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326 Paris, 13. Fkbr. Baron Brunnow, der gestern Abend, wie schon gemeldet, hier eintraf, ist im russischen GesandtschaftShötel abgestiegen. Der Polizeipräfcct schickte sogleich eine Abtheilung Stadtsergeanten dahin ab, um jede Ansammlung von Neugierigen vor dem Gebäude zu verhüten. Hr. v. Brunnow hat heute dem Grafen Walcwski einen Privatbesuch ge macht, wird aber vom Kaiser nicht vor Ankunft der andern Bevollmächtig ten empfangen werden. Heute Abend wohnte er mit seinem ganzen Gesandt- schaftspersonalc einer Vorstellung in der Großen Oper bei. — Graf Buol wird mit seinem Gefolge das Hotel de la Terrasse in der Rue Rivoli bewohnen. Graf Cavour wird, wie Lord Clarendon, im Hötel du Louvre absteigcn, und Ali-Pascha im türkischen GesandtschaftShötel wohnen. Wie man ferner erfährt, finden die Confcrenzen im Salon der Gesandten im Ministerium des Acußern statt. Dieser Salon liegt neben dem Arbeitszimmer des Gra fen Walewski. Was die Friedensunterhandlungen selbst betrifft, so sollen dieselben schon sehr weit vorgeschritten sein. Es scheint, daß man sich da bei des Telegraphen bediente, der in der letzten Zeit von Regierungsdcpe- schcn stark in Anspruch genommen war. Die Patric glaubt, daß die Un terhandlungen am 18. Febr beginnen werden. Das halbofficielle Blatt ist ebenfalls der Ansicht, daß die Unterhandlungen sehr rasch vorwärtsschreiten werden und daß der Abschluß des Friedens bei Eröffnung des Gesetzgeben den Körpers «»gekündigt werden kann. Großbritannien. Der Globe widmet dem „Junkerthum" in Preußen, diesem „furchtbarsten Feinde parlamentarischer Ordnung", einen Leitartikel. Der Globe gesteht, daß, obwol auch England von der „groben und enggeisti- gcn Selbstsucht" der'Kaste zu leiden gehabt hat und jeder praktische Pa- triot auf zeitweilige Ncaction gefaßt sein muß, die Gcduldprobc, auf welche die Liberalen in Preußen gestellt werden, alle Begriffe übersteige. Doch sollten die Liberalen nicht verzweifeln, sondern ihre Zeit abwarten und sich erinnern, daß auch in England die wirklich werthvollen Bcstandthcile der Verfassung nicht auf dem Wege der Revolution gewonnen worden, son dern nur durch Revolutionen ratificirt worden seien, wahrend noch in kei nem Lande eine durch Gewalt errungene Verfassung am Leben geblieben sei u. s. w. Dänemark. Kopenhagen, 13. Febr. Als siebenter Reichsrath für Seeland wurde Conferenzrath Madvig gewählt. — Im Reichsgericht wurde heute die Dokumentation beendigt; morgen beginnt der eigentliche Proceß. (H. N.) Rußland. Der Allgemeinen Zeitung schreibt man aus Wien vom 9. Febr.: „Ein aus der nächsten Umgebung des Großfürsten Konstantin an eine hiesige hohe Persönlichkeit gerichtetes Schreiben von neuem Datum er wähnt unter Anderm, daß der Großfürst Konstantin (den man als das personificirte Kriegsprincip Rußlands darzustellcn gewohnt ist) sich im ent scheidenden Augenblick nicht minder willfährig zu Gunsten des Friedens gezeigt hat wie sein Bruder." — Aus Kalisch vom 10. Febr. schreibt man der Ocsterreichischen Zeitung: „Von einer Wicderbesetzung der vier Bisthümer in Polen, welche der Telegraph durch ein eigenhändiges Schreiben Alexander's II. an den Papst eifrig verkündigen läßt, ist hier gar nichts bekannt; vollends aus der Luft gegriffen ist aber die angebliche Errichtung von sechs andern Bisthümern in Rußland. Dort sind die im Verhältnis zu der Anzahl von Katholiken unter dem Erzbischof von Mohilew stehenden wenigen bischöflichen Stühle besetzt, und es ist zur Errichtung von sogar sechs neuen Bisthümern weder ein Bedürsniß noch sind bei den Katholiken selbst Wünsche vorhanden. Der gleichen fingirte Meldungen gehören in eine Kategorie mit der oft gemel deten Aufhebung der Leibeigenschaft in Rußland." Türkei. H Vor Sewastopol, 24. Jan. Die Sprengung der großartigen Docks, dieser wahren Meisterwerke fortificatorischcr Baukunst, bildet seit den letzten zwei Wochen das alleinige Tagesgespräch im ganzen Lager. Am 17. Jan. Morgens ging ich, die Vorbereitungen zur Sprengung des Fun daments der westlichen Docks zu besehen, da sich am Tage vorher im La- ger die Nachricht verbreitete, daß die Explosion am 18. Jan. Nachmittags stattfinden solle. Der Hafendamm gegenüber den unterminirtcn Docks war von Offizieren jeden Ranges überfüllt, die sich über den Gegenstand un terhielten und auf das Resultat der gelegten Minen sehr gespannt waren. Man konnte indessen die Details der unterirdischen Arbeiten nicht besehen, denn es war um dieselben ein Kreis von Schildwachen aufgestellt, die nur die bei der Arbeit angcstellten Offiziere und Genietruppen durchlaffen durften. Durch die Gefälligkeit eines mir bekannten Offiziers erfuhr ich indessen, daß die englischen Ingenieure der Länge der genannten Docks nach acht Minenöfen, jeden zu 161 Pfd, Sprengpulver, gelegt hatten, und den Ab stand der Oefen voneinander so berechneten, damit im Augenblicke der Ex plosion die Wirkung eine wechselseitige werde. Die Oefen sammt dem Leit- feuer lagen drei Schuh unter Wasser, und als ich mich am 17. Jan. Mor gen- auf dem Hafendamme befand, arbeitete man nur noch an dem Leit- feuer, das unter dem Wasser wie begreiflich mit besonderer Vorsicht und Pünktlichkeit eingerichtet werden muß, wenn nicht die ganze oder ein Theil der Explosion in Frage gestellt werden soll. Am 18. Jan. gegen 5 Uhr Abends verkündete ein furchtbarer Knall mit einer erdbebenähnlichen Er schütterung das Aufstiegen der Minen, und als ich TagS darauf nach dem Schauplatz des Zerstörungswerks ging, war von dem stolzen Bau nur noch ein schwarzer chaotischer Trümmerhaufen zu sehen. Ich muß aufrich ¬ tig gestehen, daß mich bei der Betrachtung des letzter» ein wehmüthigeS Gefühl beschlich, denn ich sah in diesem Augenblick nicht die feindlichen Werke, sondern ein großartiges Menschenwerr vernichtet I Ich dachte an die Vergänglichkeit der Menschengebilde und mich schauderte eS vor ihrem wildesten, erbittertsten Feinde, dem — Krieg! Hier fiel mir unwillkürlich der dämonische Ausspruch in Gocthe'S „Faust" ein: Alles, was entsteht. Ist werth, daß es zugrunde geht! Am folgenden Morgen sollte der östliche Hafendamm, der zwischen der Ein fahrt der östlichen und der Centraldocks liegt, gesprengt werden. Man legte dort sieben Oesen, wovon sechs mit 400, jener aber unter dem Haupt knotenpunkte des Granitdammes mit 800 Pfd. Pulver geladen waren. Von diesen sieben Oefen flogen jedoch nur vier auf, und unter den drei, die ver sagten, befand sich auch die erwähnte Hauptmine von 800 Pfd. Ladung. Man mißt die Schuld dieser halbmislungenen Arbeit dem elektrischen Leit- feuer des Hrn. Deane bei, das trotz der Annahme, die es von der könig lichen Artillericdirection erfahren, nicht ganz verläßlich sein soll. Die Fran zosen übernahmen die Demolirung der Granitdämme an der Einfahrt zum Hafen und legten in die Seitenwände zwölf Oefen zu 500 Pfd., während sie, um das Fundament zu zerstören, 18 Fuß unterm Wasser eine Mine mit 2000 Pfd. Pulver luden. Das erschütternde Getöse der letztern kann man sich kaum vorstellcn und die Gewalt der Pulvermasse riß im Moment der Explosion eine bei 30 Fuß hohe Wassersäule in die Luft! Morgen und die folgenden Tage sollen noch andere Theile der östlichen Docks gesprengt werden und dann wird die Reihe an die westlichen Werke kommen. Die französische Mineurcommission wollte zuerst das in den russischen Magazi nen Vorgefundene Pulver zur Ladung der Sprcngöfen verwenden, allein nach einer chemischen Untersuchung stellte es sich heraus, daß das russische Pulver dem französischen bei weitem nachstehe. Vor drei Tagen ist es den französischen Arbeitern nach einer sehr mühevollen Anstrengung gelungen, das große eiserne Thorgitter, welches die Einfahrt zu den östlichen Docks verschloß, loszumachen. Dasselbe wird zu Wasser nach Kamiesch gebracht werden, um von dort gleich den übrigen Trophäen nach Frankreich zu gehen. Wenn Sie mich um Lagerneuigkeiten fragen, so kann ich nur ant worten, daß hier Alles im Statusquo ist, und nur die nächtliche Kanonade am 20. Jan. hat in den Winterschlaf des Kriegs einige Bewegung ge- bracht. Schon am 17. und 18. Jan. kam die Meldung ins Lager, daß der Feind auf den Abhängen der Mackenziehöhen, die nördlich das Tscherna- Rjetschkathal beherrschen, einige neue Batterien erbaue und mit großer Aem- sigkeit an ihrer Vollendung arbeite. Am 20. Jan. beim Einbruch des Abenddunkels eröffneten diese Befestigungen auch wirklich ihr Feuer, uns concentrirten dasselbe vorzüglich gegen die Traktirbrücke und die Fedjuchine- höhen. Indessen war die Entfernung des Objects für das Kaliber der russischen Geschütze zu groß und die meisten Bomben zerplatzten in der Luft öder in dem rings aufgewühlten mit Schnee und Koth bedeckten Grunde. Im Lager war Alles unter den Waffen und zum Gefechte bereit, da man einen Angriff des Feindes auf unsern äußersten rechten Flügel besorgte. Ein paar Bataillone Infanterie mit etwas Reiterei wurden auf jener Seite auch auf Recognoscirung geschickt, allein die von dieser Expedition ins La ger zurückgeschickten Ordonnanzoffiziere meldeten, daß von einer Annähe rung des Feindes nichts zu bemerken sei. Kurz nach dem Beginn des Feuers von den Mackenziehügcln fingen auch die russischen Geschütze auf den Anhöhen von Inkerman zu donnern an, und von Zeit zu Zeit warf der Feind auch aus den Nordwerken der Festung einige Bom ben in die Ruinen Sewastopols hinüber. Die ganze Kanonade dauerte mit ziemlicher Heftigkeit Dreiviertelstunden, nach welcher Zeit sie nur in einzelnen Pausen fortgesetzt wurde, bis sie endlich gänzlich ver stummte. Soviel mir bekannt ist, hatten wir bei diesem Geschützge- fechte keinen Todten zu beklagen, und nur an der Traktirbrücke sollen ein paar Mann von den Vorposten durch Bombensplitter verwundet wor- den sein. — Am 21. Jan. verbreitete sich im Lager plötzlich das Gerücht von Friedensanträgen, dem aber Niemand recht Glauben schenken wollte. Tags darauf aber theilte Marschall Pölissicr dem General Codrington die darauf bezüglichen aus Konstantinopel erhaltenen Depeschen mit, und in wenigen Stunden war die officielle Nachricht dir ganzen Armee bekannt geworden. Sie fragen vielleicht, wie dieselbe ausgenommen worden ist. Von einem Theile mit Enthusiasmus, von dem andern mit einem ungläu bigen Kopfschütteln. Auch Ihr Korrespondent gehört nicht zu den Enthu siasten. Waus V6I-ION8! — Das Polencomite in Konstantinopel hat an seine Landsleute in der Krimarmee eine Einladung geschickt, worin diese zu Beiträgen zu einem Denkmale für den verstorbenen Dichter Adam Mickiewicz ersucht werden. — Die neuesten Nachrichten aus der Krim sind vom 31. Jan. An die sem Tage war das letzte sewastopoler Dock gesprengt worden. Das Fort Nikolaus ist unterminirt. Die NordfortS unterhalten fortdauernd noch ein sehr lebhaftes Feuer gegen die Stellungen der Verbündeten und haben im Lager des Generals Bazaine einige Unglücksfälle herbeigeführt. Fünf eng lische Regimenter trafen Vorbereitungen zur Rückkehr nach England. 300V Mann nebst zwei Batterien wurden theils nach Kertsch, theilö nach Eupa- toria geschickt. Am 30. Jan. schiffte sich das ägyptische CorpS nach Varna ein. Berichte aus Kinburn vom 24. Jan. melden das Eintreten vonThau^ Wetter. Die erwarteten Verstärkungen trafen ein, und eS herrschte in je nen Gegenden die entschiedenste Ruhe. — AuS Kertsch vom 24. Jan. schreibt man der Times: „Da die star ken Südwinde endlich das Eis aufgethaut haben, können wir mit der