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Landung von Vorräthen rascher fortfahren, und die Transportschiffe in der Bai müssen wieder ihre Boote und Lichter in Bewegung sehen, sehr zu ihrem Verdruß, denn die Eisbrücke war ihnen bequemer. Wir dagegen sind über den Witterungswechsel voller Freude, denn bei den täglichen Ge rüchten , daß die Russen über den gefrorenen Seearm heranmarschiren wollen, war unsere Position nicht die behaglichste. Unsere tatarischen Spione melden uns seit einem Monat fortwährend, daß ein großer Haufe Russen sich bei Argin verschanzt, woraus zu schließen ist, daß sie entweder einen Angriff auf Kertsch vorhaben oder, weil das Asowsche Meer jeht von unsern Kanonenbooten beherrscht wird, die Landzunge von Arabat be nutzen, um Vorräthe in das Innere der Krim zu schaffen. Letzteres ist das Wahrscheinlichste, weil sie seit der Kinburnaffaire auf den Verlust von Perekop gefaßt sein müssen. Inzwischen ist General Vivian nicht müßig gewesen, und hat trotz seiner beschränkten Mittel Kertsch so befestigt, daß es einer Armee von 30,000 Mann Trotz bieten kann. Dem Mangel an Positionsgeschützen ist, dank dem Oberfeldherrn vor Sewastopol und dem Seriasker in Konstantinopel, jetzt auch abgeholfen; der Letztere hat uns nämlich einige schöne 32-Pfünder aus der Gießerei von Tophane geschickt. Unser Fort Paul ist ein zweiter Malakow; die türkischen Soldaten haben unter der Leitung von Major Stokes wieder einmal gezeigt, was sie für tüchtige Schanzgräber und Erdarbeiter sind. Am 6. Ian. (russische Weih nacht) statteten uns die Herren Kosacken einen Besuch ab. Ein Rudel von etwa 3000 Mann kam bis auf 4—5 Meilen vor Kertsch, Alles war auf dem Hui vivs und selbst das fest eingefrorene Kanonenboot Weser hatte seine Geschütze so gerichtet, um mit Bomben und Paßkugeln über die Stadt wegfeuern und die Jenikalestraße bestreichen zu können. Als jedoch unsere Reiterei ausrückte, zogen sich die Kosacken zurück. Am Abend kehrten sie wieder und legten die sechs englische Meilen entfernte spanische Meierei in Asche. Wir hatten von dort bisher reichliche Vorräthe bezo gen. Der Gesundheitszustand des Contingents läßt nichts zu wünschen übrig. Alle Departements sind in bester Ordnung, und das Commiffariat hat Proviant auf vier Monate liegen. Nur das Landtransportcorps wird einer Verstärkung bedürfen, da das Contingent selbst um 8000 Mann vermehrt ist. In Jenikale haben die Leute vom 71. Regiment ein präch tiges Theater eingerichtet und spielen einmal wöchentlich vor einem zahl reichen Publicum; unsere Türken dagegen geben einander Soiröen und unterhalten sich beim Kaminfeuer auf echt Morgenländisch mit Märchcn- erzählen." — Nachrichten aus Trebisonde vom 28. Jan. besagen: „Die Russen ha ben einen Theil von Armenien geräumt und sich nach Eriwan gezogen. Die transkaukasische Expedition unter Omer-Pascka besindet sich in gänzlicher Stagnation; der Kern dieser Armee wird in Erzerum concentrirt und Omer- Pascha nächstens hier erwartet." Laut Berichten aus Trebisonde vom 9. Febr. ließ England an den dortigen Küsten einen zur Landung für 25,000 Mann geeigneten Punkt aufsuchen. — Die türkische Negierung hat 2000 Mann mehr für das englisch, türkische Contingent bewilligt. — Aus Konstantinopel vom 4. Febr. wird berichtet: „Bedeutender Ab schlag der Preise aller Kriegsbcdürfniffe und plötzliche Stockung sämmtlicher Lieferungsgeschäfte ist eingetreten. Die Truppenzahl in und um Konstan- tinopel ist außerordentlich reducirt, das Maslaklager zählt kaum 1000 Franzosen; von den Engländern liegt bloß einige Cavalerie in Skutari, und zweij Bataillone in Pera und Galata-Serai. Der Dampfer Ajac cio ist dem nach Paris abgehenden Ali-Pascha zur Verfügung gestellt worden; als sein Stellvertreter wird Mohammed-Köprili bezeichnet. Der Sultan beehrte den Maskenball im englischen Palais mit seiner Gegen wart." — Die Triester Zeitung enthält die von der Pforte genehmigten folgenden 21 Ne formpunkte: Aufrechthaltung des Hattischcrifs von Gülhane, Ge währleistung alter geistlichen Privilegien der griechischen und armenischen Kirche, Enthebung der Patriarchate von weltlicher und judicieller Gewalt, Gleichstellung der Culte, Verzicht auf Verfolgung und Bestrafung wegen Glaubenswechsels, Zulassung der Christen zu Staatsämtern, Errichtung all gemeiner Volksschulen, Einführung weltlicher Gerichtsbarkeit für die Na» jahs, Codisication der bestehenden Civil- und Criminalgesetze, Gesetzbuch in allen Neichssprachen, Gcfängnißwesenreform, Polizeireform, Najahrekruti- rung und Zulassung der Christen zu militärischen Graden, Umgestaltung der Provinzialbehörden, Gütcrerwcrbfähigkeit der Franken, directe Besteue rung, Verbesserung der Communicationswege, Staatshaushaltsbudgets, christliche Vertretung im Staatsrathe, Creditinstitutc für Handel, endlich Münzreform. Griechenland. Athen, 8. Febr. Der Jahrestag der Ankunft des Königs im Lande ist festlich begangen worden. Admiral Jaquinot und Mehmed Ali- Pascha haben das Großkreuz des Erlöserordens bekommen. Haiti. Nachrichten aus Port-au-Prince vom 1. Jan. bestätigen die von den haitischen Truppen durch die Dominicaner erlittene Niederlage. Kai ser Faustin ist seit der Schlacht verschollen, und General Santana hat einen Preis von 10,000 Dublonen auf seinen Kopf gesetzt, gleichviel, ob Sou- louque lebendig oder tobt eingebracht wird. Man versichert übrigens, daß der geschlagene Kaiser nicht besser daran sein wird, wenn er seinen Unter- thanen als wenn er seinen Feinden in die Hände fällt. Die Erbitterung an wider ihn ist zu einer solchen Höhe gestiegen, daß er so ziemlich darauf rechnen kann, in Port-au-Prince ebenso gut als in San-Domingo erschossen zu werden. ^ö«ig*eich Skachfe«. X Leipzig, 15. Febr. Die Kraft und die Lebensfähigkeit des Deut schen Zollvereins gibt sich an seinem langsamen, aber sichern Vor- schreiten am besten kund. Die Grundzüge hierzu, im Jahre 1818 für den preußischen Staat wie die in diesem Lande liegenden Herzogthümcr entworfen und in das Leben gerufen, erregten bald die Aufmerksamkeit der übrigen deutschen Bundesstaaten, von denen im Jahre 1828 das Groß- herzogthum Hessen sich an die preußische Zollvcrfassung anschloß. Im Jahre 1829 kam zwischen dem preußischchessischen und dem bairisch-württembergi- schcn Verein ein Handelsvertrag zustande, während 1831 Waldeck und Kurhesscn dem preußisch-hessischen Verein beitrat. Während der Jahre 1834 — 36 traten sämmtliche übrigen deutschen Bundesstaaten dem ur sprünglich preußisch-hessischen Verein bei, mit Ausnahme von Oesterreich, Hannover, Braunschweig, Oldenburg, den mecklenburgischen Hcrzogkhümern, Schaumburg-Lippe, Luxemburg und den Hansestädtcn. Der Zollverein war hierdurch constituirt, und die Volksmenge, welche derselbe zu jener Zeit umfaßte, betrug 26'/4 Millionen. In den Jahren 1841 und 1842 traten Braunschweig und Luxemburg dem Zollverein bei, welchen während man cherlei innern Kämpfen und drohenden Spaltungen im Zollverein im Jahre 1854 der vormalige Steuervercin, bestehend aus Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe, folgte. Zu gleicher Zeit trat das mit Oesterreich und seinen Verbündeten seitens des Zollvereins abgeschlossene Handelsbünd- niß ins Leben und hat bereits so wichtige Ergebnisse nach beiden Seiten hin ^geliefert, daß man sich mit einiger Gewißheit der frohen Hoffnung hingeben kann, schon nach einigen Jahren beide Theile zu einem großen Zollverein und Handelsgebiet verschmolzen zu sehen. Mit dem 1. Jan. 1854 umfaßte der Deutsche Zollverein etwas über 31 Millionen Seelen auf ei ner Fläche von circa 9000 Quadratmeilen, während das österreichische Zoll gebiet circa 38 Millionen Einwohner mit einer Grundfläche von 12,345 Quadratmeilcn in sich birgt. Beide Körper zusammengcdacht würden die größte Zolleinigung auf dem europäischen Continent bilden; seine Wirkun gen auf den Handel und die Industrie der hiervon umschlossenen Länder würden unberechenbar sein. Die treffliche Vertheilung in diesen Ländern zwischen Bodencultur und Industrie sowie die Umspülung dreier Meere, der Nordsee, Ostsee und des Adriatischen Meeres, würde» den Handel auf den innern Märkten wie denjenigen mit andern Nationen gleich großartig und gewaltig zur Erscheinung bringen. Durch Harburg hat der Zollverein einen festen Fuß an der Nordsee gefaßt, und munter wächst diese Stadt in lebhaftem Speditionsverkehr sowie eigenem Handel seit zwei Jahren em por. Bon 691 im Jahre 1852 seewärts angekommenen Schiffen hob sich dieselbe im Jahre 1855 auf 1118 Schiffe, worunter 100 Dampfboote mit Ladung von holländischen Häfen, 5 Dampfboote mit Ladung von eng lischen Häfen, und 11 mit Früchten, Oel, Wein, Stückgütern und rohem Schwefel beladene Schiffe aus mittelländischen Häfen sich befanden. We der Mecklenburg noch die Hansestädte werden auf die Länge der Anziehungs kraft des Zollvereins widerstehen können. Bremen, welches eine sehr thä- tige und intelligente Kaufmannschaft besitzt, scheint den Anfang machen zu wollen. Von 1840 mit dem Zollverein abgeschlossenen gegenseitigen Ver kehrserleichterungen ging es am 19. Dec. 1853 zu einem Abschluß erwei terter Verkchrserleichterungen über, welche in neuester Zeil zu einem für beide Theile wichtigen Handelsverträge geführt haben. Von Seiten der zoll- vereinsländischcn Kaufmannschaft wird derselbe mit Dank und Freude be grüßt, da derselbe unter andern wichtigen Bestimmungen die Errichtung eines zollvereinsländischen Hauptzollamts in Bremen, die Etablirung einer zollvereinsländischen Niederlage mit der Begünstigung, Erzeugnisse des Zoll vereins hierin zu lagern und solche zollfrei wieder in das Zollvereinsgeöict zurückführcn zu dürfen, und die gegenseitige Befreiung der Handelsreisen den von der Gewerbesteuer in Aussicht stellt. Für das Exportgeschäft zoll- vereinsländischer Jndustrieartikel über Bremen sind diese Vereinbarungen Vortheile, welche von allen Betheiligten gewürdigt werden. Der zollvcreins- ländische Fabrikant ist erst jetzt im Stande, ein Waarcnlager seiner Fabri kate in Bremen zu halten, und zweifeln wir nicht, daß, wenn solches in reichem Maße geschieht, sich daselbst ein stärkeres Ansammcln überseeischer Einkäufer als zeither bilden wird. Auf alle Fälle dürfte es für zollvereins ländische Fabrikanten von nun an gerathener sein, ihre für den Export bestimmten Waaren in die bremer zollvereinsländische Niederlage zuhanden eines tüchtigen bremer Exporteurs oder Agenten zu legen, als solche in Consignation nach irgendeinem amerikanischen Hafen zu geben. — Der Neuen Preußischen Zeitung schreibt man aus Leipzig vom 14. Febr.,: „Soeben verbreitet sich die Nachricht, daß Professor Kahnis den an ihn ergangenen Ruf nach Erlangen abgelchnt hat. Dem Vernehmen nach hat auf die Entscheidung des vr. Kahnis der ihm kundgegebene Wunsch des Fürsten von Reuß-Greiz (dem Geburtslande desselben) mitgcwirkt." — In Chemnitz wird ein neues Postgcbäudr gebaut werden, und ist darüber bereits eine Verordnung des Finanzministeriums ergangen. Ueber den Platz für das neue Gebäude schweben die Verhandlungen noch, doch glaubt man, daß der vom Stadtrath vorgeschlagcne Bauplatz am Chemnitzer Thore von der Regierung gewählt werden wird, wenn einige von ihr in Bezug ausgestellte Bedingungen vom Stadtrath erfüllt werden.