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Mittwoch. S. März L8S«. MoiPKiw. Die Zeitung erscheint MN Ausnahme des UU' O ff 2 --W - Deutsche Mgememt Zkilliiig Preis für das Vierteljahr I V, Thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. »Wahrheit und Recht, Freiheit und Tesch!» Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Expedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). IusertionSgehühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Deutschland. Preußen, ^-Berlin, 3. März. Die Nachrichten aus Paris über die zweit« Sitzung der Friedensconferenz haben vielfach überrascht. Uns nicht, und wol auch schwerlich den Leser dieser Blätter, wenn derselbe Dem einige Aufmerksamkeit geschenkt hat, was wir zu wiederholten malen über gewisse frühere Vorgänge bei Gelegenheit der Annahme der Friedens- bednigungen durch Rußland und über die den russischen Bevollmächtigten zur Friedensconferenz ertheiltcn Instructionen gesagt haben. Wir sind auf das hierher Gehörige nicht ohne guten Grund mehrmals zurückgekommen) denn es war vorauszusehen, daß hierin der Schwerpunkt des Ganzen lie gen und bei den fernern Verhandlungen der große Stein des Anstoßes daraus entstehen würde. Uebrigens ist Das, was der Jndependance brlge über die fragliche Sitzung mitgetheilt wird, nicht ganz richtig. Es sind andere, genauere und zuverlässigere Berichte darüber vorhanden, und wir befinden uns in der Lage, die folgenden nähern Andeulungen über die frag lichen Vorgänge in der Conferenz geben zu können. Was zunächst Bo- marsund betrifft, so ist die Angabe, daß die russischen Diplomaten erklärt hätten, nicht bevollmächtigt zu sein, auf die verlangte Nichtwicdcrbefcsti- gnng der ÄlandSinseln einzugehcn, höchst ungenau. Die russischen Bevoll mächtigten haben nicht erklärt, daß Rußland auf die gestellte Foderung unter keinen Umständen eingchen werde, sondern nur das „europäische In teresse", unter welchem Titel die Foderung gestellt wird, nicht anerkennen wollen, und demgemäß weiter deducirt, daß, wenn das europäische Interesse, wie unzweifelhaft nöthig, hier als leitend in den Vordergrund gestellt werden solle, die ÄlandSinseln entweder wieder befestigt oder für ihre Nichtwieder befestigung entsprechende Gegenbedingungen von anderer Seite gestellt wer den müßten, durch welche das nvthige Gleichgewicht in derNord- und Ost see in Zukunft aufrechterhalten werden könne. ES ist also hier von keiner principiellen Weigerung, sondern nur von Gegenbedingungen die Rede, und die letzter« waren cs auch lediglich, welche zu dieser ersten Differenz Ver anlassung gegeben haben. Was ferner von dem von Rußland aufgestellten Compeüsirungsprincip gesagt wird, ist ebenfalls höchst ungenau. Rußland versteht unter Compensirung nicht di« Räumung des von den Allilrten er- obtrten südlichen Theils der Krim für die Räumung deS von ihm eroberten Paschalik von Kars. Rußland sagt, daß ed für die zu bewerkstelligende Räu- mung deö südlichen ThrilS der Krim auf die dafür zur Compensirung gesoderte Abtretung eines Theils von Bessarabien eingegangen sei> und daß es darum sei nerseits für die Räumung des Paschaliks von KarS auf eine entsprechende An wendung desselben PrincipS der Compensirung ebenfalls Anspruch zu machen be rechtigt sei, sei eS nun,daß dieCompensirung hier stattfände für dcnabzutrctenden Theil von Bessarabien oder in welch anderer Weis«. Die dritte Angabe end lich, daß sämmtliche Mitglieder der Conferenz sich einmüthig gegen die von russischer Seite aufgestellten Gesichtspunkte ausgesprochen hätten, bedarf eben falls der Berichtigung. BloS bei der Frage in Betreff BomarsundS stan- dtn die russischen Bevollmächtigten allein da; was jedoch die Compensirungs- frage betrifft, so sollen, wie wir vernehmen, die In dieser Beziehung von den russischen Bevollmächtigten aufgestellten Wünsche und Gesichtspunkte von einem namhaften Mitglied der Conferenz als unbillige keineswegs erachtet worden sein. Alledem wurde namentlich von englischer Seite gegenüber- gestellt, daß eS sich hier um Gegenbedingungen und um die gleichmäßige Anwendung des CompensirungSprinrips für Rußland wie für die Wcst- mächtr nicht handeln könne, wenngleich die Eroberung von Kars und dem Pafthalik erst nach der Aufstellung und dem Abgänge der Friedensbedin gungen nach Prtersburg erfolgt sei; cs lägen hier eben dir Bedingungen vor, wtlche England und Frankreich auf Grund des fünften Punktes auf- zustellen für durchaus nöthig erachtet hätten, und ein unbedingtes Eingehen auf diese Foderungen müsse verlangt werden. Auf die Frage wegen der Reclificirung brauchen wir nicht näher einzugehrn, da di« Stellung, welche Rußland zu desselben einnimmt, mit dem von den russischen Bevollmäch tigten aufgestellten Princip der Territorialcompcnsirung in innigem Zusam menhang« steht. Die Frage wegen der Kriegskvstenentschädigung für die Türkei und, wie wir vernehmen, auch für Sardinien soll vorderhand mehr angedeutct und ventilirt, als bereits positiv zur Sprache gebracht worden sein. Bon französischer Seite soll man sich den fraglichen Differenzen ge genüber im Allgemeinen ziemlich reservirt gehalten haben. Wir beschränken uns für heute auf diese thatsächlichen Mittheilungen und bemerken, daß Sie jede ab weichende Darstellung der Sachlage, wie sich solche in der zweiten Conferenz- sitzung herauSgestellt hat,- als entstellt oder auf schlechter Information be ruhend erachten dürfen. An Bermittelungs- und Ausgleichungsvcrsuchen wird es natürlich nicht fehlen. Der Erfolg derselben ist abzuwarten. Wir unse rerseits gehören keineswegs zu den Optimisten um jeden Preis; glrichwol würden wir cs nur als sehr ungeeignet erachten können, wenn man aus ter angedeuteten Sachlage schon auf ein nahe« Scheitern der Conftrenzcn schließen wollte. Die Differenzen, welche hier hervorgetretcn sind, haben hervortreten müssen, und es ist hier eben die Dache der Diplomatie, zu zeigen, was sie kann, um daS von neuem drohende Ungewitter zu beschwö ren. So ungerechtfertigt aber, bis zu dieser Stunde wenigstens noch, jede zu weit gehende Besorgniß aber auch ist, ebenso ungerechtfertigt wäre auch ein zu leichtes Unterschätzen der Situation. Es wird, nach dem oben Ec- sagten, wol nicht noch des besonder» Beweises dafür bedürfen, daß vor der Meinung Derjenigen, welche ein Scheitern d«r Confercnzen für absolut unmöglich halten, heute noch mit demselben guten Grunde zu warnen ist, wie vor vier Wochen. Rußland sucht den Frieden, und da es einmal so weit gegangen ist, so wird es auch noch ferner lhun, was eS kann. Die Bemerkung der «Zeit», daß Rußland nachgeben werde, „so weit es nur möglich ist", halten wir darum auch für ganz richtig. Ob man aber DaS, waS England federt und wovon es nicht abgehen zu wollen erklärt hat, vom russischen Standpunkt als im Bereiche der Möglichkeit liegend erach tet, das ist eine andere Frage, und es geht aus den den russischen Bevoll mächtigten ertheilten Instructionen auch thatsächlich hervor, daß Rußland hi«rüber eben seine klar ausgesprochene eigene Meinung hat. (Die neuesten Berichte aus Paris in der Jndependance bclge bestätigen, indem sie die erste Nachricht des genannten Blatts selbst widerlegen, zugleich die Mitthcl- lungen unsers Correspondenten. D. Red.) — Im Herrenhause ist der Commissionsbericht über den Antrag des Hrn. Pieper, betreffend die Ueberlragung der örtlichen Pvlizeiverwaltung an besondere Staatsbeamte auf Grund des tz. 2 des Gesetzes vom 11. März 1850 über die Polizeiverwaltung, ausgegeben worden. Ungeachtet der Ver treter des Ministeriums des Innern in der Commission den Antrag in mehrfacher Beziehung für bedenklich erklärt hat, von dem nicht sowol eine Abhülfe vorhandener Uebelstände zu erwarten, der vielmehr als eine Quells neuer Uebelstande und Conflicte zu betrachten sei, beantragt di« Commis- sion dennoch einstimmig: dm Antrag anzunchmen und ihn der Staats regierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Ferner sind dem Herren- Hause folgende neue Anträge zugegangen: I) Von dem Hrn. v. Below und 22 Genosse«, auf Annahme eines beigefügtcn Gesetzentwurfs, als Ergän- zung und Erweiterung des Gesetzentwurfs, betreffend die ländlichen Orls- sbrigkeiten in den sechs östlichen Provinzen vom 17. Dec. 1855, und 2) von dem Baron v. Senfft und 28 Genossen, auf Annahme eines bei gefügten Gesetzentwurfs wegen Beschränkung dcr Branntweinschenkwirlb- schaften. Der Entwurf bestimmt in seinen ersten vier Paragraphen Folgendes: K. I. Der Kleinhandel mit Branntwein (worunter auch Liqueur zu verstehen ist) darf nur i» Schankstätten stattstnden. 8. 2. Zeter Berkans von Branntwein an Frauen oder Mädchen, oder an noch nicht vierzehnjährige Knaben ist bei 10—50 Thlrn. Strafe verboten. Bei der zweiten Wiederholung tritt Cvnccfßonscntziebnug ein. §. 3. Unter Androhung gleicher Strafen ist jeder Berkaus von Branntwein an Sonn- und Feier tagen verboten. § 4. Klagen wegen Schulden, welche von dem Verschenken von Branntwein und von dem Kleinhandel mit demselben herriihrcn, werden von den Ge richten nicht angenommen. -j-Aus dem Regierungsbezirk Merseburg, 2. März. Wie schr man auch die Bedeutsamkeit unserer Schwurgerichte dadurch vermindert hat, daß ihnen die politischen und Prcßprocesse entzogen worden, so sind sie unsern Aristo-Burcaukraten doch immer noch ein Dorn im Auge. Ihre Freude über das plötzliche Auftauchen von Broschüren gegen das Institut dcr Assiscn ist daher sehr groß. Airch hat sic zu einer inncrn Mission xo- litischer Natur begeistert, indem in mehren Dörfern des Saalkreises der gleichen Flugschriften unentgeltlich vertheilt worden sind. Außerdem wird ein namhafter Jurist zu Wittenberg in Verbindung mit einem sonst ob- scurcn Geistlichen in der Gegend von Merseburg eine Broschüre veröffentliche, worin die „Unnatur dcr Schwurgerichte in einem christlichen Staat" dar gelegt werden soll. — Unter den Abiturienten des diesseitigen Dcpar- tement, welche jetzt das Maturitätszeugniß erhalten haben, sind wie derum nur wenige, welche sich auf dcr Universität dem Studium der Theo logie zu widmen gedenken. — Dcr Gymnasialdirector vr. Wehrmann in Zeitz ist zum Provinzialschulrath dcsignirt. — Der im vorigen Sommer von der Stadtverordnetenversammlung zu Halle fast einmüthig zum dor tigen Oberbürgermeister gewählte Negierungsrath und Landwchrhauptmann v. Voß hat die königliche Bestätigung noch immer nicht erhalten. Thüringische Staaten, -j-Gotha, 2. März. Die Wcimarische Bank, welche bereits in zwei Städten Thüringens Filiale errichtet hat, soll, wie man hört, die Errichtung eines solchen auch in Gotha beabsichtigen. Infolge dessen ist unter der hiesigen Kaufmannswclt die schon vor mehren Jahren angeregte Idee der Gründung einer Zettel bank am hiesigen Ort von neuem in jüngster Zeit dcr Gegenstand vielseitiger Besprechung gewe sen, die mit um so größerer Lebhaftigkeit geführt wmde, als die princi- picllcn Gegner des Bankprojccts weder an Zahl noch an Gewicht unbe deutend sind. Bisjcht sind die Verhandlungen noch nicht in die Oeffent-