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1180 — Berliner Blätter bemerken zu der gestrigen Nachricht des Correspon- denz-Bureau über eine Wiederauftauchung des in den dreißiger Jahren viel, genannten Uhrmachers Naundorf, der sich für den Sohn Ludwig's XVI. ansgab und sich „Herzog der Normandie" nannte: „Wenn diese Nachricht begründet ist, so scheint eine Verwechselung der Person vorzuliegen. Naun dorf lebte nämlich bevor er nach Krossen zog, in Brandenburg a. d. H. als Uhrmacher, war hier wegen Einäscherung des Schauspielhauses in Unter suchung, ward als Falschmünzer verurtheilt, verheirathcte sich mit der Toch ter des dortigen Gefangenwärters und die Familie hat seinerzeit die be stimmtesten Nachrichten von seinem Tode erhalten." Baiern. Allstsburg. Die Allgemeine Zeitung enthält Folgendes: „Eine allerhöchste Entschließung, des Inhalts, wie solcher in einem mün- chener Correspondcnzartikel vom 10. Juni in der gestrigen Nummer derAll- Hemeinen Zeitung angegeben wird, und wonach cs den Anschein hätte, als sei das Gesuch um Concessionirung der projeclirten bairischen Creditanstalt in Augsburg allerhöchsten OrtS definitiv abschlägig beschieden, ist bis zur Stunde dem Bevollmächtigten der Gründer weder in officieller noch in ver- traulicher Weise kundgegeben worden. Sichcrm Vernehmen nach soll jedoch die Sache dermalen vertagt sein." Hannover. Celle, 9. Juni. Vorgestern fand vor dem Criminal- cassationssenat des Oberappellationsgerichts die Verhandlung über die von der Staatsanwaltschaft erhobene Nichtigkeitsbeschwerde in der Planck'schen Untersuchungssache statt. Der Senat hat die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen; Planck und Genossen sind somit endgültig freigesprochen. — Aus Hannover vom 10. Juni schreibt man dem Hamburgischen Cor- respondenten: „In den Kreisen der Angestellten beschäftigt man sich in die sem Augenblick lebhaft mit einer in den nächsten Tagen zu erwartenden Verfügung des Gesammtministeriums an sämmtliche Oberbchörden, wodurch ledere angewiesen sein sollen, bei Besetzung von Dienststellen in den gcsammten Branchen des subalternen Staatsdienstes ganz vorzugsweise Mi litärs, namentlich Unteroffiziere, zu berücksichtigen. Bevor diese Verfügung vor Augen liegt, wird sich nicht wohl beurtheilen lassen, ob dieselbe eine bloße Erinnerung an die zu gleichem Zweck bereits früher erlassenen Vor schriften oder, wie gegenwärtig befürchtet zu werden scheint, eine bedeutende Erweiterung der Ansprüche der Militärs auf Civilstcllen, etwa nach dem Vorbilde in Preußen, in sich schließt. Bei den in dieser Hinsicht gemach- teil Erfahrungen ist letztere Annahme nicht wahrscheinlich. Soweit unsere Beobachtung reicht, ist die Grenze ziemlich erreicht, wo die Zulassung der Unteroffiziere im Civildienst mit Nutzen geschehen kann." Baden. xVom Neckar, 10. Juni. Die ultramontane Agi tation reitet wieder ihre Sturmrosse. Das war allerdings nach dem Ab schlusse des österreichischen Concordats bei der ersten Gelegenheit in der Ober rheinischen Kirchenprovinz zu erwarten. Verwunderlich muß es dagegen er- . scheinen, daß die augsburger Allgemeine Zeitung, welche soeben die klerika len Uebergriffe in Oesterreich mit dankenswerthcr Tapferkeit züchtigte, nun mehr unter den Blättern, die der Partei nicht unmittelbar angehören, am bereitwilligsten ihre Spalten solchem Treiben öffnet. Soll etwa durch das Verhalten gegen die hierarchischen Absichten in den kleinen Staaten eine Indemnität vom österreichischen Ultramontanismus erlangt werden? So fragt man sich. Denn anders sind in der That die Correspondcnzen aus Karlsruhe kaum zu erklären, welche dort den Wechsel im Ministerium des Aeußern, die bevorstehende Abreise des Staatsraths Brunner nach Nom rc. in ihrer Weise illustriren. Zunächst wurde die Sachlage dadurch ver wirrt, daß man die Besetzung des Ministerpostens für die auswärtigen An- gelegenheiten durch Hrn. v. Meysenbug wie einen Systemwechsel in Bezug auf die Behandlung der Kirchenfrage behandelte, während diese doch Sache des Ministeriums des Innern ist und die Verleihung des zähringen Groß kreuzes an Hrn. v. Wechmar genugsam bewiesen hat, daß dessen Amtsfüh rung in jeder Hinsicht die höchste Anerkennung gefunden hat. Zugleich sprechen jene Briefe zuerst die Hoffnung aus, daß der katholischen Kirche nunmehr bei uns die ihr in Preußen eingeräumte Freiheit werde verliehen werden. Eine reine Redensart, welche nur auf nachfolgende Hoffnungen hinführen sollte, da in Baden die katholische Kirche schon längst die dort seit 1848 cingeräumte Bewegungsfreiheit besitzt. Des Pudels Kern fand sich auch erst im folgenden Briefe, nämlich die Foderung nach einem Con- cordat ü I'^utrioko. Und Hrn. Brunner wird auf seine Reise die Hoff nung mitgegeben, daß er in Rom die rückhaltlose Unterordnung des Staats unter die Bullen provicku solorsquv und Xä vominioi g> oZis oustoäium dem Papst zu Füßen legen werde. Da man vom großen Zeitungspubli- cum nicht erwarten kann, daß es die Bedeutung dieser Bullen kenne, ist cs wol nicht ohne Interesse, sie hier zu bezeichnen. Die erste Bulle, ?or- vicka 8olor8quo, ist vom 16. Aug. 1821 datirt und summirte nach hierarchischer Auslegung die Verhandlungen der Grundsätze über die Bil dung der Oberrheinischen Kirchenprovinz, welche seit 1819 bis dahin ge pflogen worden waren. Die Bulle ^ci vominioi großi8 vu8tockiam datirt vom 11. April 1827 und enthält die angeblich vereinbarten Bestimmungen. Aber obgleich 1827 die Errichtung des Erzbisthums Freiburg zustande ge kommen und demselben sämmtliche katholische Pfarreien Badens zugelhcilt waren, so hatte doch eine Vereinbarung über die Ausübung der bischöfli- chen Dwcesangewalt sowol dem römischen Stuhl als den oberrheinischen Siaatcn gegenüber nicht stattgesunden. Namentlich wurden die in der Bulle ^ck vominioi ZroAi8 oustockiam in den Artikeln 1 — 4 ausgestellten allge meinen und principiellcn Sätze über die bischöfliche Diöcesan- und Metro- politangewalt, die innere Einrichtung des bischöflichen Seminar-, den Ver kehr mit Rom re. weder jemals von den vereinigten Negierungen angenom men, noch von den Souveränen sanctionirt. In einem später« Noten wechsel mit Rom würde sogar die Unzulässigkeit dieser Bestimmungen noch mals ^präcistrt und beide Bullen wurden ausdrücklich bloS insofern mit der Staatsgenehmigung versehen, „insoweit sie die Bildung der Oberrhei nischen Kirchenprovinz re. zum Gegenstand habe»", ohne daß jedoch auS denselben „auf irgendeine Weise etwas abgeleitet werden könne, was den landesherrlichen Hoheitsrechten Eintrag thun könne". Als nun Papst Pius VIII. alle i»H>einer darauf fußenden Verordnung aufgestellten Grund sätze verwarf (Breve vom 30. Juli 1830), trat sogar der Fall ein, daß die Bischöfe selbst den Papst darüber beruhigten. Und dem Eide, welchen der jetzige Erzbischof (am 26. März 1843) bei seiner Inthronisation dem Papst leistete, fügte er hinzu: „Alles Die- werde ich um so unverbrüchlicher halten, je gewisser ich bin, d<E hierin nichts enthalten ist, was meinem Eide der schuldigen Treue gegen^Se. königl. Hoh. den Großherzog Leopold und seinen Thronnachfolgcr entgegen sein könnte." Nach dieser kurzen Dar legung bedarf es keiner fernem Erläuterung, was man mit der Hoffnung, daß jene Bullen „eine Wahrheit werden", dem Staate zumuthet. Mögen die Parteifedern immerhin ihren Grimm in TiNke verspritzen; er wird für den ehrlichen Mann die Consequenz der badischen Politik in der Bischofs frage nicht beschmuzen können. Großherzogthum Hessen. Darmstadt, 10. Juni. Im verflos- senen Monat hat uns Hauptmann Weber, ehemaliger Vorstand der Seezeugmeisterei für die Nordseeküste und Commandant des Marinietcokps der vormaligen deutschen Bundesmarine, welcher seit Auflösung der deut schen Flotte hier in seiner Vaterstadt lebte, verlassen, um eine ebenso ehren volle als vortheilhaftc Anstellung als Administrator des Oesterreichischen Lloyd zu Triest anzutrcten. Hr. Ludwig Weber war früher griechischer Jngenieuroffizier, bis alle Deutsche jenen Dienst verlassen mußte»; später erhielt er die erwähnte Stelle bei der deutschen Marine in Bremerhaven, die leider wieder durch den Untergang dieses zur Freude aller guten Deut schen geschaffenen Nationalwerks nur eine vorübergehende sein sollte. Beide Posten waren aber in Kenntniß des Orients und des Marinewesens eine gute Vorschule für seine jetzige wichtige Stelle. Auch gibt die 1855 beim Bunde eingereichte, sehr gut geschriebene, als Manuskript gedruckte „Denk schrift über die Rechtsansprüche der mit Patent ohne Vorbehalt angestell ten Offiziere und Beamten der vormaligen deutschen Bundcsmarine, auf Grund der Acten bearbeitet vom Hauptmann L. Weber re.", welche zu gleich interessante Mitthcilungen über die ehemalige deutsche Flotte enthält, Zeugniß von der Tüchtigkeit des Verfassers. Seine Verdienste wurden auch schon durch verschiedene Regierungen anerkannt und geehrt, wie durch Ertheilung des griechischen Militärdenkzcichens, des oldenburgischen Hausor dens, des großherzoglich hessischen Philippsordcns, des hannoverschen Gucl- phcnordenS rc. (Frkf. I.) Thüringische Staaten. **Altenburg, 11. Juni. Wenn wir vor einiger Zeit von der Absicht unserer Staatsregierung berichteten, mehre, jetzt seit längerer oder kürzerer Zeit erledigte höhere und einflußreiche Beam tenstellen durch Ausländer zu besetzen, so ist jetzt schon seit langem gar keine Kunde vom Stand der Sache ins Publicum gedrungen, ja es verlautet sogar, es wäre diese Absicht nach mehren fruchtlosen Versuchen nunmehr definitiv aufgcgebeb. Die allgemeine Stimme würde dies nur mit Dank anerkennen. Abgesehen davon, daß der moderne religiöse Stand punkt, auf dessen Belebung es denn doch bei theilwciscr Besetzung jener Posten vorzugsweise abgesehen, außer bei den wenigen Persönlichkeiten, von denen er nach dem Geist der Zeit zum Geschäft, zum Credit mobilier, ge macht wird, hier im Lande nicht heimisch ist und sich sicher nicht von außen cinimpfen läßt; abgesehen davon, daß die größern finanziellen Opfer, welche die Berufung auswärtiger Beamten stets erfodert, dem Lande wol erspart werden können, und abgesehen endlich davon, daß die gänzliche Un- bckanntschasl Fremder mit dem Geschäftsgänge, den sittlichen Zuständen und den persönlichen Verhältnissen unsers Landes selbst bei der besten Wahl eine längere Zeit hindurch ihren nachtheiligen Einfluß übt, so sind es für uns noch namentlich zwei Rücksichten, welche unsere vorgefaßte Meinung gegen das bei uns herrschende System stützt, alle höher« und einflußreichen Beamtenstellen durch auswärtige Persönlichkeiten zu besetzen. Dies ist zu nächst die deprimirende und demoralisirende Wirkung, welche nothwendig auf den hiesigen Beamtenstand hervorgebracht wird, wenn derselbe in der Regel auf die nieder» Regionen verwiesen wird, wenn dem Fleiße, dem Talent und den besten Fähigkeiten für höhere Posten stets ein Ausländer vorgezogen wird; der gute Beamte wird entweder verdrossen und lässig oder er sucht anderwärts ein Unterkommen. Die zweite Rücksicht ist uns die Bloßstellung vor dem Auslande. Welchen Begriff soll das Ausland von unserm Beamtenlhum, überhaupt von dem Bildungsstande und der Lebensfähigkeit unsers Landes erhalten, wenn für Stellen selbst, um deren Besetzung es sich jetzt handelt, keine geeigneten Persönlichkeiten im Lande gefunden werden könnten? Es ist dies um so betrübender, als ein so her- vorgcrufenes Urtheil ein falsches ist und unser Beamtenstand an Leistungen und Capacitätcn keinem andern Nachsicht. Man mag die jetzt wieder ein- mal auftauchenden Mediatisirungsgedanken bezüglich der Duodezstaaten Deutschlands so unwahrscheinlich und lächerlich finden als man will; aber das wird man nicht in Abrede stellen können, daß die so nothlos hervor gerufene Meinung von der Unfähigkeit dieser Staaten, sich mit eigenen Kräften zu regieren, der Ausführung jener Gedanken wesentlich Vorschub