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1 October 18S«^ Rr 230 Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Srpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Jnsettioiisgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Den erhöhten Anfotzeenng^ rrf der jetzigen Zeit an die größern politischen Blätter Deutschlands gestellt werden, sucht die Deutsche Allgemeine Zeitung in jeder Weise zu entsprechen. Sie hat zahlreiche und zuverlässige eigene V»*vefpo«-ente« an allen Hauptpunkten Europas. Ihre Leitartikel suchen den Leser über die politischen Angelegenheiten zu unterrichten und zu gleich die Aufgabe der unabhängigen patriotischen Presse nach Kräften zu erfüllen. Den sächsische« Angelegenheit«« wird in Leitartikeln und Korrespondenzen große Aufmerksamkeit gewidmet. Wichtige Nachrichten, auch die Börsencurfe von Lon don, Paris, Wien, Berlin re., erhält die Zeitung durch telegraphische Depeschen. Die Interessen des Handels und der B«-«ftrie finden sorgfältige Beachtung. Ein Feuilleton gibt zahlreiche Originalmittheilungen und kurze Notizen über Thea ter, Kunst, Literatur u. f. w. Die Deutsche Allgemeine Zeitung erscheint, mit Ausnahme des Montags, täglich in einem ganzen Bogen. Das viertel jährliche Abonnement beträgt 1 Thlr, 13 Ngr. .Inserate finden durch die Zeitung die weiteste Verbreitung und werden mit 2 Ngr. für den Raum einer Zeile berechnet. Bestellungen auf das mit dem heutigen Nage beginnende neue Abonnement werden von allen Postämtern des In- und Auslandes, in Leipzig von der Expedition der Zeitung angenommen und baldigst erbeten. DMchc MWkinc Zkitnug «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Mittwoch. Leipzig. Die -Zeitung erscheint mtt Ausnahme des Montag- täglich und wird NachnilttagS 4 Uhr auS- gegeben. Preis für da- Vierteljahr I'/, Thlr.; jede einzelne Nummer S Ngr. Zur neuenburqer Frage, l. LVom Rhein, 28. Sept. In einem Artikel des Frankfurter Jour nal vom Main wurde vor kurzem die ncuenburger Frage vom staatsrechtli chen Gesichtspunkt aus beleuchtet. Wenn wir auch gern zugcstehen, daß gegen diese Ausführung im Allgemeinen wenig zu erinnern sein mag, sobald blos die staatsrechtliche Seite der Frage ins Auge gefaßt wird, so glauben wir den noch, daß cs zweckmäßig sei, die Sache auch noch von andern Gesichts- punkten aus zu betrachten. Es wird dieselbe damit nur um so besser ab geklärt werden. Wir stellen den Sah an die Spitze, daß Preußen in der Neuenburger Angelegenheit keinen Schritt vorwärtsthun darf, von dem es nicht im voraus weiß, daß er auch nicht die leiseste Bewegung rückwärts nach sich riehen wird, d. h. mit andern Worten: Preußen darf nichts begehren, in Aussicht stellen, androhen, was es nicht auch äußerstenfalls durchsetzen will und durchsetzen kann. Dies erfodert seine Stellung als Großmacht und sein Ansehen. Preußen wird daher alle die freundnachbarlichen Rathschläge, Anfoderungen und Aufreizungen, welche dahin äbzielen, zu entscheidenden Schritts» gegen die Schweiz zu drängen und zu treiben, mit der größten Behutsamkeit aufnehmen und wohl erwägen, ob und welche Gedanken etwa dahinter verborgen sein dürften, ob und welche Präjudicien etwa herbeige- führt werden wollten, ob und welche nothwendige oder mögliche Folgen sich allenfalls daran knüpfen könnten. Lt, respioo linom! sagt der Lateiner. Man gibt vor, die ncuenburger Frage sei eine Ehrensache für Preußen. Sie ist nicht weiter eine Ehrensache als jede NechtSangelegenheit, bei der man auch auf sein Recht stillschweigend oder ausdrücklich verzichten oder sich vergleichen kann. Hätte Preußen die Neuenburger Frage in einem an- dern Sinne je verstanden, so würde dasselbe sicherlich nicht die Ausfechtung des Ehrenpunktes acht Jahre lang und auf solange verschoben haben, bis ein Ereigniß eintrat, das allerdings sehr bestimmt daran erinnern konnte. Allein gerade nach diesem Ereignisse liegt umsoweniger Anlaß dazu vor, die Neuenburger Frage als eine Ehrensache in den Vordergrund stellen zu sol len. Jede, andere Auffassung wäre eine Beleidigung gegen Preußen. Man erklärt, in der ncuenburger Frage sei das „monarchische Princip" verletzt, und es sei daher nothwendjg, daß die Monarchie, um ihr Princip zu süh nen und zu restauriren, die Republik mit Krieg überziehe und niederwerfe. Dem ist nicht so. Man brachte das Fürstenthum Neuenburg und den Canton Neüenburg in den nämlichen Behälter und überließ beide Wesen ihrer Natur. Wenn die republikanische Natur dabei allmälig über die mon- archische Herr wurde, so war dies Folge der Umstände, ohve daß damit ein Princip verletzt ward. Wer beide Naturen zusammenspcrrte, der mußte im voraus darauf gefaßt sein, daß die eine über die andere dereinst obsiegen werde. Also trifft Den, der eine solche Einrichtung traf, auch allein die Verantwortung. Unrecht wäre es, der Schweiz die Haftbarkeit aufbürdest, zu wollen, weil sic eine republikanische Verfassung hat. Vielmehr war das Werk von 1815 gerade deshalb, weil dies der Fall Ist, nm so gewagter. Sein endlicher Verlauf konnte umsoweniger ausbleiben, je mehr die monar chische Natur in ihrer Jsolirtheit rückwärlszvg und je lebhafter die repu blikanische Natur unter dem Einflüsse der gleichnalurigen und stammgenoß, lichen Schweiz in der 1815 beschlossenen Verbindung mit dieser vorwärts- drängte. Nur dcr Act, womit sich der Sieg der republikanischen über die monarchische Natur schließlich vollzog, war ein Unrecht, weil er thatsächlich ein Recht verletzte. Wird aber baS „monarchische Princip" in Deutschland durch nichts mehr gefährdet als durch die Abwickelung in Neuenburg, dann steht dasselbe fest und sicher. Doch kann aus dieser Abwickelung gleichwvl manche gute Lehre geschöpft werden. Man behauptet, daß die Ehre und die Würde des Deutschen Bundes es dringend erfodere, mit der Schweiz anzubinden und ihr nach allen Kräften zuleibe zu gehen. Weder die Bun desact« noch die Wiener-Schlußacte enthält eine Bestimmung, wodurch dcr Deutsche Bund ermächtigt wäre, in dem dermaligen Stadium der Neuen burger Frage gegen die Schweiz ernstlich vorzugehen und seine defensive Natur in eine offensive umzuwandeln. Auf Anrufen von Preußen kann der Deutsche Bund vorerst blos vermitteln. Die Prätcnsion hat nur dann Sinn, wenn sie den Rückbehalt birgt, daß die republikanische Schweiz aus der Karte von Europa wegzuwischen und in dcr ncuenburger Frage ein willkommener Anlaß dazu gegeben sei. Allein eine solche Operation läßt sich, abgesehen von dem Unsinn des Gedankens daran, nicht einseitig vor nehmen. Frankreich, England und Rußland haben auf den Grund der Wiener-Schlußakte auch ein Wort mitzureden, und außerdem steht die deutsche Bundesverfassung selbst unter der Garantie dieser Acte. Man kann sich daher nicht so leicht darüber hinwegsehen. Möglich, daß der Eine oder der Andere, welcher die Schweiz mit Krieg überzogen haben will, nur leine eigene Person oder seine Partei und die Restauration der alten Zustande im Auge hat. Kaum wird aber Deutschland, das in der orientalischen Frage so friedsam war, um solcher Gelüste willen in dcr ncuenburger Frage kriegsfeurig aus den Eisen schlagen mögen. Wer die Ehre und Würde von Deutschland im Auge und nebstdem Lust hat, mit dem Schwert drein- zuschlagen, der wende seine Blicke nach Schleswig-Holstein. Dort findet er Stoff und Anlaß genug, um da- Eine zu wahren und für das Andere zu hoffen! Schleswig-Holstein ist ein deutsches Bundesland und Neuen burg ein preußisches Fürflenthum. Bei dieser Lage dcr Dinge sehen wir für Preußen vorerst nur den Weg der Unterhandlungen eröffnet, um auf ihm das Recht zu suchen, daß ihm im Jahre 1848 gewaltsam genommen tvard, oder diejenige Bereinigung dcr ncuenburger Frage hcrbcizuführcn, welche die Umstände räthlich oder wünschenswerth machen. Zuvörderst wird in Betracht zu ziehen sein, daß die Großmächte, welche die Wiener-Congreßacte unterzeichneten, dann zum Londoner Protokoll vom 24. Mai 1852 mitwirtten,. in der neucnburger Frage nicht nx vsfioio auf- tretcn, sondern daß sie abwartcn, wie diese Frage von Preußen betrachtet, behandelt und an sie gebracht werde. Schon in Lieser Haltung mag Preu ßen einen Fingerzeig und eine Mahnung zu vorsichtigem Vorgehen erkennen, umsomehr noch, als die ncuenburger Frage bei der Pariser Conferenz keine warme Aufnahme fand. Steht einniul fest, daß die Mächte die Neuenbur ger Frage trotz des 5. Sept, nicht von Amtswegen oder Wiener-Cvngreß- wegen in die Hand nehmen, so ist die Vermuthung begründet, daß derjenige Standpunkt wolle eingenommen werden, welcher in der 25. Sitzung der pariser Conferenz (14. April 1856) in dem Wunsch Ausdruck fand, dgß Staaten, zwischen denen sich Zerwürfnisse entspannen, vor Ergreifung der Waffen, soviel es die Umstände erlaubten, die guten Dienste befreundeter Mächte in Anspruch nehmen möchten. Auch der Deutsche Bund eignete sich diesen Wunsch an und ist damit für die neucnburger Frage umsomehr auf den Art. 37 der Wiener-Schlußactc verwiesen. Wol werden die Mächte, wenn die Angelegenheit einmal vor sie gebracht ist, ihre gutcn Dienste nickt leisten, ohne daß sie bas Recht Preußens genau prüfen und dabei nament lich auf die Wiener. Congreßacte zurückgehen. Allein cs kommt dann wie- derum auf den GesichtSpimkt an, welchen sie für ihre Entschließungen wäh- len. Ist einmal damit, daß die Mächte nicht von Wiener-Congrcßwcgen verfahren, obige Vermuthung bestätigt, so ist cs angemessen, daran zu den ken, daß bei den Mächten Ansichten obwalten dürften, welche vielleicht mehr oder wcniger von denjenigen abweichen, die von Preußen insbesondere über den Grundsatz des fgit «ocomjili geltend gemacht werden wollen. Preußen.