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Donnerstag, Nr. 14. 17. Januar 1836. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Eesehl» Prei« für das Biertel jahr I'/, Thlr.; jede ei», jelne Nummer 2 Ngr. Zu beziehen durch alle Pustämter des Zn- »nd Auslandes, sowie durch die Srpedilion in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Hnferttonsgedühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. - DttiWk MgkMwc Zcitlillg Deutschland. Atts Mitteldeutschland, 13. Jan. Sämmtliche frankfurter Blät. ter haben gestern einen gleichlautenden Artikel veröffentlicht, welcher mit- theilt: „Die Bundesversammlung habe beschlossen, den wesentlichen Inhalt ihrer Verhandlungen, soweit sich diese überhaupt zur Bekanntma chung eignen, von Anfang dieses Jahres an durch die Tageblätter, und zwar zunächst durch die am meisten verbreiteten frankfurter Zeitungen, zu veröffentlichen." Der Artikel begleitete diese Mittheilung mit der Bemer kung: „Wenn auf diese Weise ein vielfach gefühltes Bedürfniß befriedigt ist, so wird «unberechtigten», den Sachverhalt häufig entstellenden «Mit- theilungen» um so entschiedener entgegengetreten werden können." (Nr. 12.) Eine nähere Auslegung dieser an sich nicht verständlichen Bemerkung wird nicht geboten, und ihr Sinn bleibt darum dunkel. Daß er dies jedoch nicht bleibe, liegt im allgemeinen Interesse der Presse, der Redaktionen, die sich aus einer nicht verstandenen Bemerkung keine Nutzanwendung ziehen können. WaS heißt der Presse gegenüber „unberechtigte Mit- themmgen"? Für die Presse gibt es keine. Alles was Thatsache ist, ge hört der Presse an, solange das Gesetz ihr nicht verbieten wird, die Ta gesgeschichte zu schreiben und zu besprechen. Wodurch aber insbesondere könnte eine Zeitungsmittheilung über Bundessachcn zu einer unberechtigten werden? Dadurch etwa, daß sie nicht auf notorisch officiellem Wege in die Oeffentlichkcit gekommen? Das wäre ein neuer und elgenthümlicher Grundsatz. Nach dieser Definition würden alle nicht notorisch officiellen Mittheilungen der Presse über Verhandlungen und Handlungen der Cabi- nete unberechtigte zu nennen sein, wäre die ganze Presse mit nur geringen Ausnahmen eine einzige große Nichtberechtigung. Die Presse hat umso mehr Grund, einer genauer« Definition jener „unberechtigten Mittheilun- gen" entgcgenzusehen, als die angeführte Bemerkung meint, „es werde den selben nun um so entschiedener entgegengetreten werden können". Die Kennt- niß der Strafgesetze, der Sinn für Billigkeit, Anstand und Sitte genügen, um die Nedactionen von der Aufnahme von Mittheilungen abzuhaltcn, die ihnen die Strafe der Gesetze oder die Misbilligung der gebildeten und ge sitteten öffentlichen Meinung zuzichcn könnten; allein sie reichen nicht hin, um eine Auslegung der „unberechtigten Mittheilungen" des Artikels der frankfurter Blätter zu präcisiren, „denen nun um so entschiedener entgegen getreten werden könne". Der Artikel sagt entweder zu wenig oder zu viel. Er verschweigt entweder, was zu seinem eigenen Vcrständniß nothwcndig ist, oder er macht ungeachtet seiner Kürze zu viele Worte, um auszuspre chen, daß die in Aussicht gestellten officiellen Veröffentlichungen der Bun desverhandlungen zum Zweck haben, der Entstellung derselben in der Presse vorzubeugen. (Allg. Z.) Preußen. -77-Berlin, 1,3. Jan. Hr. v. Seebach ist, wie bereits gemeldet, auf seiner Rückreise von Petersburg am 12. Jan. früh hier an- gekommen. Derselbe hat sich von hier nicht nach Dresden, sondern direct nach Paris begeben, und zwar mit dem am Abend desselben Tages von hier abgegangenen kölnischen Kuricrzuge. Hr. v. Seebach hat also hier etwa einen Tag verweilt, welche Zeit er hauptsächlich zu Besuchen bei dem Ministerpräsidenten v. Manteuffel und dem hiesigen russischen Gesandten Baron Budberg benutzte. In Paris ist die Ankunft des Hrn. v. See bach am 13. Jan. Abends spät erfolgt. Gestern halte er, wie der Tele graph aus Paris meldet, eine Audienz bei dem Kaiser Ludwig Napoleon, um demselben über den Inhalt der nach Wien abgegangenen russischen Ge genvorschläge die erfoderlichcn detaillirten Mittheilungen zu machen. Nach dieser Audienz hatte Hr. v. Seebach eine längere Unterredung mit dem Gra fen Walewski. Bevor wir von den Andeutungen reden, welche gleichzeitig auch schon über die Aufnahme der russischen Gegenvorschläge in Paris ge geben werden, ist es nöthig, daß wir zuvörderst auf die Gegenvorschläge selbst zurückkommen. Ueber den Inhalt derselben sind zwar schon mehre Mittheilungen von verschiedenen Seiten gemacht worden; allein diese Mit theilungen haben, wenn sie im Allgemeinen auch richtig sind, doch viel Unge naues, und in mancher Beziehung bedürfen sie einer nicht unwesentlichen Ergän zung. DaS in dieser Beziehung Nöthige mag aus folgender Darstellung, für de- ren Richtigkeit wir bürgen können, entnommen werden. In dem auf die Neutra lisation des Schwarzen Meeres sich beziehenden Punkte hat Rußland seine frühem Vorschläge nachträglich noch so weit ausgedehnt, daß man in unterrichteten Krei sen der Meinung ist, daß die Wiederherstellung des Friedens, wenn sie lediglich nur noch von dieser Frage abhinge, wol nicht ohne guten Grund würde gehofft werden können. Dagegen stößt die Abtrelungsfrage auf die allergrößten Gchwierigkiten. Um Alles, was sich einer freien Entwickelung der Donau- schiffahrt hindernd oder irgendwie lähmend würde enlgegenstellcn können, seinerseits principiell mit wegräumen zu helfen, würde Rußland sich wol dazu verstehen, das Donaudelta, d. h. das vdn der Kilia- und Sulina- mündung gebildete Dreieck, zum Opfer zu bringen; auf Weiteres aber will Rußland sich durchaus nicht einlassen, und auch dieses Eine soll, nach rus. sischer Auffassung, nicht sowol den Charakter einer eigentlichen Abtretung, als vielmehr nur den eines freiwilligen Opfers im allgemeinen Interesse der Freiheit der Donauschiffahrt tragen. An diesem Interesse glaubt auch Rußland sich bctheiligt, und darum stellt es in Bezug auf den Charakter, welchen das betreffende Stück Landes in Zukunft haben soll, noch beson dere Vorbehalte und Bedingungen auf. Das Princip des Austausches, welches die Wcstmächte für die eventuelle Räumung und Zurückgabe des von ihnen besetzten Theils der Krim rc. aufgestellt haben, verwirft Rußland überhaupt. Die Wcstmächte sollen die Krim räume», ohne daß von Ruß land, wenn Friede geschlossen wird, in der Abtretung eines andern Ter ritoriums irgendein Aequivalent dafür verlangt werde. Rußland gebe seinerseits auch ohne Ersatz die Festung Kars zurück. Wolle man gleich- wol bei dem Princip des Austausches stehen bleiben, so frage Rußland, ohne darum das betreffende Princip zu billigen: Was cs denn für die Zurückgabe von Kars erhalten solle? Das ist der wesentliche Inhalt und Gedankcngang der russischen Nückäußerung. Sie ersehen hieraus, daß die Angabe, daß Rußland jede Gebietsabtretung ablehne, an und für sich zwar richtig ist, daß man aber, indem man die Anerbietungen Rußlands hinsichtlich des Donaudelta gänzlich verschweigt, einen Punkt übergeht, der, wenn eS sich hier auch nicht um eine gezwungene Gebietsabtretung han deln soll, bei der gegenwärtigen Situation doch immerhin als von wesent licher Bedeutung erachtet werden muß. Freilich mögen diese Anerbietungen, da die Westmächte verlangt haben und auch wol schwerlich davon abgehen, daß Rußland ihre Bedingungen puro annehme, in der Hauptsache wol kaum etwas ändern, und es ist darum andererseits auch nicht abzuschcn, wie die Oesterreichische Corrcspondenz die russischen Gegenvorschläge als con- ciliant betrachten und an dieselben noch Hoffnungen auf ein günstiges Re sultat knüpfen kann. Hier in Berlin theilt man diese Hoffnungen durch aus nicht, und die vorläufigen Andeutungen aus Paris, auf die wir vor hin hingcdeutet haben, dürften wol kaum bezweifeln lassen, daß die An sicht, welche man hier von der Sache hat, die richtige ist. Sobald die russischen Gegenvorschläge von Wien aus in London und Paris öfficiell mitgetheilt sind, haben wir von Seiten der Westmächte die Anzeige, daß die Unterhandlungen abgebrochen, verbunden mit einem neuen Appell an die Waffen, zu erwarten. Hierüber gebe man sich doch ja keinen Augenblick einer Illusion hin. Die Nachricht, daß Oesterreich seine Gesandtschaft von Petersburg nunmehr abberufen werde, ist auch hierhergemeldet worden. Es handelt sich hier freilich fürs erste nur noch um ein Gerücht, aber um ein solches, welches nicht blos in den finanziellen, sondern auch in den di plomatischen Kreisen Wiens ziemlich allgemein verbreitet war. Ob die An gabe, daß dieses Gerücht zunächst nur auf ein Verlangen der westmächtli- chen Gesandten in Wien zurückzuführen sei, richtig ist, müssen wir dahin gestellt sein lassen; doch glauben wir die beiläufige Erwähnung dieser An gabe nicht unterlassen zu sollen. Auf jeden Fall ist die Stellung Oester reichs jetzt eine äußerst schwierige. Ruft cs seinen Gesandten von Peters burg ab, so ist cs mit Rußland außer aller diplomatischer Verbindung getreten, ohne mit dieser Macht in Krieg zu sein oder in Krieg zu tre ten; ruft es ihn nicht ab, so droht seine Stellung zu den Westmäch ten leicht sehr mislicher Art zu werden. Hier ist man der Meinung, daß Oesterreich seinen Gesandten in Petersburg belassen und sich, so gut cs geht, auch ferner noch nach beiden Seilen durchzuhelfen bemüht sein dürfte. Vielleicht findet Oesterreich in den russischen Gegenvorschlägen, wenn solche von den Westmächtcn auch zurückgewiescn werden, doch noch immer geeig nete Momente zur Fortführung seiner Friedensunterhandlungen. Hervor- zuheben ist in principieller Beziehung, daß Graf Buol am Schlüsse dec jüngsten Wiener Conscrenzen erklärt hat, daß die Auffindung und Verfol gung solcher Momente immerfort die wärmste Sorgfalt des kaiserlichen Ca- binets in Anspruch nehmen werde, und was spcciell dcn jetzigen Fall be trifft, so dürste die Sprache der Oesterreichische« Correspondenz wol schon >u verstehen geben, daß Oesterreich auch jetzt auf dieser Bahn noch weiter zu wandeln entschlossen. Auf jeden Fall ist an eine Abberufung des öster reichischen Gesandten in Petersburg so lange nicht zu glauben, als die Ab berufung selbst nicht in officiellcr Form erfolgt ist, und cs ist darum das vorhin Angedeutete zur richtigen Bcurtheilung der Situation umsomehr festzuhaltcn, als cs namentlich bei der jetzigen Lage der Dinge an verwir renden Zeitungsnachrichten nicht fehlen wird. — Die Mainzer Zeit vom 11. Jan. enthält folgenden Brief aus Berlin: „Die Freunde des Friedens haben mit mehr Schmerz als Ucber- raschung den frostigen Empfang des Grafen Esterhäzy beim Kaiser Alcxar- der erfahre«. Bei Sr. Majestät vorgetreten, übergab der Graf daS öster reichische Ultimatum, mit der Bitte, sich den ehrenhaften Bedingungen ge neigt zeigen zu wollen, von welchen der Kaiser Franz Joseph seiner feste-