, auf die bedingungslose, lediglich aus dem Recht Preußens folgende Frcigebung der Gefangenen unmöglich eingehcn konnte. An dem Rechte Preußens ist nicht zu mäkeln; dasselbe ist über jedem Zweifel erhaben; sehr einseitig wäre es aber, nach unserer Ansicht, wenn man dem gegenüber die Stellung, in welcher der Bundes- rath sich der Schweiz und sich selbst gegenüber befindet, nicht ebenfalls eini- germaßen würdigen wollte. Sich selbst aufgebcn kann der. Bundesrath nicht, und darum ist das Einzige, was er, um Preußen seinen guten Willen zu bezeigen, thun kann, daß er die gefangenen Royalisten gleich nach beendig-