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Nr 162. LS Juli I8SS Preis für da» Merteljatzr 1'/, Lhlr.; lebe erMwk Siummrr S Ngr. Wahrheit und Recht, Freiheit uub Siseh!« Insertionsgebühr für den Raun, einer Zeil« S Ngr. Zu -«ziehen durch alle Postämter de» 3»' »nd Ausland««, sonst« durch di« Erdedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Sonntag. DtilW Mgmnic Zcitimg Das RotteÄ-Welcker'sche „Staats-Lexiko»,". LI Leipzig, 12. Juli.' ES gibt immer nur wenige Manner, dir aus den Kämpfen de- politischen Leben- an Geist und Körper ungebrochen her- Vorgehen, und nach großen Wechselfällen immer wieder oynr Verbitterung, ohne Maßlosigkeit für Da- zu wirken vermögen, was sie einmal als das höchste Ziel ihre- Strebens anerkannt Haden. Zu diesen bevorzugten, un- verwüstnthen Naturen gehört in unsern Tagen unstreitig Karl Welcker. Er hat stit wenigsten- 3l> Jahren an allen Kämpfen und kurzen Tiegen de- deutschen Liberalismus seinen Theil genommen, aber auch alle Rieder- lagen, Enttäuschungen und persönlichen Verfolgungen ertragen müssen, die sich an jene Strebungen zahlreich genug knüpften. Und dennoch hat sich Welcker niemals, wie so viele Andere, durch solch äußerliche Unfälle seine Ideale von Tragt, Recht und BolkSwohl verschütten lassen: er ist immer wieder frisch und unverdrossen in eine neue entsprechende Wirksamkeit ge treten, sei es als Staatsmann oder al- Publikist. Nächst seiner ruhmvollen Thätigkeit in der badischen Kammer muß man wol die Ausführung beS „StaatS-Lexikon" al- die nachhaltigste Ar beit Welcker'- bezeichnen. Es war in den ReactionSjahren nach der Juli- revvlution, al- Welcker mit seinem politischen Freunde Rotteck — Beide damals wegen ihrer Wirksamkeit in der Presse und für Preßfreiheit von ihren akademischen Lehrämtern entfernt — da- „Staats-Lexikon" begründete. Man kann mit Recht sagen, daß diese- Werk, in der politischen Literatur das erste und bisjeht auch da- einzige in seiner Art, die Lehrkanzeln mehr al- aufwog, die man den freisinnigen Männern entzog« hatte. Kein Luch hat mehr für gesunde politische Aufklärung, für Popula^sirung und Be gründung der konstitutionellen Ideen in Deutschland geleistet als diese En- lyklopädie der Staatswissenschasten. Welcker hatte nach dem frühen Tode seines Freundes das Werk unter Beihülfe eines auserlesenen Kreises von Mitarbeitern fortgeführt und bereits eine zweite Auflage desselben vollendet, als ihm die Märzereignisse von 1848 plötzlich am Bundestage und in der Nationalversammlung eine bedeutende praktische Laufbahn eröffneten. Wie er auch hier seinen Ueberzeugungen treublieb, wie er mit Nachdruck, aber ohne hlinde Leidenschaft, auch für das große deutsche Vaterland eine ein heitliche konstitutionell-monarchische Verfassung anstrcbt« und diese zuletzt durch eine rasch« Wendung vergeblich zu retten suchte, ist ebenso bekannt al- hat Schicksal des Parlament- und de- «onstitutloneven Monarchismus, von dem e- wesentlich gestützt war. Inmitten der politischen Abspannung und der Mistre einer allgemeinen,Reaktion, während die meisten seiner Mit kämpfer vom Schauplatze verschwunden oder verdrängt sind, erschließt nun Welcker, ungebeugt, von der Pflicht zu wirken beseelt, sich und allen Gleich gesinnten einen neuen, unabhängigen Wirkungskreis, indem er die Regene ration seiner Eneyklopädie beginnt, um auö dem wissenschaftlichen Grunde heraus da» politische SSben, di« Ueberzeugung, tte »awAävdifche Gesinnung zu stärken, zu klären und anzuvegen. Da» erste Heft diese« neuen, dritten Auflage des .^MaM LeZikon" (Leipzig, A. A. Brockhaus, 1886) liegt bereit« vor: es bestätigt sme Uh»- ' raktttistik de- Mannes, und bietet schon Manche- dar, was gerade iu rm- sertt gegenwärtigen Zeitlag« von Freund und Feind mit Nutzen gelesen Weeden kann. In der ««nm Vorrede erklärt Welcker freimüthtz, daß auch diesmal, wie früher, das „StaatS- Lerikon" da- Panier eener friedlichen möglichst allgenwinen »Mrwtflchen Einigung für staat-bürgerliche Repräsen- tMvverfaffung des DDmmtvaterlandeS und sein« Theile sein soll, und mit Gneegi« entwickel» er bi« Gründe, warum der Mißbrauch, den DeSpoti«. mu- Und revolutionär« Gesinnung mit diese« politisch«» Systeme in Frank reich «nd Deutschland gettkbm, die Anhänger de- Eonstitutionalismns in ihren Westchd» und Strebungen nicht wankend machen dürfe. Hieran schließt sich «ine „Systematisch« EnkyklopSdi« der StaatSwissmschasten ", als Einleitung in da- weitschichtig« wissenschaftliche Gebiet de» Werks. Welcker schöpft seine Principim an- einem scharfsinnigen und prakti- scheu Rationale««u«, «nd bezeichnet seinen theoretischen Standpunkt sehr treffend al- d«n anthropologisch-historischen, damit zwar nicht die logi sch« Begründung, aber die fteeulativen Systeme von sich weisend. Dir Natur de» StaatSlebenS und feine Gesetze entwickrln sich ihm au« der Na- tue — au- dem natürlichen Grundgefttz beS Leben» de» Menschen. Wie in «in« gesunden Menschennatnr, so sind e» auch kn Staat drei Grund- elnnente, auf welchen da» Tanze beruht: 1) da» Vernunft- und Moral- gesetz — der Geist; 2) dir äußere juristische rmd historisch« Bestandtheil — der Leib; 2) di« Regierung der StaatSgesellschaft al» eoncrete Vereinigung der beide» ersten Elemente — die Seele. Die Staat-wissenschaft, oder die friedliche und hülfreiche Leitung der gesellschaftlichen Bestrebung zur Ver wirklichung ihrer Bestimmung, zerlegt sich hiernach ebenfalls in drei Haupt- theile: einen allgemeinen oder philosophischen, einen empirischen (historischen, - positiven) und «inen harmonisch vermittelnden, dogmatischen Theil. Man mag über den Gang und die Ausdrücke dieser Systematik mit Welcker viel- leicht rechten; allein in Bezeig auf das Resultat, auf den Grund und Bo- den, den er dem Staate auf feinem Wege zu gewinnen weiß, werden ihm alle denkenden und edrln Männer im Süden wie im Nordrn unser« Na- terlande« di« Hand reichen. Welcker vindicirt dem Staate »lS Inhalt und Substanz da« Vernünftig-Sittliche, und in diesem Punkt trifft «r mit allen Denen zusammen, di« den ganzen, vollen Staat, oder vielmehr den gan- zen, vollen Mensch«« im Staate gepflegt haben wollen — da- freie Recht und die humane Cultur. So kann Welcker den Staat al» ein« „Rechts- ordnung" erklären, die nicht-auf individuell«, subjektive Meinung«» und Schulphilosophien, sondern auf die „allgemeine Vernunft und Anerkennung" de» Balk» gegründet sti, al» einen „freien Vertrag", welcher dem Recht und der persönlichen Freiheit de- Menschen erst seine höhere Würde verleihe. Daß hiermit alle die verschiedenen politischen Theorien ausgeschlossen bleiben, welche das Staatsleben blo» auf einz«lne sein« Seiten und B^ürfnisse be gründen wollen, versteht sich van selbst. Da» „Staats^exikon" richtet sich jetzt, wie früher, g«g«n dm einseitigen Ausbau der reinpolitischen und öf- festlich-mchtlichcn Seit« de» GesellschaftsverhältnisskS (Huga's Naturrecht, Rmiffeau'S Gesellschaft-Vertrag), mit dam «in« Zerstörung alles Privat- recht- durch da- öffentlich« Recht verbunden und d«m Absolutismus der jakobinischen Republik ebenso wol wie der schrankenlosen Fürstengewalt das Wort geredet sein würde; es richtet sich aber auch gegen die rein juristisch« und pnvatrechtlich« Tendenz der Feudalmonarchie (di« StaatStheorie Hal- ler'S), durch welche daS öffentliche Eem«imvesen in «in Aggregat bloßer Privat-, Hülfs- und Dienstvercine zersplittert werden müßte; e- richtet sich endlich selbstverständlich gegen jenen, nur da- Materielle im Aug« haken- den SociaiiSmuS unser« Zeit, welch« etwa den Staat in seinen letzten Zwecken zu einer allgemeinen Bekleidung-- und Suppenanstalt machen möchte. Die eigentlich« (fünf Bogen umfassende) Artikelreiht de- H«fts (bis „Absolutismus") eröffnet der (in dieser Zeitung Nr. 146 und 147 vollstän dig mitgetheilte) Artikel „Politisches Abt und A und O" von Welcker, in welchem derselbe al- die Grundlagen gesunder Politik die „Vereinigung", die „sittliche" Bereinigung und die „freie" Vereinigung hinstellt und zugleich den politisch«« Richtung«« und Parteien unserer Zeit einen klaren Spiegel v«chält. Unter den übrigen Artikeln heben wir nur die mit flagranten Zeitfragen zusammentreffenbtn herau-: „Ablösung", wo in schlagender Kürze di« theoretisch«« und praktisch«« Grundsätze der Emlastungsangelegenheit be- handelt werde«; „Ablaß", eine au» den Gesicht-punkten de» StaatS- und Kirchenrechts geführt« historisch« Entwickelung diese» Institut», die man stü- her dem berühmte« Theologen Paulus zuschrieb, während sie, wie wir jetzt erfahren, dem Kolonisten H. Amann angehürt; „Ableugnung" und „Absolution von der In stauz"—letzteres el« Rechtsmittel, dessen Verrüfe- n«n Ramen di« neuern Gesetzgebungen vermeiden, während manche doch das Wesen der Sache aufs neue zu begründen suchen; „Absolutismus", ein« treffliche Abhandlung (ursprünglich von Murhard), weiche die despotisch, abstölm« Staatsgewalt, im Gegensatz zur Theokratie und zum Rechtsstaat, namentlich ab«r dir zum Absolutismus gesteigerte Monarchie ebenso frei- müthig wir ührreich charakterisirt. Wir zweifeln nicht, da- düse neu«, dritte Auflage deS „StaatS-Lewkon" die Theilnahme im Publicum finden wird, deren sich da» Wirk bisher mit Recht ersvkUt«. Möge da» bedeutende Unternehme« aber auch im Kreise tüchtiger Staatslehre« «nd Publiristeu die Unterstützung finden, welch« zu einer gediegenen und allseitigen Durchführung desselben nothwendig ist. Deutschland. Preuß««. --^Berlin, 11. Juli. Das dierseitig« Miltzlitd zu der für die Donaufürstenthümer zusammentrrtmdm Cvmmisflon,. Hr. v. Richthvf«», ist gestern früh von hier abgercist', um sich des ihm gewor denen Auftrags zu entledigen. Wie wir hören, soll sich derselbe zunächst nach Wien begeben haben. Die Abreise des Hrn. v. Richthofen wäre na türlich nicht erfolgt, wenn nicht auch die Commissarc der betreffende« übri gen Staate« gegenwäriig nach dem Orte ihrer Bestimmung abgingen, und so werden wir die Commission denn bald in ihrer Thätigkeit erblicken. Die ersten Arbeiten dürften, wie wir schon früher mitgetheilt haben, in Kon stantinopel stattfinden. Bei dieser Gelegenheit mag es am Orte sein, zu erwähnen, daß England in der letzten Zeit wieder eine neue Anfrage ge- stellt haben soll, wie es denn eigentlich mit dem in Aussicht gestellten bal digen Abmarsche der österreichischen Truppen aus den Donaufürstenthümrrn auSsehe. Die Antwort soll eine zirmlich ausweichende gewesen sein. Wa« nun später, wenn die Commission in Konstantinopel ihre Arbeiten vollen det haben wird, aus der nöthigcn Reise nach Bukarest werden soll, ist,