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DRESDNER PHILHARMONIE Freitag, den 11. April 1975, 20.00 Uhr Sonnabend, den 12. April 1975, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 7. KONZERT IM ANRECHT C UND 7. ZYKLUS-KONZERT BRUCKNER-ZYKLUS Dirigent: Hartmut Haenchen Solist: Herbert Collum, Dresden, Orgel Fidelio F. Finke Toccata und Fuge für Orgel 1891-1968 Herbert Collum Konzert für Orgel und Orchester (1975) geb. 1914 Grave — Allegro Allegretto grazioso Andante cantabile Largo (hymnisch) Vivace — Fugato Auftragswerk der Dresdner Philharmonie Uraufführung PAUSE Anton Bruckner Sinfonie Nr. 2 c-Moll 1824-1896 Ziemlich schnell Adagio (Feierlich, etwas bewegt) Scherzo (Schnell) Finale (Mehr schnell) Das Konzert am 11. April 1975 wird von Radio DDR II, Sender Dresden, mitgeschnitten. ZUR EINFÜHRUNG Herbert Collum Fidelio F. Finkes Wirken ist gerade in Dresden, wo er, einer der pro minentesten Komponisten der Deutschen Demokratischen Republik, seit 1945 bis zu seinem Tode im Jahre 1968 lebte, unvergessen. Seine Orchesterwerke, Klavierkonzerte, Kantaten, Lieder und Kammermusikschöpfungen sind den Besuchern der Dresdner Philharmonie von vielen Aufführungen her vertraut. Doch kaum bekannt ist, daß Finke, der einstige Schüler Vitezslav Noväks am Prager Konservatorium, in seiner Prager Zeit, Ende der 20er Jahre, eine Reihe gehaltvoller Orgelwerke geschaffen hat, mit denen er - nach einer vorausge gangenen expressionistischen Schaffensphase - eine Wendung zum sogenann ten „Neobarock", zu vorklassischen Ausdrucksformen, zu einer linear betonten Schreibweise vollzog. Zu dieser Werkgruppe gehört die unser heutiges Konzert einleitende Toccata und Fuge, die im April 1928 von dem Straube- Schüler Kurt Utz an der Orgel des Prager Smetana-Saales uraufgeführt wurde. Die Komposition zeugt von Finkes Bestreben, über das Regersche Stilmuster hinausgehend die zur Entstehungszeit gültigen Prinzipien der musikalischen Produktion auf den Orgelstil zu übertragen. Die Toccata fließt - bei strenger Dreistimmigkeit des Satzes - in kraftvollen Linien dahin und hinterläßt einen vorwärtsstürmenden Eindruck. Die anschließende kunstvolle fünfstimmige Fuge beginnt mit dem Einsatz des Themas im Pedal. Es ist eine schlichte lydische Viertonreihe, eine Folge aufsteigender Sekunden von der Prim zur übermäßigen Quart. Der Fugenverlauf, im tonalen Bereich höchst freizügig und an innerer und äußerer Bewegtheit durch Einführung von Achtel-Gegenstimmen immer mehr zunehmend, bringt alle denkbaren kontrapunktischen Satzkünste zum Einsatz und gipfelt in überwältigender Fünfstimmigkeit. Finkes Toccata und Fuge ist eine seiner bedeutendsten polyphonen Schöpfungen, die er uns hinter lassen hat. Herbert Collum, als schöpferischer wie als nachschöpferischer Musiker einer der namhaftesten Vertreter des gegenwärtigen Dresdner Musiklebens, wurde 1914 in Leipzig geboren. Er studierte von 1930 bis 1934 an der Musik hochschule seiner Heimatstadt (u. a. Orgel bei Karl Straube und Günther Ramin, Klavier bei C. A. Martienssen und Komposition bei Johann Nepomuk David) und bekleidete schon während des Studiums vertretungsweise kirchen musikalische Ämter. Seit dem 1. April 1935, also seit nunmehr 40 Jahren, wirkt er als Organist an der Dresdner Kreuzkirche. Im Herbst des gleichen Jahres wurden die Dresdner Collum-Konzerte ins Leben gerufen, in deren Rahmen er solistisch und kammermusikalisch als Organist, Cembalist, Pianist und Diri gent hervortritt. Der 1960 mit dem Professoren-Titel ausgezeichnete Künstler lehrte 1956 bis 1958 auch Orgelspiel an der Dresdner Musikhochschule und leitet dort seit 1964 eine Cembalo-Klasse. Der Internationale Bach-Wettbewerb Leipzig berief ihn seit 1964 in die Jury. Konzertreisen führten den Organisten, vielfach auch als Interpreten eigener Werke, in viele Länder Europas. Er machte zahlreiche Schallplatten- und Rundfunkaufnahmen, u. a. auf Silbermann-Orgeln. Umfangreich und vielseitig ist das aus lebendiger Musizierpraxis hervorge wachsene kompositorische Werk Herbert Collums. Es umfaßt Orchesterwerke (u. a. zwei Sinfonien, mehrere Konzerte für Orchester, Flöten-, Violin-, Klavier- und Cembalokonzerte), Kammermusik, Orgelmusik, Vokalwerke (u. a. Te Deum, Deutsches Magnificat, Symphonischer Gesang „Wie liegt die Stadt so wüst", Johannes-Passion, Fantasie über B—A—C—H nach J. Bobrowski, Lieder, geist liche Konzerte). Erwähnenswert ist ferner seine stilvolle Einrichtung von Bachs „Kunst der Fuge" für Kammerorchester. Das heute zur Uraufführung gelangende fünfsätzige Konzert für Orgel und Orchester, das gleichsam als nachträglicher Gruß zum 60. Geburtstag des Komponisten und Interpreten erklingt, entstand in den ersten Monaten des