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LS. November I8S6 «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Drei» für das Bierteljahr 1'/, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. Jnserttonsgebübr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Zn beziehen durch alle Postämter de« In» und Auslandes, sowie durch die Erpedüwn in Leipzig (Querstraße Nr. 8). k . Donnerstag — M 267 4.^5 ' . ft' LeiHzig. Die Zeitung - ' --HM -- Dtiltschk MglMkim Zkitllllg Walker s Edict. V Berlin, ^I Nov. Seit unserer letzten Mitthtilung über die Sklaven frage ist-ein neue-, von uns vörausgeseheneS Factum hinzugrtreten, das die» Verhältnisse Amerikas noch bedeutend verwickelt. Bisher konnte unsern Assertionen entgegengesetzt werden, daß die Sklaverei und die damit ver- bundenen Fragen Europa nur sehr wenig berührten. Jetzt muß dieser Ein wand fallen, seitdem Walker den in der l-oi orggmqus der centralameri- kaiuschen Staaten enthaltenen Paragraphen gegen die Sklaverei aufgehoben hat. Dieser Schritt Walker's ist allerdings nothwendig, wenn die Anne- xation CentralamerikaS auSgeführt werden soll; aber er ist auch der Haken, an dem nun alle Interessen der europäischen Großmächte in das Chaos der amerikanischen Wirren hinübergezogen werden. Sollte indessen hier von neuem der Einwand erhoben werden, Europas Interesse leide nicht darum cer> wenn vom JsthmnS von Panama bis zum Rio Ghila die Arbeiter Sklaven wären, so würde man sich hier abermals einem Jrrthum hingebcn, aus dem ein Jahr später eine neue Maßregel uns erwecken würde. Das Interesse Englands und aller übrigen Großmächte fodert eine freie Passage über, den Continent von Centralamcrika. Diese Federungen sind im Clay- ton-Bulwer-Vertrag nicht nur klar ausgesprochen, sondern auch von Eng land neuerdings wieder aufgestellt und selbst mit bedeutenden Opfern fest- gehalten worden. Sie waren der Grund für die von Canning einst zum Entsetzen Europas schnell ausgesprochene Anerkennung der centralamerika- nischen Republiken. Sie müssen jetzt von allen Großmächten ausgenommen und als Cardinalpunkt aller Beziehungen zu Amerika hingcstellt werden. Geschieht dies nicht, so hat Europa sich der Politik der Sklavenstaatcn ge- fangengegeben. Diese Staaten haben längst durch ihre Organe ihre Ab sichten enthüllt. Sie wollen nicht nur schwarze, sondern auch weiße Skla ven, die Beschränkung der Freizügigkeit, Amerika gegen die übrige Welt soviel als möglich abschließen und demnach eine aggressive Politik verfolgen, die alle Gegenseitigkeit ausschließt und nur den Vortheil ihres Landes und den Nachtheil der übrigen Staaten im Auge hat. Wir sind von der Noth. Wendigkeit dieser Conscquenzen überzeugt und haben sie seit Jahren vor uns gesehen. Es scheint uns daher ein großer Jrrthum zu sein, wenn man glaubt, daß der Handel Europas vielleicht gar gewinnen müsse, wenn die Amerikaner in den Besitz der Territorien von dem Norden Mexicos bis Neugranada kämen, da dann die bisher dort vermißte Sicherheit garantirt, die Kanäle, Straßen und Eisenbahnen dem gesammten Verkehr geöffnet würden. Die Anncxation dieser Territorien kann nicht ohne direkte Unter- stützung der Sklavcnstaaten vollzogen werden, und diese ist von der vorher gehenden Einführung der Sklaverei abhängig. Diese Bedingung ist nun erfüllt, und die Territorien von Centralamerika sind damit der Politik der Sklavenstaaten geopfert und dem freien Verkehr entzogen. Wir schließen hier mit dem Auszug aus einem höchst interessanten und ausführlichen Schreiben eines gewissen Samuel Ruggles in Neuyork vom 2. Oct. Es behandelt den Conflict zwischen den Nord- und Südstaaten und berührt auch die Colonialpolitik. Nachdem der Verfasser auf den Nachtheil hingc- wicsen, den die Entfernung der englische», französischen und holländischen Colonien für die europäischen Staaten mit sich führt, sagt er: das große Geheimniß der Erfolge und des Reichthums der Union liege in ihrer Aus- dchnung von der Region der Fichte» bis zur Region der Palmen. Auf diesem Wege müsse man zu Erwerbungen fortschrcitcn. Ein ungeheurer Vortheil liege in der Vereinigung aller territorialen und klimatischen Ver schiedenheiten. Mit arithmetischer Sicherheit könne man den pecuniären Nutzen einer solchen Lage der Territorien vorherbestimmen und die Politik dürfe sich dieser Erfahrungen und dieser Basis nicht cntschlagen. Die Union habe in der Beachtung und Benutzung der ihrem Erdtheil eigcnthümlichen geographischen Verhältnisse einen politischen sichern Leiter, welchen die Co lonialpolitik aller andern Staaten entbehre. Sie greife nicht ins Blaue hinein, ihr Erfolg sei sicher, und man dürfe nur das englische Ostindien, welches viel größer als das Gestade am Mexikanischen Meerbusen sei, mit diesem vergleichen, um den für daS letztere günstigen Unterschied wahrzu- nehmen, der sich in dem Nutzen beider für ihr Land zeige. Deutschland. Preußen. ^Berlin, 11. Nov. Die von dem bairischen Obcr- eonüstorium angeordnete Wiedereinführung der Beichte, der sogenannten Kirchenzucht «c., in der protestantischen Kirche ist schon an und für sich wichtig genug, »nn die gespannteste Aufmerksamkeit des gesammten prote stantischen Volk- in Deutschland auf sich zu ziehen. Die Wichtigkeit jener Maßnahmen erscheint aber in einem noch ganz andern Lichte, wenn man erfährt, daß eS die im Mai d. I. zu Dresden versammelt gewesene Luthe rische Kirchenkanferenz gewesen ist, aus welcher da- von dem bairischen Oberconfistorium jetzt Au-geführte herstammt. Dieser Umstand gibt jenen Anordnungen natürlich eine ganz andere Bedeutung und Tragweite. Da- Nähcre hierüber, worauf die allgemeine Aufmerksamkeit kaum entschieden genug hingrlenkt werden kann, geht hervor aus den soeben veröffentlichten Protokollen dieser Conferenz, welche eingeleitet werden mit den Worten: „Nachdem der Oberkirchenrath vr. Kliefoth aus Schwerin an das königlich sächsische Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterricht für die nächste in süturgiois abzuhaltende Conferenz in Gemäßheit des in dem Protokoll vom 24. Mai enthaltenen Beschlusses, Kanones, die Beichte und Absolu tion betreffend, nebst einer gedruckten motivirten Abhandlung (folgen noch verschiedene andere Kanones und Thesen) .... fanden sich, erhaltener Veran- laffung gemäß (folgen die Namen der an der Conferenz bcthciligten Geist lichen), im Sitzungszimmer des evangelischen Landesconsistorii (in Dresden) ein, um sich über die Vorlagen zu bcralhcn." Aus den Thesen, die Ein- richtung der Kirchen betreffend, heben wir hervor: „Beichtstühle sind zur Seite dcö Altar« im Chore anzulegen." AuS den Kanones, betreffend die Beichte und die Absolution, heben wir das Wichtigste in Folgendem her- vor: „Die Art, wie jetzt in unsern Kirchen die Beichte und Absolution ge- handhabt wird, ist als mangelhaft, dagegen die Rückkehr zu der Privat beichte und Privatabsolution als heilsam und nothwendig anzuerkennen. Es ist mit höchstem Fleiß danach zu trachten, daß die Beichte Derer, welche an einem Sonn- oder Festtage communiciren wollen, nicht an diesem Tage selbst, sondern nach alter Weise wieder am Nachmittag vorher staltsinde, sich anschließend an einen Sonnabend«- oder Heiligen Abends-Ve-pergotteS- dienst. Bei der Ertheilung der Absolution ist dem Absolvirenden die Hand aufzulegen, und zwar nicht Zweien zugleich, sondern Jedem einzeln die rechte Hand. Die Absolution ist nicht mittels eines Bibelspruchs oder sonst eines den Sinn der Absolution nicht scharf aussprcchendcn Worts zu spre- chen, sondern stets und Jedem einzeln unter Handauflegung mit einer or dentlichen Absolutionsformel, wie sie unten angegeben wird." Ueber das hierher Gehörende finden wir im weitern Verlauf der Protokolle nun Fol gendes: „Nach der ordentlichen SonnabendS-VeSpcr läßt der Pastor (Pfarrer) alle Confitenten vor den Altar treten, hält ihnen insgemein Bcichlrcde oder Beichtoermahnung, und fodert sie am Schluß derselben auf, einzeln zu ihm in den Beichtstuhl zu kommen. Hier beginnt der Pastor (Pfarrer) damit, daß er den Confitcnten sein« Beichte sprechen läßt. An dieselbe knüpft der Pastor (Pfarrer) die Bcichtuntcrredung. In dieser Beichtunterrrdung hat der Pastor (Pfarrer) einerseits sich zu erkundigen, ob das Beichtkind genügende christ liche Erkenntniß, Reue, Glauben und den rechten Vorsatz der Besserung habe, auch ihm wegen etwa demselben zur Last fallender oder naheliegen der sündlichec Verirrungen treuliche Vorhaltung zu thun, nicht minder ihm Gelegenheit zu geben, daß es sich über etwaige GcwissenSanlicgen aussprech«, andererseits aber demselben mit dem Worte Gottes zu dienen, ihm daraus Belehrung, Trost und Nath nach Bedürfniß zu spenden. Die Bcichtunter- redung wird vollends Herausstellen, ob dem Beichtkind« die Absolution er- theilt werden kann. Ist dies der Fall, so resumirt der Beichtvater mit kurzen Worten die Beichtunterredung, fragt das Beichtkind: «Glaubst du auch, daß die Absolution, die ich dir spreche, im Himmel gelte und vor Gott kräftig sei?» und ertheilt auf sein Ja dem Beichtkinde die Absolution un ter Handauflegung mit folgender Formel: «Der allmächtige Gott Hal siet, dein erbarniet und ich auf den Befehl unser- Herrn Jesu Christl, als sein Diener, spreche dich frei, ledig und los von allen deinen Sünden im Na men Gottes des Vaterß, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Gehe hin in Frieden. Amen.»" Soweit von diesem Punkt, der, wie man gleich ficht, den von dem bairischen Oberconfistorium erlassenen Anordnun- gen zur wesentlichen Ergänzung und Erklärung dient. Zu der oben erwähn ten Frage über den Glauben des Confitentcn an die absolvirendc Kraft des Geistlichen bemerkt nun daS Protestantische Kirchenblatt für da« evangelische Deutschland: „Wenn nun aber das Beichtkind evangelischer denkt als der Pfarrer und mit Nein antwortet bei dieser Frage, wir dann?" Nun, so wird der Consitent ganz einfach nicht absolvirt. Und wenn er nicht absol- virt wird, wie dann? So kann er, bis er die Absolution erlangt hat, kei nen Theil haben an den kirchlichen Ehren, er kann nicht als Taufzeuge zu- gelassen werden — wie an einer andern Stell« der Protokolle ausdrücklich gesagt wird — «c. Die« könnte indessen noch angehen, denn wer zur Beichte geht, der glaubt auch an die Absolution, oder sagt es doch wenigstens. Wie aber soll e« mit Jenen gehalten werden, die, weil sie an die Absolution nicht glauben und auch nicht heucheln wollen, gar nicht zur Beichte gehen? Diese befinden sich über eins der wichtigsten Grunbprincipien deö evangelischen Glaubens mit dem Pfar- rer natürlich im schneidendsten Widerspruch und haben darum ur gewärti gen, daß sie durch die Mittel, welche die „öffentliche KirchendiSciplin" an die Hand gibt („öffentliche Verkündigung des Sünders vor der Gemeinde", oder „Ausschließung desselben aus der Gemeinde" «.), solange gemaßregelt