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Sonnabend. —- Nr 102. - z Mai 18S«. ^eipzra. Dit Zeitung erscheint mit Ausnahme de« Montags täglich und wird Nachmittag« 4 Uhr aus gegeben. Preis für da« Vierteljahr IThlr.; jede einzeln« Nummer 2 Ngr. Deutsche Mgemciue Zeitung. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch all« Postämter des In- und Auslände-, sowie durch di« Erpcdition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). InsertivnSgebühr für den Raum einer Zeil« 2 Ngr. Deutschland. Preußen. -^Berlin, I. Mai. Es ist grundverkehrt, wenn man sagt, daß der Antrag des Abg. v. d. Horst (von der qzzßersten Rechten), welcher vorgestern verhandelt worden ist, sich hauptsächlich auf eine Be schränkung des zu frühen Hetrathens bezogen habe. Auf eine Be schränkung de- zu frühen Heirathens bezog sich nur rin Theil, und gewis sermaßen nur ein sehr untergeordneter de- Antrags. Was der Antrag in seinem Herne wollte, da« war eine Beschränkung des Heirathenö über- Haupt. Unzweideutig trat die- auch in dem zweiten Theile deS Antrag- hervor, in welchem verlangt wurde, daß di« Gestattung der Gründung einer Familie von dem Nachweis» der Mittel zur stande-mäßige» Ernäh rung abhängig gemacht werden solle. Wir werden gleich sehen, wie wich tig es ist, daß dieser Umstand in der ganzen Ausdehnung de- ihm zugrunde liegenden Princips festgestellt werde. „Unsere Anträge", sagt« drr Abg. Wagener bei dieser Gelegenheit, „dürfen nicht vereinzelt betrachtet werden; sie sind alle Glieder eine- ganzen und wohldurchdachten Systems." Man hätte die- zwar gewußt, auch wenn Hr. Wagener e- nicht so gerade herausgesagt hätte; aber seine Offenherzigkeit ist darum nicht minder anzu- erkennen. Und worin besteht nun dieses System? Die Verhandlungen der letzten Tage haben in schlagender Weise Aufklärung darüber gegeben. Ueber Petitionen wegen gedrückter Glauben« - und Gewissensfreiheit ist man zur Tagt-ordnung übergegangen, weil, wie man deutlich genug zu verstrhen gab, Leute, di« nur nach Yen Gesetzen des Verstandes glauben wollten, gewissermaßen außer dem Schutz« der Gesetze stehen müßten; der Prügelstrafe hat man begeisterte Lobreden gehalten und fanatisch hat man gedrungen auf eine halbe Vernich tung des ersten und natürlichsten Rechts aller Menschen, deS Recht- der Ehe. Und wa« heißen nun diese drei Punkte, wenn man sie zusammen faßt? Und zusammengefaßt müssen sie werden, wenn man sie ganz ver stehen will; denn e« handelt sich hier ja eingestandenermaßen um ein voll ständige- System. Sie heißen; daß der ganzen menschlichen Entwickelung, d«r Gesammtheit wie -er Individualität, wie sie sich «ntfaltet hat seit 15V Jahren vom Beginn deS „gottlosen" philosophischen Jahrhundert- an, Krieg" angekündigt werden soll auf Lod und Leben. Die äußerste Rechte machte dessen auch kein Hehl. Die Revolution, wurde gesagt, habe ihre eigentliche Wurzel in der Unbeschränktheit der Individualität; dieser Unbeschra'nktheit sei das Wachsthum deS Proletariats zu verdanken, und das immer wach sende Proletariat sei das 8peotro rouße, das rothe Gespenst, welches in so erschreckender Weise umgehe. Die Folgerungen, welche die Socialisten der Kreuzzeitung hieraus ziehen, sind nun die: es muß der Revolution mög lichst tief ins Fleisch geschnitten, die Unbeschränktheit der Individualität auf gehoben und so gesorgt werden, daß dke Canaille sich nicht vermehre. Da durch wäre das große sociale Räthsel unserer Zeit dann glücklich gelöst, und die Socialisten der Kreuzzeitung können ihr sup^xa ausrufen, wenn es auch zweifelhaft bleibt, ob das bekannte Pharaonische Mittel, wel che-, um einen ähnlichen Zweck zu erreichen, die Kinder männlichen Ge schlechts ertränken ließ, nicht noch probater gewesen ist. Es kann un natürlich nicht einfallen, über die betreffende sociale Theorie selbst auch nur ein Wort verlieren zu wollen; nvthig schien es uns aber, in gedrängter Kürze offen zu zeigen, was die Socialisten der Kreuzzeitung eigentlich wol len. Und das ist derart, daß man nur in dem Bewußtsein Beruhigung finden kann, daß es glücklicherweise nur eine kleine Partei von fanatischen Obscuranten ist, die dieses will, und die, wenn wir auch nicht im Jahre 1856 lebten, darum doch nicht minder in diesem Punkte mit Gelächter zu- rückgewiestn werden würde von jeder Regierung. Eines möchten wir schließ, lich aber doch noch sagen. Man hat die Socialisten der Neuzeit als Män ner des Schreckens, als die eigentlichen Väter der Revolution hingestellt. Wir unsererseits haben uns mit den betreffenden Theorien niemals befreun den können; Da- aber müssen wir sagen, daß uns diese Männer als Engel vorkommen im Vergleiche zu den Socialisten der Kreuzzeitung, und zwiefach als Engel, wenn wir einmal bedenken, daß die Partei der Kreuz- zeitung von Frömmigkiit, Heiligkeit und Bibelsprüchen immer überfließt, und dann die Wahrnehmung machen, daß sic unter Umständen auch be reit sein kann, eine der unzweifelhaftesten und unverkennbarsten göttlichen Einrichtungen über den Haufen zu werftn, wenn es in ihr System paßt. — Wir haben seinerzeit mitgetheilt, daß die rheinischen Abgeordneten die Absicht hätten, im Hause der Abgeordneten einen Protest gegen die für die Rheinprovinz beschlossene neue Gemeindeordnung niederzulcgen. Von dieser Absicht ist man indessen zurückgekommen und man hat einen andern Weg in Form einer Adresse an den König gewählt, die am 26. April durch eine Deputation mit dem Grafen Fürstenberg-Stammheim als Sprecher an der Spitze überreicht worden ist. WaS den Inhalt der an den König ge stellten Bitte betrifft, so wär« e< den rheinischen Abg«ordne»en freilich lie ber gewesen, wenn sie die Gemeindeordnung von 1850 für ihre Provinz behalten könnten; sie bitten indessen, wie wir vernehmen, zunächst nur, daß die wiederherzustellendc Gemeindeordnung von 1845 mit der zu derselben beschlossenen Novelle noch nicht zur Ausführung gebracht, sondern fürs erste noch einmal dem rheinischen Provinziallandtage zur Begutachtung vorgelegt werde, selbstverständlich mit der Bedingung, daß den etwaigen Abänderun gen rc , welche der rheinische Provinziallandtag als nöthig bezeichnen würde, in dem zu erlassenden Gesetz selbst die erfoderliche Berücksichtigung zutheil werde. Die rheinischen Abgeordneten sollen freundlich ausgenommen worden sein und sie glauben nicht ohne Hoffnung in ihre Heimat zurückkehren zu können. — Die 13. Commission des Herrenhauses hat ihren Bericht über die die Jagdgesetzgebung vom Jahre 1848 betreffenden beiden Anträge de« Grafen v. Jtzenplitz'und des Grafen v. Voß-Buch durch den vr. v. Da niels erstattet. Der erstere dieser Anträge bezweckt die StaatSregierung um eine Gesetzvorlage für die nächste Sitzungsperiode der Häuser zu ersuchen, durch welche die durch das Gesetz vom Jahre 1848 geschehene Rechtsver letzung gesühnt werden soll; der zweite Antrag verlangt die Aufhebung de« §. 2 des erwähnten Gesetzes. Nachdem der Vertreter des landwirthschaft- lichen Ministeriums erklärt hatte, daß die Regierung des Königs die Ver pflichtung anerkenne, in der nächsten Sitzung beiden Häusern deS Landtags Vorlagen zu machen, durch welche dem „bedauerlichen gegenwärtigen Zu- stände, sowol in Beziehung auf die Jagdberechtigungen als in jagdpolizei- licher Hinsicht, in einer völlig befriedigenden Weise ein Ende" gemacht werde, beantragte die Commission einstimmig: l. Auf den Antrag des Grase» Jtzenplitz: die königliche StaatSregierung zu er suchen: 1) dem Landtage der Monarchie spätestens in der nächstfttgenden Session eine» Gesetzentwurf vorzulcgen, welcher s) das Gesetz vom 31. Oct. 1848 aufbebe und die Wiederherstellung der durch dasselbe ohne Entschädigung für aufgehoben erklärten Jagd rechte auf fremdem Bode» als Eigenthum der früher» Berechtigten oder ihrer Rechts nachfolger ausspreche; b) eine der Billigkeit entsprechende Entschädigung aus Staats mitteln in näher zu bestimmendem Umfange für die Fälle anordne, in welchen unter der Herrschaft des Gesetzes vom 31. Oct. 1848 btt Restitution unterliegende Jagd- rechte mit dem Bodeneigenthum durch lästigen Vertrag erworben worden find; sodann gleichzeitig 2) unter Revision der betreffenden Bestimmungen des Allgemeine!» Land rechts und der vor dem Gesetz vom 31. Oct. 1848 gültig gewesenen Particularrcchte für die ganze Monarchie, mit Ausnahme der LandeStheile dcs linken Rheinnfers, gleich förmige gesetzliche Bestimmungen vorzulegen, durch welche den Bodeneigeuthümcrn eine billige Entschädigung für Wildschäden gesichert werde; 3) unter Festhaltung der auf- gestellten Grundsätze für die LandeStheile auf dem rechten Rheinufer, die zu dem fran zösischen Kaiserreich gehört haben, gleichzeitige gesetzliche Bestimmungen vorzulegen, wo durch die vielfäitigen Verwickelungen endgültig ausgeschlossen würden, welche seit der zur Beseitigung der vorübergehenden Eingriffe der fremdherrlichen Gesetzgebung erlasse nen Gouvernementsvcrordnung vom 13. Juli 1814 durch die spätere Gesetzgebung her- vorgerusen worden sind; 4) eine Revision der bestehenden Jagdpolizeigesetzgebung zu bewirken. II. lieber de» Antrag des Grasen v. Boß-Buch sowie über die bei dem Haufe cingcgangcnem auf die Jagdgesetzgebung sich beziehenden Petitionen zur Tagesordnung überzugehcn. — Der Preußische Staats-Anzeiger berichtet aus Charlottenburg untcrm 30. April: „Nachdem der König und die Königin gestern Mittag aus Dresden wieder zurückgekehrt waren, fand um 4 Uhr bei denselben im kö niglichen Schlosse zu Charlottenburg aus Veranlassung dcs Geburtstages des Kaisers Alexander II. von Rußland Galadiner statt. Der König so- wie die Prinzen erschienen dabei in russischer Uniform mit dem Andreae- orden. Während der Tafel, zu welcher auch die Herren der russischen Ec- sandtschaft und die bei Hofe vorgestclltcn hier anwesenden russischen Frem den eingeladen waren, brachte der König die Gesundheit dcs Kaisers aus." — In der Untersuchung wegen deS an der Wirthschafterin des Geheimen Bauraths Anders verübten Raubmords sind nicht nur vor Gericht die bereits polizeilich erlangten Geständnisse wiederholt und erweitert, sondern es sind dem Untersuchungsrichter auch von den Hauptthätern neue Gestand- niffe abgelegt worden, durch welche der noch fehlende Rest der geraubten Sachen vollständig herbeigcschafft worden ist. Die betreffende Untersuchung läßt sich hiernach, so umfangreich dieselbe auch ist und so sehr sich auch im Laufe der Ermittelungen di« Zahl der bei dem Verbrechen betheiligtcn Per sonen vermehrt hat, schon jetzt als abgeschlossen betrachten. Wir sind hier durch in den Stand gesetzt über das Sachverhältniß aus zuverlässiger Quelle folgende Mittheilungen zu bringen. Die Wirthschafterin des GcheimrathS Anders bediente sich der verehelichten Arbeiterfrau Röllig als Aufwärterin. Diese befand sich bei der Familie des Schneider-Kage, welche nahen Ver kehr mit übelberüchtigten Personen unterhielt, in Schlafstelle. Dort ver- kchrle auch der bereits bestrafte Tischlergeselle Pfab. Nachdem die Auf- Wärterin Röllig erzählt hatte, daß der Gehcimralh Anders verreist sei und di« Wirthschafterin gewöhnlich deS Sonntags zur Kirche gehe, verabredeten die verehelichte Kage, die Röllig und der Pfab die Benutzung zu dieser Gelegenheit. Die Auswärterin Röllig besorgte einen Abdruck deS Küchen- schlüssels, ein zweiter Schlafbursche der Kage'schen Eheleute fertigte hiernach