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Donnerstag. , 'l/. . . L-tHziA. Die Zeitung erscheint mit Ausnahme de- MontagS täglich und wird NachmmagS 4 Uhr auS- gegeben. Prtts für das Vierteljahr 1thlr.; jede einzelne Nummer 2 Ngr. 7. Febrnar 18SS Nr. 32 DtuW Mgmkim Zeitung «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Erpcdiiw» in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Jnsertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Preußens Weigerung. — Leipzig, 6. Febr. Was uns noch immer gegen den mit soviel Zu versicht in Aussicht gestellten Friedcnsabfchluß mistrauisch macht, ist vor allem das Verhalten Preußens gegenüber den bevorstehenden Friedensunter handlungen. Es ist längst kein GeheimNlß mehr, daß Oesterreich die Be theiligung Preußens und des Deutschen Bundes an diesen Verhandlungen dringend wünscht, daß seine Diplomatie in diesem Sinne sowol in Berlin als an den Höfen der Mittelstaaten unausgesetzt thätig gewesen ist, daß es ihm aber glcichwol bisher nicht Hal gelingen wollen, den Widerstand Preu ßens gegen diese ihm angesonnene Betheiligung zu überwinden, und daß, jedenfalls infolge dessen, auch die Mittelstaaten mit einer Erklärung, wie Oesterreich sie wünscht, zögern. Zsi nun schon der Eifer, womit Oester reich diese Sache betreibt, gerade im gegenwärtigen Momente etwas auf fällig (da offenbar Oesterreich für seine deutsche und europäische Stellung mehr gewinnt, wenn es ohne Beihülfe Preußens den Frieden mit seinen westlichen Verbündeten allein zustande bringt), so ist die Abneigung Preu- ßenS gegen eine Betheiligung an dem Frirdcnswerke, wenn es mit diesem so steht, wie man allgeNlein versichert, geradezu unerklärlich. Denn welche günstigere Gelegenheit könnte sich Preußen wol wünschen, um in das euro päische Concert ein-, und auS seiner vereinsamten Stellung herauszutreten, als diese CoNferenzen, bei denen es, wenn man den allgemeinen Versiche rungen von der Gewißheit des Friedens glauben darf, nicht das Geringste zu wage» und doch soviel zu gewinnen hat? Rußland, sagt man, hat alle Bedingungen ohne Rückhalt angenommen; Rußland wird auch bei der Feststellung dieser Bedingungen im Einzelnen nichts zurücknehmen, keine Ausflüchte und Winkelzüge machen; auch ihm ist cs ernstlich um den Frieden zu thun. Nun wol den»! was hätte Preußen dann zu riskiren, wenn es die Vorschläge, die von Rußland bereits angenommen sind, von denen Rußland, wie man immer aufS neue versichert, nicht zurücktreten, an denen cS nicht mäkeln wird, sich gleichfalls nachträglich aneignete? Was hätte es zu riskiren, wenn es sich sogar verpflichtete, zur Erzwingung dieser Vorschläge mitzuwirken, falls Rußland dennoch Schwierigkeiten machen sollte? Rußland wird ja, so versichert man, keine Schwierigkeiten machen; an Rußland wird es nicht liegen, wenn der Friede nicht zustande kommt; Rußland meint es mit seiner Friedensliebe durchaus aufrichtig. Und Preußen, das darf inan doch wol als gewiß voraussehen, weiß ganz ge nau, was Rußland im Ernste will oder nicht will. Was also, wir fra gen noch einmal, kann Preußen für ein Bedenken haben, etwas zu unter stützen, wogegen Rußland selbst sich nicht mehr sträubt? oder eine Ver pflichtung einzugehen, die, wenn sich Alles so verhält, wie man sagt, nichts weiter sein würde als eint leere Form? Man könnte vielleicht einwtnden: Preußen fürchte nicht Rußlands Zurücktreten von der einmal eingenommenen Basis, wol aber der Verbün- deten und insbesondere Englands Darüberhinausgehen. Allein diese Be sorgniß kann im Erlist unmöglich vorhanden sein. Die Bedingungen sind genau formulirt, und es ist selbstverständlich, daß nur für diese so formu- Urten Bedingungen Preußen sich verpflichten würde. Sollten die Westmächte über diese Formulirung hinausgehen oder derselben einen Sinn unterlegen wslltN, welcher Mit einer geraden und ehrlichen Auslegung nicht bestehen könnte, so würde Preußen natürlich nicht gebunden sein, eine solche In- terptetatidn sich anzueignen und dafür einzustehen. Welche große Freiheit des selbständigen UrlheilS in dieser Hinsicht die Westmächte ihren Bundes genossen einraumen, hat sich deutlich bei den Wisner CoNferenzen des vo- Ligen Jahres gezeigt, wo Oesterreich den bekannten dritten Punkt (wegen des Schwarzen Meeres) in einer Weise auffaßte, gegen die sich wahrhaftig selbst vom Standpunkt einer sehr gemäßigten Auslegung desselben gar Vie- les einwenden ließ. Was insbesondere den jetzigen fünften Punkt (auf den man sich hierbei wahrscheinlich speciell berufen wird) anlangt, nämlich den Vorbehalt neuer Bedingungen außer den vier specificirten, so hat be reits Oesterreich durch die Fassung, in welcher es die westmächtlichen Vor schläge sich aneignete und an Rußland übermittelte, bewiesen, wie es den selben verstehe, nämlich (ganz im Sinne des DecembervertragS) so, daß «S zwar den Westmächten das Recht, höhere Foderungen als die in den vier Punkten enthaltenen zu stellen, nicht bestreitet, für sich selbst jedoch kein« Verpflichtung anerkennt, für diese yöhetN Foderungen mit einzustehen, vielmehr in dieser Hinsicht sich vollkommen freie Hand Vorbehalt. Wie Man sieht, Haven die Westmächte dieses Verfahren Oesterreichs stillschwei gend gutgeheißen, obschon England, wie man erfährt, es lieber gesehen hätte, wenn der fünfte Punkt ebenfalls sogleich bestimmter formulirt wor den wäre. Die gleiche Freiheit deö Handelns würde Man natürlich auch Preußen, wenn eS sich zu einer Aneignung der fraglichen Vorschläge be- huft der Theilnahme an den Conserenzen verstände, nicht versagen können noch wollen. Also, wie gesagt, von dieser Seite her hätte Preußen gewiß ! nichts zu besorgen, und wir müssen daher bei unserer Ansicht stehen blei ben, daß, wenn Preuße» — wie es heißt, aus Furcht vor Conflicten, in welche es durch seine Betheiligung an den Friedensconferenzen gebracht, oder vor einer Uebernahme von Verpflichtungen, welche ihm dadurch aufer legt werden möchten — sich diese Betheiligung versagt und damit nicht blos auf die Vortheile verzichtet, welche offenbar eine solche Mitwirkung bei der bevorstehende» Neugestaltung der europäischen Verhältnisse ihm, als einer Großmacht, in Aussicht stellt, sondern sich sogar den unausbleiblichen Nachtheilcn unterwirft, welche ihn« in seiner Stellung als deutsche Groß macht die ausschließliche Ueberlassung der Vertretung deutscher Inter essen bei dieser wichtigen Gelegenheit an seinen alten Rival Oesterreich droht, daß, sagen wir, das preußische Cabinet wol guten Grund haben müsse, von anderer Seite her an einem so sichern und leichten Ausgang der be- vorstehende«« Friedensunterhandlungen, wie solchen in Aussicht zu stellt» ma>« sich vielfach bemüht, noch sehr ernsthafte Zweifel zu hegen. Deutschland. Frankfurt a. M., 2. Febr. Man schreibt der Allgemeinen Zeitung: „Wenn der Telegraph uns heute aus Wien berichtet, die Oesterreichische Correspondenz stelle die Vorlagen Oesterreichs an den Bund für künftigen Donnerstag in Aussicht (Nr. 30) so kann diese Mittheilung dahin ergänzt werde», daß diese Vorlagen vielleicht schon früher in einer besonder» SitzuNg gemacht werden dürften. WaS den Werth und die Bedeutung dieser Thitt- sache hebt, ist der Umstand, daß die Mittheilungcn Oesterreichs in Ge meinschaft mit Preußen erfolgen sollen, daß also zwischen beiden Mäch- ten das gewünschte Einverständniß hergestellt ist. Diese Thatsache soll das Ergebniß der letzten Tage sein. Wenn aber die Form der Verstän- digung für Oesterreich und Preußen gefunden ist, so ist diejenige mit den« Bunde unzweifelhaft. So hätten wir denn die erfreuliche Aussicht, schon in nächster Zeit zum Segen Europas Oesterreich, Preußen und den Bund auf einer gemeinschaftlichen Grundlage vereinigt zu sehen." — Den Hamburger Nachrichten schreibt ma>« aus Frankfurt a. M. von« 4. Febr.: „Die deutschen Mittelstaaten widerstreben zwar einer ein- sachen Annahme der österreichischen an den Bund gerichteten Anträge, wün- scheu aber die Vertretung des Bundes als solchen in den pariser Conferen- zen auf Grund der von Rußland angenommenen Friedensbedingungen." Preußen. Berlin / 5. Febr. Die Aeußerungei« des Moniteur über den am I.Febr. zu Wien abgeschlossenen diplomatischen Act stimmen mit Dem, was wir über die Bedeutung des Protokolls, über die Was- fcnstillstandSfrage rc. gesagt haben, in allem Wesentlichen überein. Es ist also eine ofsicielle Bestätigung dafür gegeben, daß Das, was bisjetzt ge schehen ist, in optimistischer Weise nicht überschätzt werden darf. Die guten Hoffnungen auf ein baldiges Gelingen des Friedenswerks, mit welchen der Moniteur seine Aeußerungen begleitet, sind, bisjetzt wenigstens, nicht viel mehr als eine diplomatische Phrase. Die französische Regierung hofft, daß England feine Foderungen auf Grund des fünften Punktes aufgeben oder doch wenigstens auf ein für Rußland acceptables Minimum reduciren werde; es ist aber bis zu diesem Augenblick noch nichts vorhanden, was als eine thatsächliche Begründung dieser Hoffnung angesehen werden konnte. Es liegt vielmehr noch aus den jüngsten Tagen eine klare Bestätigung darüber vor, daß England dem gemeinsamen Andrängen Frankreichs und Oesterreichs auf ein Fallenlassen oder Herabsetzen seiner Foderungen fort während entschieden widersteht. Aus Wien hört man, daß Graf Büol sehr mislaunig darüber sei. Wir beschränken uns darauf, diese augenblick liche Lage der Dinge zu constätiren; in allem Uebrigen ist natürlich Das abzuwarten, was sich aus der Entwickelung der nächsten Wochen Heraus stellen wird. Ueber die Stellung Preußens und Deutschlands zu den Friedensconferenzen, rcsp. zu den von Oesterreich beim Bunde zu stellen den Anträgen haben wir, im Allgemeinen wenigstens, das Nöthige be- reits mitgetheilt. Wir haben indessen Einzelnes noch nachzutragen, wes halb wir das Ganze, in seiner Vereinigung, nochmals recapituliren wol- len. Bei Preußen ist zu unterscheiden zwischen seiner deutschen und seiner europäischen Stellung; diese letztere kommt hier, wo eS sich um eine große europäische Frage handelt, hauptsächlich in Betracht. Wünschen die Mächte, welche auf den Conserenzen vertreten sind, die Betheiligung PreußenS, so haben diese natürlich auch vorher Prtußen einzuladen und mit ihm über diejenigen Punkte, welche bei der betreffenden Frage etwa noch besonders in Betracht zu ziehen wären, in Unterhandlung zu treten. Eine indirekte Einladung, wie diejenige, welch« durch Oesterreich gestellt wird, würde darum, selbst auch dann, wenn der zu behandelnden Frage gegenüber ein Unter schied in der Auffassung zwischen Preußen und Oesterreich nicht herrschte, schon von vornherein nicht genügen können. Neben dieser europäischen Stel- lung PreußenS kommt sodann die objektive Seite der Frage in Betracht.