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Dienstag Leipzig. Die Zeitung erscheint mit Ausnahme des Montags täglich und wird Nachmittags l Uhr auS» , gegeben. Preis für da« Vierteljahr I'/, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. —Rk. 223. —-— 23. September 18LSZ. Deutsche Allgemeine Zcknng. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Expedition in Leipzig Mucrstraßc Nr. 8). Jnsertionsgcbühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Den erhöhten Anfoderungen, die in der jetzigen Zeit an die größern politischen Blätter Deutschlands gestellt werden, sucht die Deutsche Allgemeine Zeitung in jeder Weife zu entsprechen. Sie hat zahlreiche und zuverlässige eigene Cosvefpondente« an alley Hauptpunkten Europas. Ihre Leitartikel suchen den Leser über die politischen Angelegenheiten zu unterrichten und zu gleich die Aufgabe der unabhängigen patriotischen Presse nach Kräften zu erfüllen. Den sächsische« Angelegenheiten wird in Leitartikeln und Correspondenzen große Aufmerksamkeit gewidmet. Wichtige Nachrichten, auch die Börsencurse von Lon don, Paris, Wien, Berlin rc., erhält die Zeitung durch telegraphische Depeschen. Die Interessen des Handels und der Bndnsirie finden sorgfältige Beachtung. Ein Feuilleton gibt zahlreiche Originalmittheilungen und kurze Notizen über Thea ter, Kunst, Literatur u. s. w. Die Deutsche Allgemeine Zeitung erscheint, mit Ausnahme des Montags, täglich in einem ganzen Bogen. Das viertel- jähMe^e Abonnement beträgt 1 Thlr. 15 Ngr. /Inserate finden durch die Zeitung die weiteste Verbreitung und werden mit 2 Ngr. für den Raum einer Zeile berechnet. Besiellnnge« auf das mit dem 1. Oetober beginnende neue Abonnement werden von allen Postämtern des Zn- und Auslandes, in Leipzig von der Expedition der Zeitung angenommen und baldigst erbeten. Die Möglichkeit eines Pierce'schen evup äetat. s: Paris, 19. Sept. Der letzte Steamer aus Neuyork brachte unter Ankerm die Nachricht, daß Hr. Pierce und seine Camarilla in Washing- ton nicht übel Lust haben, falls das Repräsentantenhaus sich nicht ihren Wünschen fügt, die in den Vereinigten Staaten bisher unbekannte Politik der Staatsstreichexercitien einzuführen. Indem wir diese Nachricht lasen, drängte sich uns unwillkürlich die Frage auf, ob die nordamerikanische Con- stitution in der That solche Plane denkbar erscheinen läßt und inwiefern die Mittheilungen der Washington Union damit im Zusammenhänge stehen mögen? Die Frage ist nicht etwa absurd, wie die folgende Skizze dar- thun wird. Wie bekannt, besteht die amerikanische Armee blos aus >0,000 Mann und hat keinen aiidern Zweck, als zum Schutz der Grenzen gegen die In dianer im Westen zu dienen. Die Soldaten werden für den regelmäßigen Militärdienst angeworben, zu dem sowol Eingeborene als Ausländer zulässig sind; sie werden auf sechs Jahre engagirt und haben 14 Tage Urlaub im Jahre. Der Cavalerist erhält 8, der Infanterist 6 Doll, per Monat, und die DiSciplin ist sehr streng. Desertionen werden mit einer eisernen Kugel am Kuße, Strafarbeit und Nuthenstrcichen auf dem Rücken gebüßt; in Wiederholungsfällen findet Verdoppelung der Hiebe und Fortjagung statt. Der Soldat kann höchstens bis zum Feldwebel avanciren, da die Offiziere, für die eine besondere Schule in Westpoint besteht, von der Regierung er nannt werden. Während des letzten Kriegs gegen Mexico war den frei willigen Truppen indessen gestattet worden, infolge eingetretenen Mangels sich ihre Offiziere selbst zu wählen. In FriedenSzeiten sind die Offiziere der Union-armee auf den sogenannten Military Posts stationirt, wo sie die angeworbenen Truppen einzuexerciren haben. Diese militärischen Posten, 54 an der Zahl, befinden sich an den Küsten des Mexikanischen Golfs und di« Grenzen der westlichen Staaten entlang, wo sie den kanadischen und Jndianerterritoricn gegenüber, in kleine, einsame Fort- vertheilt, die Häfen und schiffbaren Flüsse beschützen. Der Dienst in diesen Gegenden, wo nur Wildnisse, aber keine Städte und Dörfer, ja nicht einmal Häuser angelrof- fen werden, ist äußerst anstrengend; er begünstigt Desertionen, die sehr häufig Vorkommen, und hindert die Ausbildung des militärischen Geistes im euro päischen Sinne. ES wird Niemandem einfallen, in einem solchen Kriegs- körper ein taugliches Mittel zur Verletzung irgendeiner Verfassung zu er- blicken. DaS Organ deS Hrn. Pierce spricht auch von dieser Armee nicht. Sein Augenmerk ist die Miliz. Der Artikel 2 der „pi-oossäin^ in btr« »16 OonZrsZs" verordnet: „Da eine gut regulirte Miliz zu der Sicherheit eines freien Staats noth- wendig ist, so soll das Reckt des Volts, Waffen zu haben und zu tragen, nicht beschränkt werden." Auf Grundlage dieses Artikels hat sich die In stitution der Milizen in den Vereinigten Staaten in dem größten Maßstabe entwickelt. Jede Stadt besitzt ihre organisirten Regimenter, und man kann sage«, daß es keinen waffenfähigen Bürger in der Union gibt, der nicht dem einen oder andern derselben angehärte. Die Organisation dieser Mi lizen ist vollständig willkürlich, wie schon ihre äußere Erscheinung kundgibt. Man findet unter ihnen Regimenter jeder Größe und Uniform, indem es blos auf den Willen von drei oder mehr Individuen aniommt, sich als ei- nen militärischen Körper zu constituiren und was immer für eine Kleidung oder Waffe zu tragen. Wer in Neuyork an einem öffentlichen Festtage, z. B. am Geburtstage Washington'S, ansgcht, wird sihr überrascht sein, auf den Straßen und Plätzen der Stadt Franzosen, Oestcrreichern, Preu ßen, Hessen, kurz, allen Truppengattungen und Nationalitäten der Welt in ihren militärischen Costümen zu begegnen. Oft sind cs nur zehn Mann, wie die schwarzen Todtenkopfhusaren aus den Freiheitskriegen, die mit der kriegerischen Miene eines großen Regiments an uns vörüberziehcn. Wie die Organisation, so sind auch die Reglements und Waffenübungcn der Milizen willkürlich; doch hat sich in Beziehung auf erstere eine mehr ge meinsame Regel festgcstellt, während sich das Abhalten der letztern nach der Convenienz der Mitglieder richtet. Ein Oberkommando verbindet die ver- schiedenen Truppentheile nicht; sie folgen ihren Führern und bewegen sich nach dem Herkommen. Ebenso gibt es, außer innerhalb der einzelnen Ab- theilungen, keine militärische Hierarchie, so sehr die Amerikaner cs lieben, überall ihre militärischen Litel anzuhängen. So unscheinbar und klein nun diese Macht der Milizen im Frieden erscheint, so außerordentlich groß wird ihre Bedeutung ini Kriege, besonders im Bürgerkriege. Da es kein Ge setz gibt, welches ihre Verwendung und Thätigkcit ordnet, so ist dieselbe rein ihrem eigenen Ermessen und Impuls überlassen, und es wird daher nur der persönliche Geist und Drang der Umstände darüber entscheiden, ob ein Corps zu den Waffen greift oder nicht. Eine republikanischgesinnte Miliz z. B. wird einem Aufruf, nach Kansas gegen die Sklavenpartei zu ziehen, kein Gehör schenken, während die Abolitionistenfeinde im Süden sich nicht lange darum bitten lassen werden. DaS Organ des Hrn. Pierct hat mit einem solchen Aufruf bereits gedroht und ein ncuyorker Blatt ihm blos erwidert, daß er es wagen soll. ES fragt sich, ob die amerikanische Verfassung dem Präsidenten das Recht dazu gibt. Wir finden in der Constitution der Vereinigten Staaten einen Passus, welcher die Frage wenigstens zweifelhaft läßt. Am Schlüsse der Section >0, Artikel 1 der Verfassung heißt es: „Kein Staat soll ohne Einwilligung deS Congreffes ... in Friedcnszeit Truppen oder Kriegsschiffe halten, irgendein Verständniß oder Abkommen mit einem andern Staat oder mit einer frem den Macht treffen oder Krieg beginnen, außer wenn er wirklich überfallen oder die Gefahr so drohend ist, daß sie keinen Aufschub gestattet." Ohne diesen Worten eine gezwungene Auslegung zu geben, sagen sie bestimmt zweierlei: 1) daß Einzelstaaten in Ausnahmefällen Verbindungen zu mili- tärischen Zwecken eingchrn können, und 2) daß diese Ausnahmen darin be stehen, daß ein wirklicher Ueberfall oder eine drohende Gefahr vorhanden ist. Es ist nicht gesagt, daß der Ueberfall oder die Gefahr von einer aus wärtigen Macht herrühren muß, und es ist zugleich ausgcdrückt, daß dcr angegriffene Staat sich mit einer fremden Macht verbinden darf. Man braucht nicht viel Scharfsinn, um die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen auf die gegenwärtige Lage von KansaS cinzuschen. Dcr Ueberfall dieses Staats hat nicht einmal, sondern mehrmals staltgefunden, und die Gefahr, in der sich Leben und Eigcnthum dcr Einwohner befinden, kann kaum grö- ßer sein. Das Recht, ja die Pflicht der Behörden, in dem von dem Ar tikel bezeichneten Wege vorzugehcn, ist also gegeben. Freilich besteht im Augenblick keine geordnete Gewalt in dem Staat; aber eben dieser Mangel fodert die präsidentielle Parteinahme und Autorität heraus. Hr. Pierce hat fortwährend gegen die Bildung einer republikanischen Majorität durch ad- ministrative Gewaltmaßregeln inlriguirt; die Scala derselben ist jetzt erschöpft, und da er bisher nicht zur Verantwortung gezogen worden ist, so dürfte ihm der letzte noch übriggeblicbene Schritt nicht gewagt scheinen. Der Se nat steht in allrn Fällen mit ihm, das Repräsentantenhaus verfügt nur über sechs Stimmen Majorität, und die Verfassung hat diesen Fall nicht vorgesehen. Dem willkürlichsten Act läßt sich ein legales Kleid anzichcn, und die Blätter bringen täglich Aufrufe für Kansas. Sollte, was jedem Bürger der Union erlaubt ist, dem Präsidenten allein verboten sein? Un möglich. Und was läßt sich nicht im Namen der Ordnung, dcr Rettung der Union tc. entschuldigen, falls wirklich Ungesetzlichkeiten Vorkommen? Wenn Pierce wirklich den Muth hat, die Milizen dcS «übens aufzurufen,