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II. September I8S« Nr. 213 Donnerstag ! o «Wahrheit und Recht, Freiheit und Besch I» Thatsächliche ihrer Entwickelung seit 1848 zusammengefaßt zu sehen, wird Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Erpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Preis für das Vierteljahr l'/. Thlr^.jede Meln- Nummer 2 Rgr. JnsertionSgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. WM Deutsche MMm Zcitmg Neuenburg. ^ Leipzig, iss.. Der Putsch von Neuenburg, welcher gm 3. Sept. Lss,MqsistW«'. Partei füs„ sieden Stunden zur Herrschaft brachte, wird qflerhingS^in, her^^ politischen Chronik kein« große Rolle spielen. Wie M,AloMmpmttüer ist er bereits wieder verlöscht, und D.tMgen , welche r^cht eigentlzch das Pulver inS Licht bliesen,, werden schsverlich für die Strafe, erreichbar sein. Graf Friedrich PourtaleS und Ökerstlieütenayt,. M^euron waren unser der Proklamation unterzeichnet, welche.eine, pk^ Regierung erließ, die sich im Dunkel der Nacht eingesetzt ,HM und . nicht eninigl den Vormittag ihres Siegs überdauerte. Hwei' MMN.Pogx'üD «nh ein Preuße Wickhlen(?) hefanden sich unter Len Tödsen"und welche als Opfer des Aufstandes fielen, als in der MorgenyMdx du . verfassungstreue Bevölkerung der Bergbezirke Lfirch ErstMNM des. vop pe» Royalisten überrumpelten Schlosses die Em- P.ör«MIendM^ Pie Bevölkerung derStadt Neuenöurg selbst scheint sich volltögWen, inKssessnt verhM haben; sie erfuhr es erst, am Morgen, Laß Nachts ein Haufe eingedruWn war, mchre Mitglieder des StaatS- racho , verhässei',, d/e oben genannten.provisorischen,Regentm eingesetzt und Lie preußische,Fgßne,anstatt des eidgenössischen Kreuzes aufgepflanzl hatte, So, unhesonnkN und kopflos auch der ga^ze Streich, «scheint,»so deu- ten doch die nähern Umstände darauf hin, daß seine Ausführung wohlorga- nisirt und von langer Hand angelegt war. Woher sonst plötzlich ein be waffnetes Corps von 300 Mann, welches geordnet in den Platz schleicht, sofort die obersten Leiter des bestehenden Regiments aufgreift und die Pro- «lamätionen des kurzen Provisoriums verbreitet? Woher sonst die mehrfache Zerstörung der Telegraphenleitung in der Richtung nach Bern, wodurch die Benachrichtigung des Bundesraths vom Handstreich verhindert werden sollte und wirklich verzögert wurde? Ehe seine Commissare Fornerod und Frey auf dezn Schauplatz ankommen konnten, war freilich Alles vorüber. Die vi« Bataillone berner ^Nd wagdtlänhische Truppen unter Oberst Bourgeois, welche eben, dorthin beordert sind, werden vielleicht schon auf dem Marsch Contreorhre «halten hgben oder doch zum Theil, weil gar nicht nöthig, -entlassen w«hen. Denn, Alles spricht, übereinstimmend dafür, daß der so- gepaynte, royalistische Wj> in Wahrheit empörerische Haufe in der Bevölke rung deß 21- CanMS per Eidgenossenschaft nicht den geringsten Anhang hat, Immerhin bleibt aber der Vorfall als solcher, so vorübergehend er auch sein mag, ein interessantes Moment „Je, weniger ein yernünftigerMensch qn die Möglichkeit eines so wahn sinnigen Unternehmens im gegenwärtigen Moment, denken konnte, desto glaub- Hafter ist die Entrüstung der ganzen Schweiz Über die Thatsache. Fast gleich zeitig mit dem Vorfall selbst rief sie der Telegraph auch nach Deutschland cherizbex.,. Allerdings war die Schroffheit der neuenburger Parteigegensähe fortwährend erbittert genug geblieben,,um bei irgendeiner besonder« Veran lassung wyl auch in einen Waffenkampf übergehen zu können. Doch lag «ine solche besondere Veranlassung gegenwärtig durchaus nicht vor; die bun- deötrepen Republikaner befanden sich in allseitig anerkanntem Besitz der Herr- schgst und deS HerrschqftSre,chts,..dcn Royalisten ward djc Bethäligung ihrer Sympathien, durch Wallfahrten nach Berlin,, FreundschaftSadreffen rc. nicht im geringsten „erschwert.,' Dit sogenannte neuenburger Frage ruhte vollkom men, dse ,mn«n Verhältnisse, des Cantons und seiner Beziehungen zur Eid- gepossepschaft gingen-seit Jahren ihre« geregelten Gang, Was war daher nqtürlicher., qsS . daß dze . schweizer. Entrüstung über den plötzlichen, dennoch so gut organisirten.Friedensbruch, dessen nächsten Anstoß und seine Vorbe- rejtWLtn außerhalb der schweizer/Grenzen suchte? Derjenigen Partei aber, welche.seit 18,49 keine einzige Gelegenheit Vorbeigehen ließ, um Preußens Staatsmänner zu sipem gewaltsamen Schritt gegen die Schweiz in der neuenburger. Angelegenheit herausjufodcrn, ihr ist es zu danken, wenn jetzt die erste,.leidenschaftliche/Aufregung, wie es geschieht, den Webstuhl der zer- riffepenMonspirMonSfähen in Berlin finden zu können glaubt. Man liest bereits, daß im setzten Vierteljahre, ein besonders häufiger Verkehr zwischen dM und Net»enburg, stattgefunden haben soll. Auf die Anwesenheit bekann- ter Mssgsseb« preußischen Partei in der Schweiz wird argÄMiA an^deutet.^ preußischen Verhältnisse kennt, der wird, sk'n^'n Mirn Leben die Macht einer klei- EWt« lk.nspMet., nsfmats einm. Gedanken, daran haben daß «iy sol- chelt Beginncn selbst nur die leisme moralische Gutheißung außerhalb des enasn CirkesS einiges Etourdis der Partei' finden könne- Ja selbst die Partei ist.ihren Organen jede V«.thtspigung heS piiSlun- genm Handstreichs^ abweisen, wenn auch ihr christlich-covservatives Mitleid, den vorgeschobenen Empörern alle erdenklichen Entschuldigungen unterbreitet. Protz alledem wird die neuenburger Streitfrage für einige Zeit ein TheM der journalistischen Discusstön bilden. Mit wenigen Worten daS deshalb nicht ohne Interesse sein. Bekanntlich trat vor 1848 der Wider- stand Neuenburgs gegen die eidgenössische Organisation und seine Verpstich- tungen dafür bei der SonderbundSangelegenheit am entschiedensten hervor. Hatte cs —der durchaus reformirte Canton — auf brr Lagsatzung stets Partei für den Sonderbund genommen, so verweigerte eS jetzt die Stellung seines Bundescontingenls, nachdem dir Tagsatzung die militärische Exemtion gegen den Sondcrbund beschlossen hatte; wie denn auch sein Abgeordneter mit den sonderhündischen die Tagsatzung unter Protest gegen deren Beschluß verließ (29- Oct, 1847). In einem Erlaß vom 19. Nov. billigte der Kö nig von Preußen vollständig den Beschluß Neuenburgs, sich neutral zu ver halten. Am 26. Nov. übergab der preußische Gesandte v. Sydow den Er laß dem Vorort Bern und kündigte zugleich an, daß der König seine Stadt Neuenburg zur AHaltung einer Cönferenz zum Zweck der Schlichtung d« schweizer Wirren durch preußische, französische und österreichische Bevollmäch tigte vorgeschlagen habe; die kirchlichen Differenzen sollten der päpstlichen Entscheidung anhrimgestellt bleiben. In der zweiten Häfte des November, theilweise «och vor Uebergabe dieser preußischen Erklärung in Bern, hatten sich die Sonderbundscanton« der bewaffneten Bundesmacht ergeben. Mit Entschiedenheit betonte nun die schweizer Antwortnote an/den preußischen Gesandten (vom 2. Dec. 1847), daß Neuenburg mit Preußen« Zustimmung im Jahre 1815 nur unter der Bedingung unter die/ schweizer Cantone und in die Eidgenossenschaft aus genommen worden sei, daß cs „alle Pflichten eines schweizer Cantons er fülle" (Uebercinkunft vom 9. April und 15. Mai 1815, Art. 1). Nach der BupdeSacte vom 7. Aug. 1815 und nach unbestrittenem Brauch sei die Tagsahung allein kompetent, die Frage zu entscheiden, ob ein Canton seine Bundesverpflichtungen erfülle, und sie habe, wenn die- nicht geschehe, „das Recht, allo Maßregeln zu treffen, welche nothwendig, um den Rechten und dcr Autorität der Eidgenossenschaft Ansehen zu verschaffen". Dieses Recht und diese Pflicht schließe, wenn sie danach zu verfahren genöthigt fci, jede Präsumtion einer beleidigenden und feindlichen Absicht aus, weshalb die Tagsatzung eine solche Auslegung, wie sie die preußische Note enthalte, zu rückweisen müsse. Was die Vermittelung der Großmächte und die beab sichtigte Cönferenz in Neuenburg betreffe, so habe di« Schweiz bereits selbst die SonderbundSangelegenheit geordnet. „Abgesehen davon, muß die Eid genossenschaft ihr Recht zur vollständigen Regelung ihrer Angelegenheiten wahren, und dies umsomehr, als es sich in der vorliegenden Frage weder um Verwickelungen mit andern Staaten, noch um einen Krieg zwischen ein- zelnen Cantonen, sondern um die Anwendung der Bundesgewalt gegen re nitente Bundcsgliedcr handelt." - , Soviel bekannt, erfolgte darauf preußischerscits keine Erwiderung. Die Tagsahung verurlheiltc Neuenburg wegen Verweigerung seines Contingenls zu einer Strafe von 300,000 Fr. Der dortige StaatSrath erkannte die volle Autorität der Tagsahung an und bezahlte Lie Auflage. Trotzdem war die erwähnte Commission der Großmächte schon in Neuenburg versammelt, als die Februarrevolution ausbrach und der Kongreß auSeinandereilte. , Neuenburg halte nun seil frühester Zeil das Recht geübt, seine Rc- genten zu wählen lind seine Regierungsform zu bestimmen. Eine Wahl hatte auch formell dem König Friedrich I. von Prcußcn Neuenburg gege ben. Friedrich Wilhelm UI. hatte aber das Fürstenthum an Napoleon ab getreten und durch einen besonder» Erlaß den Neuenburgern die Vortheile dieser Veränderung dargelegt. Als diese Erklärung am 9. März 1805 im Staatsrathe verlesen worden war, erließ dieser — unter den damaligen Ver hältnissen ganz natürlich—cin Unterwcrfungsschreibcn an Napoleon, bc- zeigte aber zugleich dem König von Preußen den Schmerz, welchen in der Bevölkerung die Trennung von Preußen hervorgerufcn habe. Er fügte sich also blos der Gewalt. Als 1814 Preußen das Fürstrnthum wieder über nahm, traten natürlich die alten Rechtsverhältnisse wieder rin. Und in meh ren StaatSschriften damaliger Zeit wurde besonders darauf hingewiesm, daß Neuenburg wenigstens negativ seine Zustimmung zu dem neuen Negcntcn- wechsel gegeben, indem es keinen Protest dagegen erhoben habe. So komisch sich dies« Frage bei den faetischcn Machtverhältnissen jener Zeit und Umstände auSnimmt, so ist-sie Loch nicht unberührt zu lassen^ Denn einerseits wurde sich nach der LoSt«nmi»g vow Prrußrn im Jahre r 1848 > darauf berufen, daß bei den beiden,letzten Regentenwcchstln Lie Richtübung deS Wahlrechts, durch die Nrurnbuxgrr daS Recht selbst antiqnirt habe, an» dererseit- darauf,/daß eben die Uebermacht, -welche in'beiden Fällen, ohne die Neuenburger zu fragen, eine Regentschaft herg«stellt habe, kein neu«« RcchtSverhältniß haße begründen, können, Nach dieser letzt«» Theorie ward angenommen,, büß, da Preußen da- Fürstenchum abgetreten habe und Na>- polcon'S Herrschaft nicht wehr existir«, Neuenburg, trotz der faktischen Wie-« derübernahme der Herrschaft durch Preußen, noch immer das Recht habe