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Donnerstag. KrHHig. Die Zeitung erschein» mit Ausnahme de»! Montags täglich und wird Nachmittag« 4 Uhr a»«- gegeben. Preis für da« Bierteljahr 1V, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. Nr. 44. — 21. Februar 18S6. DtiiW AgtilMt Ztlümg. -Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zn beziehe» durch alle Postämter de« In- und Auslandes, sowie durch die Expedition i» Leipzig (Querstraße Nr. 8). Juscrtionsgebühr für de» Raum einer Zeil« 2 Ngr. Das Dresdner Journal und die Gothancr. i. — Leipzig, 20. Febr. Wir haben in unserm neulichen Artikel (Nr. 4t) nur den einen Theil der sechs Spalten langen Ausarbeitung dcS Dresdner Journal, denjenigen, der sich dircct auf daß „Schwarze Buch" bezieht, be sprochen. Der zweite, wichtigere, ist noch übrig, und wir wollen ihm eine besondere Besprechung widmen. Es ist der Ausfall des ministeriellen Or gans auf die Gothancr. Inzwischen haben auch andere sächsische Blätter, namentlich die Freimüthigc Sachsen-Zeitung in einer ganzen Reihe von Ar tikeln und daS Chemnitzer Tageblatt, die von dem Dresdner Journal er hobenen Anklagen gegen die Golhaner — worunter, um dies sogleich hier zu bemerken, diese Polemiker sämmtlich die gesammte liberale Partei ver» stehen (denn sie sprechen von Gothanern „schon lange vor 1848") — in ähnlichem Sinne wiederholt und weiter ausgeführt. Unsere nachstehende Erwiderung gilt daher allen diesen Angriffen gemeinschaftlich. Unsere Gegner triumphiren: „Mit Schriften wie das sogenannte «Schwarze Buch» werde der Gothaischen Partei die Axt an die Wurzel gelegt." Sonderbar! Seit vollen fünf Jahren und länger hat man von jener Seite her verkündigt und immer von neuem verkündigt, daß die Go- thaische Partei todt sei, daß sie sich selbst ihr Grab gegraben habe, daß bas Volk nichts mehr von ihr wisse noch wissen wolle, daß ein großer Theil ihrer eigenen Mitglieder das Thörichte, Phantastische, Vergebliche ihres Beginnens einsehen gelernt, daß nicht das Geringste mehr von ihnen zu fürchten sei und man nur noch Mitleid mit ihrer Schwäche und dem Ver fall einer Partei fühlen könne, welche manche recht wackere Elemente in ihren Reihen enthalten habe, von denen nur zu bedauern sei, daß sie sich solchen Täuschungen und Verirrungen hingegcben, und was dergleichen Er güsse mehr der anscheinenden Selbstsicherheit und Geringschätzung jener Par tei waren. Und doch dürfen nur zwei, drei sogenannte Gothaner an irgendeiner WirthStafel oder bei einem gemeinsamen Freunde zusammentreffen, sogleich erhebt die sogenannte conservative Presse einen Lärm, als ob «me neue Re volution vor der Thür und der ganze Bestand der Dinge in Gefahr wäre. Oder es darf einmal in einer deutschen Kammer, wie neuerdings mehrfach geschehen, sich ein Geist größerer Unabhängigkeit, wol gar ein Wiederauf- zucken des nationalen Gedankens zeigen, sogleich schreit man, daß daran die Gothaner schuld seien., Oder einzelne Regierungen, welche den Geist der Zeit richtig begreifen, wollen sich nicht auf die Beschränkung der freier» Regungen deS Volkslebens und die Begünstigung ständischen Aasten- und Pri- vilegienwrsenS einlasscn— waS ander-künn dies sein als eine böse Frucht des GöihaiSmus, der noch in den Actenrepositorien und an den grünen Tischen der Büreaukratie jener Länder wie ein nicht zu bannender Kobold hernmspukt? Die mannichfaltigsten Euren, die heftigst^» Beschwörungen und Austreibungen hat man versucht, und immer noch sitzt dieser hartnäckige Giftstoff der Na tiv« im Blute und will nicht weichen! Man hat die Gbthaner von der parlamentarischen Bühne zu vevtrriben gesucht, und es ist zum großen Theil gelungen ; man hat die Organe, düe Partei, bis auf wenige, stumm, und diese wenigen sehr zahm gemacht; jeder äußere Zusammenhang der Partei ist längst verschwunden, melw noch infolge der allgemeinen Zeitverhältnisse als wegen der speciellen Maßregeln gegen alle politische Einigungen oder wegen einer polizeilichen Ueberwachung, die sie nicht zu scheuen haben würde. Aber trotz alledem und alledem lebt die Partei fort — in ihren Grundsätzen, welche man nicht zerstören kann, weil sie auf allgemein gül tigen geschichtlichen Wahrheiten und auf unableugbaren Bedürfnissen der Nation beruhen, in den unwandelbaren Ueberzeugungen ihrer Mitglieder, die im Geiste untereinander verbunden bleiben, auch wenn sie durch Schran ken des Raum- getrennt, n-ch allen Seilen hin zerstreut und fast von jeder gemeinsamen öffentlichen Wirksamkeit ausgeschlossen sind, in den Sym- pathien eines großen und wahrlich nicht des schlechtesten Theils des Volks, welchem man niemals rinreden wird, daß dieselben Männer, welche vor seinen Augen seit so vielen Jahren im Hellen Lichte der Oeffentlichkeit gewirkt haben, seiner Achtung und seines Vertrauens verlustig gehen sollten, weil ein obskurer Pamphletist, der nicht einmal den Muth hat sich zu nennen, aus dem Dunkel des ängstlich, gehegten Geheimnisses hervor mit Verleumdungen, die von Un- Wahrheiten und Leichtfertigkeiten wimmeln, und mit Beschuldigungen, welche durch ihre Uebertreibung sich selbst richten, jene Männer anfällt. Vor allem aber lebt die Gothaische Partei fort in den nimmer ruhenden Be sorgnissen ihrer Gegner — dies bezeugt aufs neue das „Schwarze Buch", dieS b^eugt dieser langathmigc Artikel des dresdener BlattS. Und sie haben Recht diese Gegner, mit immer wacher Besorgniß auf diese obschon nach ihren Verkündigungen längst getödtete oder lahmgclegte Gothaische Partei zu blicken. Nicht als ob die Gothaner.conspiriren, Ver schwörungen anzetteln, mit den Parteien im Auslände geheimes Einvcr- ständniß pflegen, das Volk aufwiegeln und Revolution machen würden, sondern gerade deshalb, weil sie — von alledem nichts thun. Man wähnt, ihnen „die Axt an die Wurzel zu legen", wenn man sie unter die Aufsicht der geheimen Polizei stellt und ihnen das Brandmal des „Verdächtig" gleich den Bcutelschneidern und Schwindlern au die Stirn schreibt — aber man führt seine Streiche in die Luft; denn Dasjenige, dessen die Gotha- ncr nicht blos „verdächtig", sondern offen geständig sind, dessen sie sich rühmen, wofür sie kämpfen und sich opfern, ist Etwas, was als verbre- cherisch zu proscribiren, zu verfolgen und zu bestrafen denn doch selbst bei jetzigen Zeitläuften, und bei noch ärgern, im Allgemeinen und auf die Länge kaum möglich sein wirb, wenn man es auch zeitweilig hier und da wirklich versucht hat. Das aber ist es eben, was man den Gothanern nicht vergeben kann, Das ist es, weshalb man sie öffentlich höhnt und ver spottet, während man sie im Geheimen fürchtet, Das ist cs, weshalb man gegen sie einen viel unversöhnlichern Haß hegt als gegen die blutrotheste Demokratie selber. Die letztere, das weiß man recht wohl, verdirbt ihre eigene Sache durch Ausschweifungen und Thorheiten und stößt die Sym- pathien aller Vernünftigen und Wohlgesinnten ab durch di« Ungesetzlichkeit ihrer Mittel und durch das Verbrecherische und Wahnsinnige ihrer End zwecke. Das Ziel dagegen, welches die Gothaner verfolgen, ist ein durch die Geschichte, durch die Vernunft, durch den allgemeinen Fortschritt der Bildung und Cultur nicht nur Berechtigtes, sondern Gefödertes; jeder Schritt, den das Volk auf der Bahn allgemeiner — socialer, wissenschaftlicher oder auch nur materieller — Verbesserung und Vervollkommnung vorwärts thut, führt diesem Ziele, folglich auch einem Siege der Ideen der Gothaner näher, und man müßt« den Geist wissenschaftlicher Aufklärung unterdrücken (an Versuchen dazu fehlt es freilich nicht, aber sie sind ohnmächtig gegen den unabänderlichen Gang der Weltgeschichte), ja, damit noch nicht genug, man müßte auch den materiellen Fortschritt hemmen, müßte die Eisenbah nen wieder zerstören, weil sie die Menschen in vielseitigere Berührung und die Ideen in rascher» Umlauf bringen, müßte den Erfindungen der Tech nik und den Entdeckungen der Naturwissenschaften Halt gebieten, weil je der tiefere Blick in die Natur und jeder neue Triumph, den der Men- schtngeist über die rohe Materie feiert, auch daS staatliche und gesillschaft- licht Bewußtsein der Menschen aufklärt und ihr Vertrauen auf di« eigene Kraft steigert, müßte dem Associationsgeiste auf dem Gebiete deS Verkehrt und der Industrie die Sehnen zerschneiden, weil er den Geist der Unab hängigkeit und das Streben der Selbstregierung in Staat und Gemeinde in seinem Gefolge hat; oder, wenn man dies Alles nicht will und nicht wollen kann (wie man es denn wirklich nicht kann), nun, so wird man auch nicht verhindern können, daß früher oder später die Ideen der Gothai schen Partei über den hartnäckigsten Widerstand ihrer Gegner triumphi- ren, daß sie in alle Poren des StaatSlebens und des VolksbewußtftinS -eindringen und mit stiller, aber sicherer und unwiderstehlicher Gewalt das Veraltete und Ueberlebte beseitigen, wie daS im Pflanzenkime schwellende junge Leben die alte, morsch« Hülle sprengt, welche cs vergeblich zurücki- zuhalten und einzuengen sucht. Wir wollten eigentlich nur gegen die Anklagen auftreten, wrlche der Artikel des Dresdner Journal gegen die Gothaner schleudert; aber das Bewußtsein einer gerechten und guten Sache hat uns aus Vertheidigern zu Anklägern gemacht, hat die Demuth, welche dem Schuldigen ziemt, in das stolze Gefühl des Unrechtleidcnden verwandelt. Damit jedoch unsere Gegner nicht sagen können: wir suchten hinter solchen Wendungen »ns nur einer Vertheidigung zu entziehen, welche glücklich zu bestehen wir uns nicht trauten, wollen wir in einem zweiten Artikel die Anklage Punkt für Punkt durchgehen und auf jeden Punkt einzeln und zwar mit Thatsachen Rede steht». Deutschland. Frankfurt a. M., 16. Febr. In der Bundestagssitzung am 14. Febr. wurde von dem betreffenden Ausschuß Vortrag erstattet über die Vorstellungen mehrer Zeitungsredactionen, die Beschränkung des Nach- drucks telegraphischer Depeschen betreffend. In letzter» wird hervor- gehoben, daß das journalistische Eigenthum noch des Schutzes der Gesetz« entbehre, der infolge hiervon den größern Zeitungsinstituten durch die klei nern Blätter zugesügte Nachtheil aber seit Einführung der Telegraphie durch Ausbeutung ihrer telegraphischen Mittheilungen weit empfindlicher werde, und hieran das Gesuch geknüpft: hohe Bundesversammlung wolle ihre Aufmerksamkeit dem Nachdruck telegraphischer Depeschen zuwenden und dessen Beschränkung durch analoge Anwendung und Ausdehnung der Bun- dcsbcschlüsse vom 9. Nov. 1837, 22. April 1841 und 19. Juni 1845 auf die selben herbeiführcn. Nachdem der berichtende Ausschuß zunächst auf das Ver- hältniß des journalistischen Eigenthums zu den erwähnten BundeSbeschlüssen aufmerksam gemacht, sodann die Mittel und Wege, welche bei Jnbttracht-