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2« Oktober 1858 Nr. 252 'Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Znsertivnsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Zn beziehen durch alle Postämter re« In- und Auslandes, sowie durch die Erudition in Leipzig lOncrstraße Rr. 8). Sonntag EsöhtHöH Die Zeitung , ,-rscheint mit Ausnahme de« SM U" LNU'UU' V V 2 -M Dtitscht Mgcmnt Zkitmig Preis für das Vierteljahr 1'/, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. D entschlaf-. ----AuS SÜddeutfchlaud, 23. Oct. Wir danken der Frankfurter Post- zeitung für die Berichtigung in ihrer Beilage zu Nr. 25V. Wir meinten das Umlaufschreiben der Höfe von Wien, Berlin und Petersburg, das allerdings nicht vom 8. Oct., sondern vom 8. Dec. 1820 datirt ist. Der Jrrthum fällt auf die Quelle zurück, die uns zunächst zur Hand war. Auch für die weitere Belehrung in Betreff des Vertrags vom 12. Juni l815 sind wir dankbar, umsomehr, als sie u«S äußerst günstig und auch sonst willkommen ist. Wir hatten al« einen „NechtSgrund" für die österreichische Intervention in Neapel von 1821 den Satz der Frankfurter Post zeitung bestritten: „es habe von Seiten Neapels die vertragsmäßige Ver pflichtung gegen Oesterreich bestanden, «ine solche Constitution wie die der Cortes nicht einzuführen." Für diese Verpflichtung wird jetzt ein geheimer Artikel des Vertrags vom 12. Juni 1H15 angeführt, der die beiden Con- trahenten verbindet, ihre Staaten vor neuen Reaktionen und unklugen Neuerungen zu bewahren, und als ausgemacht erklärt, daß der König von Neapel keine Aenderungen «lnsühren werde, welche mit den allen monar chischen Institutionen oder mit den Grundsätzen unvereinbarlich seien, die der Kaiser für die innere Regierung seiner italienischen Provinzen adoptirt habe. Der Vertrag vom 12. Juni 1815 selbst ist eine Defensiv- und Offensivallianz zwischen Oesterreich und den beiden Sicilien. Mit der Hei ligen Allianz vom 26. Sept. 1815, der auch Neapel beikrat, und noch mehr mit dem zweiten Pariser Frieden vom 20. Nov. 1815 und der Aache ner Deklaration vom 15. Nov. 1818, war er z« Ende. Seldstverflanden hatte der geheime Artikel dasselbe Schicksal. Allein es bedurft« dieser Be seitigung nicht; er war nie als gültig und bindend zu betrachten. Abge sehen davon, daß das Völkerrecht geheime Artikl in der nnlxstimmten und bezüglich der Zeitdauer unbegrenzten Wirksamkeit jene« vom 12. Juni 1815 nicht kennt, war letzterer von vornherein, den allgemeinen Bestimmungen über Verträge gemäß, in mehr denn einer Beziehung ungültig; er war es schon deshalb, weil er die Souveränetät des Königs von Neapel bis zur Auferlegung einer Verpflichtung beschränkte, deren Beweggrund unstatthaft war, beziehungsweise ihm eine Bedingung fetzte, deren Erfüllung die Grenze deS Möglichen überschritt. Auch ist des geheimen Artikels, oder überhaupt deS Vertrags vom 12. Anni 18k5, weder in der Correspondenz zwischen dem Kaiser Kranz und dem König Ferdinand, noch in der Botschaft de« Letzter« an das Parlament (7. Dec. 1826), noch in einem andern Akten stücke au- dem Jahre 18M, das Umlaufschreiben des neapolitanischen Mi- nisterS des Aeußeni an di«, europäischen Höfe vom 1. Oct. ausgenommen, Erwähnung gethan, und eS ist dieses Umgangnehmen, zumal österreichi- scherseitS, in der That leicht erklärlich. Selbst in diesem Umlaufschreiben ist aber nur darum auf den geheime« Artikel Bezug genommen, um darzu- thün, daß er unwirksam und unanwendbar sei. Der Minister deS Aeußern, Herzog ».Campochiaro, nennt ihn in unbestimmten und zweideutigen Aus drücken abgefaßt, mit dem Bemerken, daß eS sich nm um einen morali sche« Ginn, keineswegs aber um eine Bedingung oder ein Uebereinkommen zu ausdrücklicher Verpflichtung für eine unbestimmte Zeit gehandelt habe. Ein Gesichtspunkt tritt aber hierbei noch ganz besonders hervor, der näm lich, daß der geheime Artikel eine Einmischung in die innern Angelegen heiten von Neapel in sich schloß, welche in völkerrechtlicher und staaisrecht- licher Hinsicht das Maß de« Zulässigen bei weitem überstieg und die da maligen Amnuthungen der Westmächte an den König von Neapel in der Thgt al» bloS „freundschaftliche" erscheinen läßt. Sogar dann, wenn ein Vertrag wie der vom 12. Juni 1815 in Kraft besteht und wenn ein ge- Heimer Artikel, gleich dem fraglichen, in voller Rechtsgültigkeit vorkiegt, gibt die Nichterfüllung de» letzter« keineswegs die Ermächtigung, bewaffnet zu intervmiren, fondern nur jene« Recht, welches an« Verträgen überhaupt bezüglich drr Erfüllst erwächst. Wer alle die Urkunden auS 1820, welche in Martens' Sammlung abgedruckt find, genauer prüft, der muß darüber erstaunen, wn «» möglich war, das Völkerrecht zu Gunsten des absoluti stischen Princip« so mit Küßen zu treten und einen Monarchen, seinem Volke, seinem Eide und seinem Worte gegenüber, so bloßzustellen, wie es damals geschah. Noch heute ist die neapolitanische Krage, die sich milder Intervention von 1821 eröffnete, nicht geschloffen. Ihre Lösung wird nicht eher etfvtzen, bis eine normalmäßige staatliche Entwickelung sich Bahn bricht. Waö von Neapel gilt, das ist auf Spanien nicht minder anwend bar. Dir französische Intervention im Jahre 1823 war für diese«, wa« die österreichische im Jahre 1821 für jene«. Kein Wundcr, wenn ein Land nickst zur gedeihlichen Ruhe kommt, welche Mwährcjldvn Mischen oder diplomatisch«, Einmischungen in seine Angelegenheiten ausgesetzt Ist und nicht jenen politischen Proceß ungestört von außen in sich verarbeiten kann, den eS, will es anders dauernd genesen, nun einmal durchwachen muß. Rn der öffentlichen Meinung aber ist es, alle geheimen Artikel ohne j Unterschied und all« Separatvcrträge, welche dazu bestimmt sind, europäi- sche Verträge zu paralysiren und zu durchkreuzen, vor ihr Forum zu ziehen und unerbittliches Gericht darüber zu halten. Ebenso ist e« Sache der Publicistik, keine sogenannten „ZweckmäßigkeitSrücksichtcn" und dergleichen Winkelzüge, gegenüber dem Recht, aufkommen zu lassen, oder Nachsicht zu üben, wenn daran«, daß hier das Recht verletzt wird, dort die Befugmß abgeleitet werden will, zur Wettmachung oder Revanche ein gleiche« Unrecht zu begehen. Es fehlt« der detttschon Presse bisher stets ein haltbarer und praktischer, über Meinnngen, Rücksichten, Besonderheiten und Parteiungen erhabener Vereinigung-Punkt. Von dem Moment an, wo sic den Kampf für Recht und Sittlichkeit, nach welcher Seite hin er auch aufzunehmen ist, zu ihrem Wahlspruch wählt, ist dieser Vcreinigungepunkt gefunden. Preußen. " Bertin, 2S. Oct. Nicht um zu zeigen, daß wir gut unterrichtet waren, sondern lediglich um der Wichtigkeit der Sache willen, haben wir heute die Bestätigung zweier, von uns bereits früher gegebener Nachrichten zu constatiren. Die erste betraf die streng rechtliche Seite, welche bei Beurteilung der fortdauernden Occupatio» der Donaufürstenthü- mer durch Oesterreich in Betracht komme. Wir haben in dieser Beziehung gezeigt, wie die Fortdauer der Occupatio« schon an und für sich im Wider spruch stehe mit den Bestimmungen des Friedensvcrtrags, und wie ferner auch der zwischen Oesterreich und der Hohen Pforte abgeschlossene Vertrag über die Fortdauer der Occupatio« eines rechtlichen Fundament« gänzlich entbehrt, indem durch die fortdauernde Okkupation der Ausführung eines wesentlichen Theils des Pariser Krwdensvertrags sntgegengearbeitet werden solle, die betreffenden Mächte aber doch wol nicht befugt sein könnten, sich nachträglich zur Verhinderung einer Gache einseitig untereinander zu verbin den, deren Ausführung sie vorher mit andern Mächten gemeinsam beschlos. sen halten. Es ist gegenwärtig nun von einer französischen, an das wie ner Cabiuet gerichteten Depesche die Red«, in welcher auSgeführt wird, daß der Abschluß eines Vertrags zwischen Oesterreich und der Hoh«« Pforte über di« fortkauernde Okeupatwn der Dvnaufürstemhümer unvereinbar sei mit den Bestimmungen des AriebensvertvagS, mit andern Worten: daß ein solcher Vertrag al- rechtlich nnwirkfam betrachtet werden müsse. Sic sehen hieraus, daß unsere frühere Darstellung nicht ohne «inen thalsächlichen offi- ciellen Hintergrund gewesen ist. Die Oesterreichische Correspondenz bemerkt nun jetzt, der Umstand, daß die neue Grenzbestimmung in Bessarabien noch nicht getroffen, sei höchst wichtig und rechtfertige die Fvridauer der Occupa- tivn vollkommen; im Uebrigen seien England, Oesterreich und die Hohe Pfvrte über den Zeitpunkt, wann die Räumung erfolgen solle, durchaus einig. Der erste Theil dieser Bemerkung dürste als ziemlich unwesenrlich zu botrachlen sein; denn «rag die noch mangelnde neue Grcnzbesiimmung die ihr von dcr Oesterreichische« Corresponkrnz deigelegtc Bedeutung wirklich haben oder nicht: auf jede« Fall kann die gegenwärtige Ungewißheit über die neu« Grenze nicht mehr lange dauern, uiw der Kern der eigentlichen Frage sttgt darum darin: ob der Termin der Räumung, über welchen Oesterreich, England und die Türkei «img find, dann eintreten soll, wenn die neue Grenzbistimmung für Bessarabien ihre faktische Erledigung gefun den haben wird? Hierüber sagt bi« Otsterreichische Correspondenz indessen gar nacht«, und in Betreff de« Weitern müssen wir darum die Lhatsachen abwarten. Einseitig wäre es übrigen« und unbillig, wenn man an k!« fortdauernde Oerupation der Douaufürstenchümer durch Oesterreich und an Das, was in diesrr Beziehung etwa künftig noch geschehen wird, lediglich den flvenKin Maßstab des Rechts, wie sich solche« aus dem KrirdenSver- trage vom M. März an und für sich ergibt, legen ivvltte; denn wenn Oester reich hier auch allerdings gegen das strenge Recht handelt, so ist doch auch nicht zu verkennen, baß man auf der andern Seite nicht minder gegen die aus dem FriedenSvertrage fließenden Rechlebestimmungon verstößt und daß das Unrecht Oesterreich« gewissermaßen erst von dem anderseits gen Unrecht provocirt worden sei« dürste. Auch kann darüber kein Zweifel obwalten, baß es Frankreich nicht allein ist, w«lch«S über di« Ausführung des Fric- denSvortragS zu wachen hat, und daß di« Sstmnt«« Englands, OesterrelchS und der Türkei ftdonfall« ein gleichberechtigtes Gewicht haben. Der andere Umstand, deffrn Bestätigung wir zu eonstatiren haben, bezieht sich aus die Stillung de- KöingS von Neapel zu dem Plane, die ganz« neapolitani sche Krag« dem Pariser Congrcß zur Emfchrtdung vorzulcgen. Wir haben hervorgehoben, daß der König von Neapel, von seinem eimnal eingenom menen Standpunkt auS, auf dies«« Vorschlag unmöglich eingeh«« könne, dem: es muffe ihm, wenn eö ihm auf die Wahrung seiner »ollen Souvt- ränetät ankomme, ganz gleich erscheinen, ob ihm Frankreich und England, oder die Pariser Couferenz dar-inredclen. Hiermit in Ukbereinstimmung meldet »uu jetzt die Ost-Deuischc Post aus Neapel, daß der König von Neapel die Competcnz des Pariser CongresscS gar nicht anerkcnncn wolle. Der König von Ncap,l hat, wenn cr sich nicht selbst widersprechen wolle,