Volltext Seite (XML)
DRESDNER PHILHARMONlt Sonnabend, den 25. Januar 1975, 20.00 Uhr Sonntag, den 26. Januar 1975, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 4 Z Y K L U S - K O N Z E R T und 5. KONZERT IM ANRECHT C BRUCKNER-ZYKLUS Dirigent: Günther Herbig Solist: Takahiro Sonoda, Japan, Klavier Ludwig van Beethoven 1770-1827 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G-Dur op. ->8 Allegro moderato Andante con moto Rondo (Vivace) PAUSE Anton Bruckner 1824-1896 Sinfonie Nr. 9 d-Moll Feierlich, Misterioso Scherzo (Bewegt, lebhaft) Adagio (Langsam, feierlich) TAKAHIRO SONODA, der 1930 geborene japanische Pianist, gehört zu den bedeutendsten Vertretern seines Faches in unserer Zeit. Als neunjähriges Wunderkind, das vom Vater - einem Schüler von Robert Casadesus - sorgfältig pianistisch vorbereitet worden war, erweckte er das Interesse Leonid Kreutzers, der ihn in Tokio fortan unterrichtete. Später übernahmen der Busoni-Schüler Leo Sirota, Marguerite Long in Paris und schließlich Helmut Roloff in Berlin die weitere Ausbildung. Herbert von Karajan konzertierte mit Sonoda in Tokio und forderte ihn auf, nach Europa zu kommen. Nach einem denkwürdigen Debüt in Paris begann ein künstlerischer Triumphzug durch alle europäischen Länder, dem sich ähnliche Erfolge in den USA anschlossen. Der Künstler lebt abwechselnd in seiner Heimat und in Europa. Er musi zierte mit den prominentesten Orchestern und Dirigenten der Welt und war auch in der DDK schon wiederholt zu Gast. ZUR EINFÜHRUNG Wie Ludwig van Beethoven in der Reihe seiner Sinfonien zwischen Werken kraftvoll-männlichen und anderen mehr lyrisch-weiblichen Charakters abwechselte, steht auch sein 4. Klavierkonzert G-Dur op. 58 ein wenig träumerisch zwischen dem heroischen c-Moll und dem grandiosen Es-Dur- Konzert. Erstmalig aufgeführt wurde dieses Werk, von Beethoven selbst gespieit, im März 1807 bei einer seiner Akademien im Palais Lobkowitz in Wien. Der be kannte Liederkomponist und Musikschriftsteller Johann Friedrich Reiichardt, der das Konzert bei einer Wiederholung im Dezember des folgenden Jahres zusam men mit zahlreichen anderen Kompositionen Beethovens hörte, berichtete dar über: „Das achte Stück war ein neues Pianofortekonzert von ungeheurer Schwie rigkeit, welches Beethoven zum Erstaunen brav in den allerschnellsten Tempis ausführte. Das Adagio, ein Meistersatz von schönem durchgeführten Gesang, sang er wahrhaft auf seinem Instrumente mit tiefem melancholischen Gefühl, das auch mich dabei durchströmte.'' In der Tat ist im G-Dur-Konzert die Form des Solokonzertes mit Orchester in ganz idealer Weise gemeistert. Der Solist, dessen virtuos-pianistische Forderungen nie außer acht gelassen, aber geistvoll als organischer Bestandteil des Werkes ein gesetzt werden, und das Orchester sind hier durchaus selbständige und doch motivisch-thematisch aufs genialste miteinander verknüpfte Partner. Sie dienen gemeinsam der sinfonischen Idee, die die drei kontrastierenden Sätze des Werkes zu einer entwicklungsmäßigen Einheit verbindet, so daß man hier, wie auch beirr. Es-Dur-Konzert, mit vollem Recht von einer „Klaviersinfonie'' sprechen kann. Als Kernstück des Konzertes, in dessen Grundhaltung die lyrisch-idyllischen Züge dominieren, ist der dialogisierende Mittelsatz mit seinem poetischen Gegenspiel von Klavier und Orchester anzusehen. Der erste Satz (Allegro moderato) bringt zu Beginn, solistisch vorgetragen, das zarte, weiche G-Dur-Hauptthema, dessen motivische Beziehung zu dem berühm ten „Schicksalsmotiv" der 5. Sinfonie häufig aufgezeigt wurde. Auf der Domi nante endend, erfährt das Thema durch einen plötzlichen Wechsel nach H-Dur eine neue Beleuchtung. Nach einer Weiterentwicklung im Tutti erklingt zuerst in den Violinen das stolze, signalartige zweite Thema. Mit diesen Hauptgedanken, die jedoch durch mannigfache neue Seitengedanken bereichert, vom Klavier in ausdrucksvollen Akkordfigurationen umspielt und immer wieder abgewandelt werden, entsteht nun ein wundervolles, von größtem Empfindungsreichtum zeu gendes Zusammenwirken von Soloinstrument und Orchester, das nach der großen Kadenz rauschend schwungvoll beendet wird. Höchste poetische Wirkungen erreicht der ergreifende langsame Satz (Andante con moto), der die Romantiker verständlicherweise ganz besonders begeisterte. Einer Überlieferung zufolge soll er von der Orpheussage inspiriert sein und aie Bezwingung der finsteren Mächte der Unterwelt durch die Macht seelenvollen Gesanges zum Inhalt haben. In leidenschaftlichem Dialog zwischen Klavier und Orchester erfolgt, charakterisiert durch zwei äußerst gegensätzliche Themen, ein düster-drohendes und ein innig-flehendes, diese entscheidende Auseinanderset zung zweier Prinzipien. Der sich unmittelbar anschließende Schlußsatz, ein Rondo, zeigt danach nun in seiner Gestaltung stürmische Lebensfreude, heitere Glücks empfindungen. Phantasievolle Kombinationen des tänzerischen Rondo-Themas und eines lyrischen, schwärmerischen Seitenthemas münden in einen glanzvollen Abschluß des Konzertes. Am 18. Februar 1891 hatte Anton Bruckner dem Wiener Musikschrift steller Theodor Heim als „Geheimnis" mitgeteilt, daß die 9. Sinfonie be gonnen sei. Die ersten Entwürfe gehen allerdings bis auf den Sommer 1887 zurück. Immer wieder von Krankheit heimgesucht, arbeitete Bruckner viele Janre an dem Werk. „Ich habe", sagte er einmal, „auf Erden meine Schuldigkeit ge tan; ich tat, was ich konnte, und nur eines möchte ich mir noch wünschen: wäre