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1«. Juni 18SS Rr. 133 Dienstag Wahrheit und Recht, Freiheit und Ecseh!» Preii für da« Vierteljahr I V, Thlr.; jede einzeine Nummer 2 Ngr. Zu beziehen durch alU Postämter de« 3n- und Auslandes, sowie durch d> Erpedition in Leipzig lÖuerstruße Nr. 8). InscrtionSgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. AeihHig. Die Zeitung > _ -d - DkllWe MgtMM Zcitilllg Deutschland. Preußen, -^Berlin. 8. Juni. Zwischen Frankreich und Oester- reich waren bekanntlich Vorstellungen verabredet, welche über cinjuführende Reformen der päpstlichen Regierung gemacht werden sollten. Wie eS mit diesen ,.Vorschlägen" beschaffen und welcher Sinn der Bctheiligung Oesterreich? an dem zu thucnden Schritte beizulegen, haben wir seinerzeit angedcutet. Die päpstliche Regierung hätte also von diesen Vorstellungen eben nicht viel zu fürchten gehabt. Unter allen Umständen hätte es aber Oesterreich nur angenehm sein können, wenn auch dieser Schritt, seines äußern Eindrucks wegen, unterbliebe. Ganz ist dies nun zwar noch nicht erreicht, aber es ist fürs erste doch viel gewonnen. Die Absendung der betreffenden Noten oder Denkschriften ist nämlich vorderhand unterblie ben. Der Grund dazu ist, daß Frankreich, wie von unterrichteter Seite aus Paris gemeldet wird, cs aus naheliegenden Rücksichten geboten glaubt, weder speciell bei der päpstlichen noch bei einer andern italie nischen Negierung die italienische Frage in einem Augenblick in weitere Anregung bringen zu sollen, wo ein Stellvertreter des Papstes in Paris erwartet werde zur Taufe des französischen Prinzen. Aus diesem Grunde muß auch jene weitere Angabe, in welcher von dem Abgang einer englisch französischen Note an die neapolitanische Regierung die Rede ist, sür unbe- gründet erachtet werden. Eine solche Note existirt ebenso wenig als jene angebliche französisch-österreichische, über deren Nichtexistenz wir das Nöthige bereits gesagt haben. Es wird zur bessern Orienlirung über die Sachlage gut sein, daran zu erinnern, daß auf den persönlichen Wunsch des Kai ser- Napoleon die englische Regierung auch die im Parlament bereits angekündigte Debatte über die italienische Frage bis nach der pariser Taufe auszusetzen versprochen hat. Es steht demnach in jeder Bezie hung fest, daß die italienische Frage, wenigstens was ihre weitere Behandlung auf dem diplomatischen Felde betrifft, bis nach den Tauffeier- stichkeiten und der Rückkehr des päpstlichen Legaten nach Nom ruhen wird. Was dann geschehen wird, bleibt natürlich abzuwarten. Vorläufig hat die österreichische Diplomatie Zeit gewonnen, und das war das höchste, was sie unter den obwaltenden Umständen überhaupt gewinnen konnte. Jetzt Hofft man, daß durch weitere Bemühungen und namentlich durch die bevor stehende Anwesenheit de- päpstlichen Stellvertreters in Paris sich auch wol noch ein Weiteres werde erreichen lassen. Aber was läßt sich hier, auch wenn die schönsten Hoffnungen dir Diplomatie in Erfüllung gehen, überhaupt errei chen? Höchstens ein weiterer Aufschub oder eine etwas minder urgirende Be handlung der Sache. Die französische Negierung hat ihre Ansichten über die italienischen Verhältnisse zu laut und unverhohlen ausgesprochen, als daß hier an eine principielle Aendernng zu denken wäre, und was England betrifft, so ist es doch wol keine Frage, daß die relativen Rücksichten, die Oesterreich für sich und die italienischen Staaten von Frankreich allenfalls noch erwarten kann, hier gar nicht platzgreifen. Dazu kommt außer dem Allen noch die Gereiztheit des englischen Cabinets gegenüber dem österreichischen aus Anlaß der fortdauernden Occupalion der Donau,'ürstenlhümer, und wir hören'in dieser Beziehung von einem Notenwechsel zwischen Wien und London re den, dessen Inhalt und ganzer Geist zu dem Allianzvertrage vom iS. April in einem gar sonderbaren Contrast stehen soll. Sollte Oesterreich, wenn cs seine Truppen aus den Donaufürstenthümern nicht alsbald zurückzieht, sich nicht schon aus diesem einen Grunde auf einen Contrecoup von Seiten Eng lands in Italien gefaßt machen müssen? Wir wollen sehen. Der Friede ist wieder da, aber — die Diplomatie geht in diesem Jahre gleichwol noch nicht in die Bäder. — Man schreibt der Kölnischen Zeitung aus Koblenz vom 6. Juni: „Die Trauerkundc eines schrecklichen Unfalls, welcher sich heute Morgen in einem Steinbruch an dcr Mainzer Chaussee in der Nähe der Wasserheil anstalt Laubach zugetragen hat, durchläuft soeben unsere Stadt. Die Ar beiter des Bruchs hatten sich nämlich in der Morgenstunde nach 8 Uhr, als ihnen von den Frauen das Frühstück gebracht wurde, um gegen die rauhe Witterung geschützt zu sein, unter einen untergrabenen Felsblock gesetzt, da- selbst ihr Frühstück zu genießen. Da plötzlich vernimmt man ein Getöse vom Nollen der Steine, mehre Arbeiter springen unter dem Felsvorsprunge heraus, dcr aber sogleich zusammenstürzt, wodurch zwei Arbeiter augenblick lich getödtet wurden. Die Leiche eines derselben hat man schwer verstüm melt unter dem Schult hervorgezogen, die des andern liegt tief begraben unter den Felsenmassen, und man hat nicht sobald Hoffnung, den Verun- glückten ans Tageslicht schaffen zu können. Der eine dieser Unglücklichen ist ein Familienvater aus Winningen und hinterläßt fünf Kinder. Mehre der Anwesenden, welche sich durch schnelle Flucht retteten, sollen mehr oder- weniger beschädigt sein." Baiern. ^AuS Baiern, 6. Juni. Das war jedenfalls der be- deutnngövollste Tag, den unsere gegenwärtige Abgeordnetenkammer noch er lebte, als sic gestern zur Beralhung des Gesetzentwurfs über die GerichtS- reform sich versammelte. Die ungeheure Wichtigkeit dieses Thema- für unser öffentliches, sogar für unser Privatleben, und das Bewußtsein der Tragweite des zu fassenden Entschlusses hatten sichtlich auf die Stimmung der versammelten Dcputirten eingewirkt und sich auf mehrfache Weise ge äußert. Es war eine Art von feierlicher Sitzung; denn Jeder war sich bewußt und an Jedem war cs zu erkennen, daß dcr Landtag an seinem Culminationspunkte angelangt sei. Doch aber nahm die Verhandlung eine unerwartete, höchst überraschende Wendung. Sie begann damit, daß der Referent Professor Edel seinen Standpunkt und den des von der Regie rung eingebrachten Entwurfs beleuchtete. Dcr erstere ist der des erlasse nen, aber nicht in Ausführung gebrachten Gesetzes vom Jahre 1850; es hat von Freunden und Feinden desselben nichts Besseres vorgeschlagcn wer den können, und seine, des Referenten, Anträge gehen dahin, einstweilen wenigstens Stücke dieses alten Gesetzes einzuführen, da das Ganze zu er langen unmöglich scheine. Der Standpunkt des neuen Entwurfs aber ist der, daß durch ihn einzelne'Stücke ausgeführt, das ganze alte Gesetz aber sodann umgangen werden solle. In langer, mit lauschender Aufmerksam keit gehörter Rede riß Edel die Versammlung so hin, daß bei ihrem Ende von dem Abg. Arnheim der Antrag auf Schluß dcr Diskussion gestellt und zum Erstaunen auch angenommen wurde: ein parlamentarischer Fehler, der sich indessen dadurch reparirte, daß die so plötzlich abgeschnittene Discussion bei der Erörterung des ersten Artikels wiederkehrte. Bei dieser letztern er läuterte zuerst der Justizminister vn. Ringelmann den obigen Stand punkt des neuen Gesetzentwurfs, ließ es aber unentschieden, ob die Regie rung den Ansichten des Ausschusses und des Referenten beitreten könne oder nicht. Dies vor allem verlangte Frhr. v. Lcrchcnfeld zu wissen; das alte Gesetz sei ein Recht, auf welchem das Volk, auf welchem die Kam mer bestehen dürfe; man könne sich zu einem theilweisen Aufschübe bestim men lassen, nimmermehr aber die Grundsätze davon aufgcben. Man müsse von Mistrauen erfüllt werden gegen ein Ministerium, das ein Gesetz, wel ches das Leben des Staats in allen seinen Nerven berühre, zuerst -einge bracht, verthcidigt, sanctionirt und dann, statt es auch auszuführen, sechs Jahre hindurch wieder zu ändcrn, ja zu vernichten gestrebt habe. Dcr Minister des Innern Graf Reigcrsberg erklärte darauf in seiner offe nen, prägnanten Art, die Aenderungen, welche der Ausschuß an dem neuen Entwürfe vorgcnommen, würden die Zustimmung der Regierung niemals erlangen, und eine Verständigung werde nur möglich sein auf Grundlage der Propositionen der ^Regierung. Da§ gab dem Fürsten Wallerstein Anlaß zu bitterer Klage über die Art, wie der Consiitutionalismus gehand habt werde, wie man die Kammer zwingen wolle, entweder nur den Rc- gicrungSentwurf anzunehmen oder ohne Resultat nach Hause zu gehen. Er gibt zuerst Andeutungen, wie die Minister, welche früher für ihr Gesetz gestritten, dahin kommen konnten/ ihr eigenes Werk jetzt wieder zu schän den, und sucht die Ursache davon in jenen Regionen, die über ihnen stehen. Die Kammer aber müsse sich lreubleiben; dann siele die Verantwortung für das Aislingen auch nicht ihr zur Last. „Werden wir aber heute un- untreu, so zweifle ich, ob ich meine lange politische Laufbahn mit diesem Tage nicht beschließen werde." Der zweite Präsident Paur spricht eben falls sein Mistraucn in ein Ministerium aus, daö die ganze bestehende Legislation verleugne, das jetzt Jeden revolutionärer Tendenzen beschul dige, der an einem Gesetze festhält, welches es selbst vor sechs Iah- reu eingebracht. Die beiden Minister crörtern nochmals ihre Ansichten, der Justizminister wieder unbestimmt und zweifelhaft, der des Innern ganz entschieden. Noch erhebt sich der Abg. Cremer von Doos, das einzig übriggebliebene Mitglied dcr Linken früherer Landtage. Er wird jeden falls gegen das neue Gesetz, auch in der Fassung des Ausschusses, stim men, denn ihm ist die Nachgiebigkeit längst erschöpft, und er will keinerlei Concession mehr zugestehen. Er prophezeit der Reaction cin schlimmes Ende und verlangt, daß das Volk, das die Negierung bezahlt, bei ihr nicht betteln müsse um eine Wvhlthar, wo cS ein sanctionirles Recht hat. Zum Schluffe ermahnt der Referent Edel zum Aushalten an seinem Aus- schußgutachtcn, welches der einzige zum Zicle führende Weg sei, mit den Worten aufhörend: „Bange machen gilt nicht." Es ward über den ersten Artikel, der die principielle Differenz ausdrückt, abgestimmt und mit allen gegen Eine Stimme, des Regierungspräsidenten v. Weiden, zu Gunsten des Ausschusses entschieden. Damit war über den ganzen Entwurf der Stab gebrochen. Der erste Präsident Graf Hegnenberg ersucht den zweiten, seinen Platz einzunehmen, um an den Verhandlungen theilnehmcn zu kön nen: er anerkennt die offenen, loyalen Erklärungen des Ministers des In nern, wogegen er den Standpunkt des JustizministerS nicht verstehen könne, freilich es auch der Mühe nicht werth halte, ihn verstehen zu lernen. In dessen sei der Art. 1 abgelehnt, das Princip entschieden, und er ersuche