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27. November L8SV Donnerstag Rr. 278 »Wahrheit imd Recht, Freiheit und GesetzI» Preis für das Vierteljahr 1A Lhlr.; jede einzelne Rumen er 2 Ngr. Zu beziehen durch alte Poüämter des In- und Auslandes, sowie durch die Erpeditivn in Leipzig (Querstraße Nr. 8). InsertionSgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Ktckihszig. Li« Zeitang erscheint mit Ausnahme de« MF" U Mgmmc Zcitmig Die Ansprache des bairischen protestantischen Ober- eönsistoriums. (Schluß aus Nr. 277.) Unter den weiter zu besprechenden Gegenständen kommen zunächst zwei in Be tracht, nämlich: 3) der Agendenkern; -1) der Landeskatechismus. Beide Entwürfe find auf die Anträge der letzten Generalsynod« hin ausgearbeitel worden und haben als Vorlagen für die nächste Generalsynod« ihre Genehmigung, und zwar der Agendenkern gemäß höchster Entschließung vom 28. Mat 1855, der Landeskatechismus vom 9. Juli 1856 erhalten. Von den Berathungen dieser Keneralsynodc wird es abhängcn, ob und wieweit beide Schriften zum Gebrauch eingesührt werden. Diesen Berathungen ist nicht vorzugreis«», und was etwa sonst zum Verständniß der Vorlagen dient, ist in den sie begleitenden Erlassen genügend niedergeiegt. Namentlich wird hinsichtlich des Agendcn- kernS ans die sebr ausführliche Instruction vom I. Juni d. I. verwiesen werden dür-, sen. Es soll dieser Entwurf dazu dienen, der Gemeinde den Zugang zu bewährten agendarischen Schätzen, welche die Kirchenorduungen bieten, wiederzueröffnen und die Grundlagen bezeichnen, auf welchen ein« umfassende Kirchenagendc erbaut werden müsse. Es wird der krtnnerung nicht bedürfen, daß dieser Entwurf von provisorischer und saeultativer Geltung für jetzt noch jede definitive Feststellung ausschließe. Der Kate- chtsmuSentwnrf soll einem von den Geistlichen der Landeskirche empfundenen Bedürfniß Entgegenkommen und hat als Anleitung zu einem fruchtbare» Unterricht des Kleinen Katechismus Luther« lediglich für die Zwecke der kirchlichen Jugenderziehung Bedeu tung. Der Lehrstoff selbst ist die kirchlich geltende, unter die Symbole unserer Kirche ausgenommen- Schrift Luther s. In welcher Weise der Entwurf von der Geistlichkeit einer vorläufigen näher» Prüfung zu unterwerfen sei, ist in dem Erlaß bereits in dem Maße bestimmt, als cs zur Erzielung eines sichern und praktischen Resultats nothwen dig erscheint. Es ist diesem nichts hinzuzufügen. Dagegen scheinen vorläufige Bestim mungen hinsichtlich 5) der Beichtordnung auf MiSverständniffe gestoßen zu sein, die freilich bei nur einiger Bekanntschaft mit den Bekenntnißschristen unserer Kirche nim mermehr zu erwarten waren. Zur Verständigung der Gemeinden diene zunächst Fol gendes: Das, was unsere Kirche Einzcibeichte oder auch Privatbcichte nennt, war von der Neformationszeit her in der ganzen lutherischen Kirche üblich. ES wäre freilich dies elne unbegreifliche Thatfache, wenn unsere Privatbeichte Das wäre, was die katholische Kirche „Ohrenbeichte" nennt, und von welcher unsere Bekenntnißschristen ost genug in starken Ausdrücken sagen, daß sie zu verwerfen sei. Also jene Beichte verwirft unsere Kirche, aber von ter Beichte überhaupt sagt fie: sie sei beizubehalten. ES bedarf nur wenig Scharfsinn, um cinzusehe», daß man nicht rathen kann, bcizubehalten, was man mit Nachdruck verworfen hat, daß also handgreiflich Beichte und Privatbeichte im Sinne unserer Kirche etwas Anderes fein muß als Ohrenbeichte. Nun kam aber bei uns und au ander» Orten vielfach Das außer Gebrauch, was unsere Kirche Privatbeiästc ncnnt. Und doch crinncrte man sich Dessen, daß das Bekcnntniß der Kirche sagt: fie sei bei- zubehalttn. Zugleich aber entstand da und dort Streit, wie Las gemeint und wie es cinzurichten sei. Die Einen meinten, man müsse von Jedem ohne Unterschied die Pri- vatbeichte verlangen, ehe man ihm das Sacrament des Heiligen Abendmahls reiche. Die Andern sagten: »ein, nach unserm Bekenntniß ist die Beichte nicht göttliches Ge bot, und darum frei; doch muß die Kirche in ihren Dienern sich zum Empfange dieser Beichte darbieten, damit deren Wohlthat nicht vergessen bleibe, sondern von Denen be nutzt werd«, die ihrer bedürfen. Dieser Streit mußte dem Kircheuregimeut gegenwär tig sein, als die Generalsynode auf allerlei Unordnung im Beichtwcse», in der Anmel dung zum Saerament u. dergl. hindeutcte und um vorläufige Abhülfe bat. Und je . mehr zu befürchten war, daß man etwa hier und da in MiSverstand. des Bekenntnisses und in falschem Eiser Privatbeichte zu einem allgemeinen Gebot den Gemeinden ma chen könne, umsoweniger schien es räthltch, die Frage von der Privatbeichte zu um gehen. Denn das Oberconsistortum ist mit dem Bekenntniß unserer Kirche überzeugt und bleibt dabei, daß die Privatbeichte nicht ein göttlich Gebot und darum frei sei, dennoch aber die Kirche dafür sorgen müsse, daß man sich ihrer als einer Wohlthat frei bedienen könne. Was unsere Bekenntnißschristen hierüber sagen, ist ebenso bestimmt als klar. Sic sagen (AugSburgische Konfession Art. 25): „daß die Beichte nicht durch dir Schrift geboten sei." (Vergl. Apol. Art. 11.) Sie sagen, „daß man Niemandem drängen soll, die Sünde namhastig zu erzählen" (AugSburgische Eonfesston Art. 25). Hiermit wiederholen sie, was Luther vorher in seiner kurzen Vermahnung zur Beichte vom Jahre 1529 erklärt hat: „Von der Beichte haben wir allezeit also gelehrt, daß sie solle frei sein"; oder was Luther nachher in seinem Unterricht der Visitatoren vom Jahre 1538 einschärst: „Die päpstische Beichte ist nicht geboten, nämlich alle Sünden zu erzählen." Wenn es nun im Augeburgischcn Bekenntniß Art. 11 heißt: „Von der Beicht« wird also gelehrt, daß man in der Kirche privatum ubuvlutionem erhalte» and nicht fallen lassen soll, wicwol in der Beichte nicht noth ist, alle Miffethat und Sünden zu erzählen, dieweil doch Solches nicht möglich ist" (Pf. 19,13), so folgt von selbst aus den vorhergehenden Sätzen, daß solches „Erhalten" auf dem Wege des Ge bot- und Zwanges unstatthaft und wider das Bekenntniß wäre, auch wenn nicht im ersten Anhänge zum Großen Katechismus ausdrücklich stände: „Bist du ein Christ, so darfst du weder meines Zwanges, noch Papstes Gebot nichts überall, sondern wirst dich wol selbst zwingen und mich darum bitten, daß du solches mögest theilhastig werden." Das ist, was Luther anderwärts meint, wenn er sagt: „Wir driugcn Niemandem, son dern leiden, daß man zu uns dringt, gleichwie man uns zwingt, daß wir predigen und Sacrämente reichen müssen." Denn das ist sonnenklar, daß, was nach unserm Be- keuntaiß Sott nicht gebietet, die Kirche nicht Macht hat, als ein zwingendes Gebot zu fitzen, noch daß sie darauf kommen kann, den Trost, den fie „den erschrockenen Ge wissen" bringen will, von vornherein damit todlzuschlagen, daß ste den freiwilligen Be gehr in gesetzlichen Zwang umwandelt. Also wenn unsere Kirche die Privatbeichte er halten will, geschieht «S damit, daß fie sich zur Darbietung bereiterklärt und nicht ihre Rothwendigkeit, aber ihren Nutzen «inschärft. lind dies ist überall da am Platz, wo dnEtnzelne von besonderer Anfechtung gequält ist, und »ersieht sich, des Trostes dpr Gündenvergebyng. Da ist ihm zu ra»hen„ daß er zum Geistlichen komme und ihm Mistheile, was ihn. besonders quält, damit er für seinen besonder» Fall erfahre und höre, wie Und warum auch ihm der Trost der Vergebung hjeniede» nicht verschlossen fei, »Nd sich an der ihm sonderlich ertheilten Absolution erfreue. Da- ist die Prlvatbeicht« t« «Sg«r» Siu«? de» Wort«. Wo dir besonder, Kall nicht borliegt, reicht zu»E»pfgnge der Vergebung das allgemeine Bekcnntniß dcs Einzelnen (Privatbeichtc im wcitcrn Sinne) aus, daß er sich als Sünder fühle und bekenne. Denn so heißt es im Art. ti Ler Apologie: „Von dem Erzählen der Sünden haben wir oben in unserm Bekenntniß gesagt, daß wir halten, es sei von Gott nicht geboten. Denn baß fie sagen, ein jeg licher Richter muß erst die Sachen und Gebrechen hören, ehe er das Urtheil spreche, also müsse» erst Lie Sünden erzählt werden re ; Lies thut nichts zur. Sache. Den» die Absolutio» ist schlecht der Besehl, losznsprcchen, und ist nicht ein neues Gericht, Sünden zu erforschen. Denn Golt ist der Richter, Ler hat den Aposteln nicht da» Rich teramt, sondern di« Gnadenexecutio» befohlen, Diejenigen loszusvrechc», so es b«ge(- re», und sie entbinden auch und absolvircu von Sünden, welche uns nicht cinfallen. Darum ist die Absolution «ine Stimme LeS Evangelii, und ist nicht cin Urtheil oder Gesetz." Es hätte von den Gemeinden unserer Kirche erwartet werden können, sie trauten dem Kirchenregimcnt zu. daß es um diese obersten Grundsätze des Bekenntnisses wisse und au Alles eher denke, als wider das Bekenntniß zu wollen, geschweige denn zu bandeln. Es kann und darf von Zwang und Gebot der Privackeichte als Aufzählung einzelner Sünden nirgends die Rede sein, und nicht einmal eine Frage derart kann der bevorstehende» Gcneralsy»ode vorgelegt werden, da nach unserm Bekcnntniß bicr allewege gar nichts fraglich ist. Nur das ist die Frage, auf welchem Wege man dcnu den Einzelnen nahclcgcn und leicht machen könne, etwa zu begehren, was ihnen unter Umstände» höchst Heilsani sein kann, und von dessen Begehr fie zur Zeit vielleicht nichts abhält als die Scheu vor Ungewohntem und die Unwissenheit darüber, WM denn eigeuttlch unsere Kirche im Gegensatz zur Ohrcilbetchte unter PrivatbeichlW Mstcbc. Die Ohrenbeichte ist eben die durch Gesetz und Gebot befohlene Aufzählung, .her von dem Einzelnen begangenen Sünde», von welcher gesetzlichen Beichte unsere Kirche nichts weiß. Nach dieser Auseinandersetzung kann über den Sinn des Erlasses vom 2. Juli kein Zweifel sein; was dort als anzustrebcndcs Ziel genannt ist, kann in kei ner Weise als Vorschrift im gesetzlichen Sinn gefaßt werden, wodurch der Gebrauch der Absolution und des heiligen Sacraments an andere Bedingungen geknüpft werde» würde, als Gottes Wort geboten hat. Die Oberconsistorlalerlassc waren aber an die Geistlichkeit gerichtet, welcher man ei» Verständniß ohne weitere Auseinandersetzung zutraucn konnte. Wenn diese Erlasse, ohne nähere Verständigung über Das, was sich freilich für ein lutherisches Kirchenregimcnt von selbst versteht, unter die Gemeinde» gekommen find, so ist da- nicht die Schuld der obersten Kirchensteike, obwol die an den Lag gekommenen unglaublichen MiSverständniffe vorher nicht für möglich zn er achten waren. Man gibt sich der Zuversicht hiu, daß diese bestimmte und unwandel bare Erklärung des Kirchenregiments über de» fraglichen Punkt Alle beruhigen weide, welche irregeleitete Beuuruhigung schöpften. Zudem wird noch besonders darauf aus- merksam gemacht, daß in der betreffenden Entschließung keine neuen diöpositiven Be stimmungen getroffen, sondern einerseits nur bereits bestehende Ordnungen näher »or- mirt, andererseits lediglich Zielpunkte bezeichnet worden find, welche auf dem Wege freiwilliger Vereinbarung angestrebt werde» können. Zuletzt sind noch alle die Erlasse zusammenzusasse», welche 6) der Erhaltung kirchlicher Ordnung und Zucht dienen sol len, und theils dazu bestimmt sind, die Geistlichen vor ungebührlichen Zumuthungen und die Gemeinden vor willkürlichen Maßnahmen vorläufig zu sichern, theils PmMc bezeichne», welche zuerst eine reifliche Ermittelung dcs gegenwärtigen Thatbestandes fodern, ehe fie nach Anträgen der letzten Generalsynode auf der nächsten Generai- synodc zu weiterer Berathung kommen. Ehe man aber hierauf weiter eingeht, muß zur Abwehr etwaiger MiSverständniffe in Bezug auf die Entschließung vom 9. Juli, die persönliche Anmeldung der Verlobten bei Proclamationen und die Aufgabe des geistlichen Amts in dieser Beziehung betreffend, darauf aufmerksam gemacht werden, daß nach dem klaren Wortlaut derselbe» auf den Antrag der Generalsynode, welche die persönliche Anmeldung Verlobter al- Pflicht ausgesprochen wisse» wollte, nicht einge gangen worden ist. Dagegen mußt« hieraus Veranlassung genommen werden, den Geist lichen geeignete pastorale Rathschläge zur Wahrnehmung ihrer seelsorgerlichen Thäliz- keit nach dieser Richtung zu ertheilen. Seclsorge aber kann ihrer Natur nach nicht aufgedrungen, sondern nur dargeboten werden. Hinsichtlich der unter Ziffer 6 znsam- mengcsaßten übrigen Erlasse ist vor allem zu bemerken, daß man heutzutage unter dem Wort Kirchenzucht das Verschiedenste zusammenwirft, und Laß eine große Ver worrenheit in Bezug auf Das herrscht, was in dieser Sache nach den Principicn un serer Kirche festzuhalten ist. Es mag da vorläufig hcrvorgehoben werden, daß unsere Kirche eben DaS nicht kennt noch will, was in andern kirchlichen Gemciiischaften unter diesem Namen in der Gestalt eines äußerlich gesetzlichen und polizeilichen Instituts besteht. War sich nun aber weiter in der Gegenwart auf kirchlichem Gebiete bemerklich macht, da« find die Extreme zweier ganz entgegengesetzter Strömungen, zwischen welchen die rechte Mitte gesucht und erstrebt werden muß. Das Eine ist das Streben nach völliger Zü gellosigkeit; das Andere ein Rückfall in gesetzliches Wesen- Kommt das Erste zstr Herr schaft, so ist cs mit kirchlichem Verband überhaupt auS; gewinnt das Zweite Naum, so bringt sich die Kirche um ihren besten Segen und stärkt nur Las erste Element. Aber davon abgesehen liegt bereits in unsern Bekenntnißschristen die Verwerfung Les gesetzlichen Wesens als eine Thatsachc vor. Unsere Kirche hat als einen „irrigen Ar tikel", gleichviel von welchen Voraussetzungen die Urheber dieser Meinung äuSginger.. die Lehre verworfen, nach welcher man zum wesentlichen Kennzeichen der wahren Kirche den Bestand eines sozusagen juristischen Zuchtverfahrens machte. Wir verwerfen, sa gen fie, die Lehre, „daß keine rechte christliche Gemeinde sei, da kein öffentlicher Aus schluß oder ordentlicher Proccß des Bannes gehalten werde" iEoncord.-Formel ll. Theil, 12. Lap., irrige Artikel der Schwenkfcldianer). Nichtsdestoweniger taucht hier »nd da jetzt wi«der eine Ansicht vom Beruf der Kirche auf, welche auf da- Haar jenem al ten von der Kirch« v«rworfenen Jrrthum gleicht. WaS uns betrifft, so bedarf cs nickt Ler Versicherung, daß wir auch in diesem Punkte bei Lem Bekenntniß unserer Kirche beharrlich ft«hen bleiben. Denn was unserer Kirche obenansteht und stehen muß, da» ist die Zucht durch die Predigt des göttliche» Worts. Sie arbeitet au der Wieder herstellung gottgemäßen Lebens durch Gottes Wort von innen heraus, nickt durch menschliche Maßregeln von außen hinein. Sie hält, wie schon oben gesagt. Da« als den eigentlichsten Beruf der Kirche fest, daß die Kirche nicht zum Amt dcs Richters, sonder» zu dtp der Gnadeaverwaltung berufen ist. Daß sic hierbei, die Gnade Gott.s nicht Denen vttkündigen kann, die ihr beharrlich widerstreben und nichts vv» ihr wis sen «ollen, daß fie den kirchlichen Segen und die kirchlichen Ehren nicht da zuthe :.» kann, wo man sich ihrer völlig unwürdig gemacht hat, bedarf e» keines besonder» Jn- ßttut» uud ktiner besrndiru Satzung» denn dafür hat die Kirche Gottes Besehl in