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Mittwoch. Nr. 11« L4. Mai 18S« Di« Zeitung erscheint mit Au«nahm« de« MoMaaS täglich und wird Nachmittag« 4 Uhr aus gegeben. Preis für da« Vierteljahr IV, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. Dtiltschc Mgmtilit Zcitilüg. «Wahrheit r«d Recht, Freiheit und Gesetz!» Au beziehen durch all« Postämter de- In- und Auslandes, sowie durch di« Srpedition in Leipzig lOuerstraße Nr. 8). InsertionSgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Deutschland. A Bom Mittelrhein, 11. Mai. Einer der wesentlichsten Einwände, welch« die Weimarer Zeitung gegen die gesetzliche Herstellung eines Nach drucksschutzes für die telegraphischen Originaldepeschen erhebt, besteht darin, daß die praktische Durchführung des Gesetzes „geradezu unmöglich" sei. Wer solle die etwa nachdruckenden Blätter conttolircn; wer könne ei nen Nachdruck in solchen Fällen constatiren, wo die kleinern Blätter in dem Falle seien, ihre telegraphischen Depeschen „aus sehr verschiedenen größern Zeitungen ungefähr zu gleicher Zeit" zu entnehmen; welches der vom Nach- druck betroffenen Journale könne in einem solchen Fälle zur Nachdrucks klage befugt sein, da keins nachzuweiscn vermöge, daß gerade ihm die be treffende Depesche entnommen sei? So lauten die Bedenken. Die Ein gabe der petitionirenden Blätter hat solche „Schwierigkeiten" allerdings voll kommen anerkannt. Aber ähnliche Schwierigkeiten ergeben sich bei der Ge- setzeSpraxis auf jedem Gebiete deS Lebens, welches eben überhaupt erst zu gesetzlichen Zuständen fortschreitet. Wer glaubt denn, daß mit einem Schutze gegen den Nachdruck telegraphischer Originaldepeschen schon ein vollkommen gesicherter RechtSzustand nach dieser Richtung hergestelll sei? Kein Mensch. Auch diese Neugestaltung der Rechtsverhältnisse eines bestimmten Gebiets muß sich erst entwickeln. Es gibt ja überhaupt keinen größern praktischen Fehler des Gesetzgebers, als wenn er jeden speciellen Fall voraussehen, vor- ausregeln will. Dies eben führt zur Bielregiererei und zu dem unseligen Polizeigeist in der Gesetzesübung. Ihr Recht zu wahren, muß den Be schädigten überlassen bleiben, wenn sie nur überhaupt erst einen Rechtsbo- den haben. Uebrigens wird voraussichtlich der Kreis der „sehr verschiede nen" Zeitungen, aus denen telegraphische Depeschen zu entnehmen sind, bei weiterer Entwickelung der Telegraphie sich bedeutend verengen, und zwar durch das Princip der Association. Je mehr telegraphisch« Depeschen täg lich gebracht werden müssen, desto häufiger werden benachbarte Zeitungen, wie «S z. B. früher die frankfurter thaten, sich zu gemeinsamer Beziehung derselben vereinigen. Und da in solchen Fällen den Depeschen die Bezeich nung der Association vorgedruckt wird, so sehen wir wahrlich auch keine Gefahr darin, daß die kleinern Blätter ihre mittelbare Quelle angeben müssen, wenn sie cs nicht vorziehen, sich durch Privatconvenlion das Recht zum sofortigen Nachdruck, resp. die mittelbare Theilnahme an der Associa tion zu erwerben, welche die Originale bezieht. Die Nennung der Quel- len als eine neue Gefahr für die Freiheit der Presse hinzustellen, heißt ein Schreckbild malen, dem der Körper fehlt. Und wenn auf die mögliche Umgehung einer derartigen Vorschrift hingewicsen wird, so hat, dies al lerdings viel für sich, gilt aber für jedes Gesetz in der Welt vollkommen gleichermaßen. Preußen, t Berlin, 12. Mai. Nachdem nunmehr die Tragweite des in Paris abgeschlossenen F ri e d e n s v e r t r a g s mehr erkannt wird, sprechen sich auch die bisherigen Tadler dieses Friedens in weit anerkennenderer Weise aus, zu mal von denselben eingeräumt werden muß, daß auch in Bezug auf Grund- sätze, welche leider biSjetzt auf dem Gebiete des Völkerrechts, im Gegensatz' zur ganzen europäischen Bildung und Gesittung noch in Geltung standen, tiefgehende Aenderungen durch entsprechende Feststellungen stattgefunden haben. Wir brauchen in dieser Beziehung nur an die bedeutungsvolle Er klärung vom 16. April zu erinnern: „Die Kaperei ist und bleibt abge schafft", abgesehen von anderweitigen einscheidenden Bestimmungen derart, welche der Pariser Friede enthält. Das Preußische Wochenblatt macht dar- auf aufmerksam, daß mit der Ratification des Pariser Friedens der Bünd- nißvertrag zwischen Preußen und Oesterreich vom 20. April 1854 erloschen sei, iMm derselbe ausdrücklich nur für die „Dauer des zwischen Rußland einersM und der Türkei, Frankreich und England andererseits auSgebro- chenen Kriegs" abgeschlossen war. Preußen fei daher von allen darin über- nommenen Verpflichtungen gegenwärtig frei. ES erheische die Pflicht gegen das engere preußische wie gegen das deutsche Gesammtvaterland, sich vor allem und nach jeder Seite hin die Hände nunmehr freizuhalten, zumal die unterm 15. April d. I. (auf besonderes Hinwirken Oesterreichs) zwischen England, Frankreich und Oesterreich behufs Aufrechthaltung der Festste!- lungen des jüngsten Pariser Friedens abgeschlossene Uebereinkunft offenbar keinen andern Sinn als den eines DefensivbündnisseS gegen Rußland haben könne. In Einem Wunsche würden mithin wol in diesem Augenblick alle politischen Parteien des Landes übereinstimmen, in dem Wunsche nämlich, daß Preußen sich zur Zeit vor allen Dingen und nach allen Seiten hin Eins bewahren möge: die freie Hand. ^Berlin, 12. Mai. Wir haben hier abermals einen interessanten Proceß wegen MiSbrauch» der leipziger Meßcontirung gehabt. Der Kaufmann Pignol (Firma Gehst u. Eomp.) war nämlich angeklagt, von 1840—53 durch fortlaufende Benutzung der Meßconten der Zollverein-kaffe den tarifmäßigen SlngangSzoll um seine-VortheilS willen entzogen zu haben. Nach tkatsächlicher Feststellung der Sache wurde der Angeklagte vom hiesi gen Ssadtgericht der Theilnahme an wiederholten Zolldefraudationen schul- big erkannt und zur Zahlung theilS deS sechsfachen, theils des vierfachen Betrag- deS defraudirten Zolls, im Gesammtstrafbetrage von 13,611 Thlrn., oder zu neun Monaten Gefängniß, und außerdem auch noch zur Zahlung des ConfiScationswerlhs der nicht mehr vorhandenen Waaren im Betrage von 2813 Thlrn. verurthcilt. Gegen dieses Urtel wurde Appell eingelegt, doch wurde damit nicht viel erreicht, da auch das jetzt erfolgte Urtel des Kammergerichts nicht viel günstiger lautet. Der Strafbetrag beläuft sich nämlich jetzt auf 12,821 Thlr., oder acht Monate Gefängniß, und außer dem bestimmt das Urtel noch, daß der Angeklagte mit den leipziger Theil nehmern der Defraudation für den zu ermittelnden Confiscaiivnswerih der defraudirten Waaren solidarisch zu haften habe. — Fürst Windischgrätz wird in Berlin erwartet. Wie die Berliner Börsen Zeitung in Erfahrung bringt, handelt es sich darum, durch diesen Besuch eine persönliche Einwirkung zu versuchen, um mit Hülfe derselben Wünschen eine Erfüllung zu sichern, welche auf den bisher kingeschlagenen regelmäßigen Wegen nicht durchzusetzen gewesen seien. — Das berliner Eorrespondenz-Bureau schreibt: „Von gutuntcrrichteicr Seite erhalten wir die Mittheilung, welche die Nachricht, die königsberger Univcrsitätsbehörde habe die Gründung eines Wingolfbundes unter den Studirenden der dortigen Universität untersagt, als unbegründet bezeichnet. Da eine derartige Verbindung in Halle besteht, so hat jene Nachricht dcm Vernehmen nach zu einer amtlichen Rückfrage geführt, welche denn ergeben hat, daß der akademischen Behörde die Sache völlig fremd ist. Die Grün- düng des Bundes ist bisjetzt lediglich daran gescheitert, daß einigen der Mit stifter die unbedingte Annahme des Statuts der höllischen Verbindung we gen seiner zu großen Rigorosität nicht zusagte." Baiern. München, 9. Mai. Die Kammer votirte heute das Militärbudget nach dem Verminderungsvorschlage des Ausschusses mit 9,062,000 Fl. Da- Kriegßministerium hatte bekanntlich 10,672,800 Fl. verlangt. Württemberg, -s- Stuttgart, 8. Mai. Württemberg befindet sich im Augenblick in ziemlicher Erregung wegen einiger Fragen materiellen Charakters; Bank und Eisenbahn bauten geben Jedem Einiges zu spre chen, zu hoffen und zu fürchten. Im Allgemeinen kann man" sich nur darüber freuen, daß solche Fragen so tief ins öffentliche Interesse einzudrin» gen beginnen. Im Einzelnen kann es dann freilich auch nicht fehlen, daß persönliche Leidenschaft in Erörterungen sich mischt, die besser auf dem ob- jectiven Boden belassen würden. Es gilt dies namentlich von der Bank frage, über welche in öffentlichen Blättern zusammengerechnet wol schon ein ansehnlicher Band geschrieben sein wird. Vor lauter Persönlichkeiten ist aber sicher dem größten Theil des Publicums der materielle Kern der Frage noch unklar; vor lauter Bäumen wird der Wald nicht gesehen. Das Seybold'sche Zettelbankproject, um welches es sich handelt, ist in seiner ursprünglichen Gestalt so solid, daß die Noten dreifache Deckung in Im mobilien, kurzsichtigen sichern Wechseln, sichern Vorschußfoderungen re. haben. Dennoch wird es aufs stärkste befehdet, weil in Verbindung mit dem Her- zutreten des berliner Hauses Magnus einige den Unternehmern persönlich günstige, das Wesen des Instituts aber nicht afficirende Modifikationen hinzugckommen sind. Als ob da nicht dies der rechte Weg wäre, auf Be seitigung dieser Modifikationen zu dringen und das Institut, das ein Be- dürfniß des Landes ist und nach dem Scybold'schen Entwurf auf solider« Grundlage steht als irgendwo je ein ähnliches, in seiner ursprünglichen reinen Gestaltung ins Leben zu führen! Das Eisenbahnproject Lonsee (Ulm)-Nördlingen, zu welchem die Negierung die Vorarbeiten bereits an geordnet hat, stößt auf entschiedene Schwierigkeiten seitens der bairischen Regierung, welche für diese Linie den Anschluß bei Nördlingen rund abge schlagen und in Aussicht gestellt hat, dem Personentransit auf der kleinen Strecke von der würltcmbergischen Grenze nach Nördlingen regale Schwie- rigkeiten in den Weg legen zu wollen; dagegen würde die bairische Regie rung einer Bahn von Stuttgart direct auf Nördlingen durch daS RemS- gau den Anschluß nicht verweigern. In Betreff einer obern Ncckarthal- bahn sind die Unterhandlungen einem Abschluß nahe, indem eine englische Gesellschaft gegen eine Zinsengarantie von 37,-4 Proc. unter Einräu- mung weitgehender administrativer Befugnisse an den Staat und des Heim- fallrechtS nach sehr kurzer Zeit die Linie Plösingen-Rottenburg, eventuell Tuttlingen bauen will. Die liberalen Anerbietungen der englischen Gesell schaft sind für die anerkannt solide würtlembergische Administration eine Anerkennung deS Auslandes, welche sprechender nicht sein könnte. Der spätere Ausbau der Linie durch daS badische Oberland würde der direkten Verbindung OstmitttldeutschlandS mit Basel wesentlich dienen. — In der