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6. Januar 1836 Deutsche Mgemeiue Zeitung Wahrheit und Siecht, Freiheit uud Grsc-Iv Pret« für das Viertel jahr l'X Thlr.; jede eiu- ztl«e Nummer 2 Ngr. Au beziehen durch «Ne Postämter des In- uud Auslandes, sowie durch die Erpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Jnserttonsgebü-r für den Raum einer Zeile 2 Ngr. PvMtqg. «eytziß DO ZeltMta erscheint mn Ausnahme dei Montag» täglich und wird Nachmittags ä Nhr aus- gegebm. Krieg oder Frieden? Unter dieser Ueberschrift schreibt die Allgemeine Zeitung: „Friedens- täüben flattern nach allen Richtungen, und soviel scheint sicher zu sein, däß der Wille sämmtlkcher betheiligtei» Mächte niemals so stark als jetzt zum Weden gravitirte.f Die Bedingungen, welche Oesterreich, nicht als vermit- tekM Macht, sondern als Organ der drei Deceniberverbündeten, in Frank« reicht, EngkatidS und im eigenen Namen eben jetzt in Petersburg hat vor legen lassen, sind vün einen» Geiste der Mäßigung diciirt, der ihr bester Fürsprecher sein muß; die drei Großmächte bieten Rußland den Frieden unter Bedingungen, welche der durch den Krieg herbeigeführten Sachlage vollkommen entsprechen, und nichts Anderes und nichts mehr verlangen, als daß Rußland durch einen Vertrag seinerseits sanctionire, was thatsächlich bereits errungen worden. Es ist wahr, Rußland ist nicht besiegt, aber es ist ebenso wahr, Rußland hat keine Hoffnung, das Verlorene zurückzu- eroberst, und , jede weitere Anspannung seiner Kräfte könnte sie zum Brechen bringen. Sollen »vir es nochmals aussprechen, daß Rußland längst Frie den gemacht, wenn es auch Deutschland entschlossen gesehen hätte, für die vier Punkte nöthigenfalls mit dem Schwert einzustehen, die es durch den Beschluß der Bundesversammlung vom 9. Dec. 1854 als die Grundlagen zur Anbahnung eines festen und gesicherten Friedens anerkannt, und von denen eS insbesondere die beiden ersten auch von dem Standpunkte der deutschen Interessen sich ausdrücklich angeeignet? Dürfen wir hoffen, daß Deutschland jetzt wenigstens sein ganzes, sein entscheidendes Gewicht in die Wagschal« werfe? Die Friedensgrundlagen sind noch immer dieselben, und dir Wahrung der deutschen Interessen ist in den nach Petersburg über- nilttelten Vorschlägen sorgfältig in Bedacht genommen worden. An dem Muth, den Heeren des Feindes sich entgegenzustellen, an dem Muth zum Krivge gebricht es Rußland nicht, aber es bedarf des Muthes, den ehr geizigen, selbstsüchtigen und fanatischen Velleitäten daheim cntgegenzutre- teN; es bedarf des Muthes zum Frieden, und diesen Muth wird ihm vor allen Dingen die entschiedene Haltung Deutschlands geben, das seinen Be ruf, die europäische Ordnung und das politische Gleichgewicht zu schirmen, nie in schönerer Weise bethätigen kann. Leider scheinen wir auf Hoffnung verzichten zu müssen, Preußen Seite an Seite mit Oesterreich seine Stellung nshinen zu sehen, aber dagegen sind alle Anzeichen vorhanden, daß die deut- schtn Mittelmächte die Sachlage dazu angethan erachten, ihrerseits der Pflicht einet nicht blos auf Phrasen gestützten Einwirkung auf Rußland im Sinn und zü Gunsten des Friedens sich nicht länger zu entziehen. Eine Bürg- schäft für die Wiederherstellung des Friedens ist damit nicht gegeben; aber ihr Auftreten wird zweifelsohne eine wesentlich verstärkte Äuffoderung an Rußland sein, die ihm nochmals dargebotene Gelegenheit, einen ehrenvollen FMen zu schließen, nicht ans den Händen zu lassen; sie möchte in solcher Weise nicht wiederkehren. Das nächste Frühjahr findet Rußland im We- deü'Mit den Westmächten oder im Kriege auch mit Oesterreich; denn Krieg ist, wenn auch dieser Friedensversuch gescheitert, das einzige Wort, was Oestcrveich noch sprechen kann. Deutschland aber, wenn es den Frieden will, muß eventuell sich entschlossen zeigen, den Krieg zu wollen; im an- der« Falle wird es den Frieden nicht haben und den Krieg wollen müssen; eist Dritte- gibt es nicht." Deutschland. Preußen. ^Berlin, 4. Jan. Der Landrath v. Gottberg zu Stolp hat die Petition der Kreisversammlung des stolper Kreises, betreffend die Wiedereinführung der körperlichen Züchtigung, dem Hause derAbgeord- nrten überreicht- Ferner sind dem Hause der Abgeordneten noch zwei an- dere Petitionen desselben Inhalts zugegangen, die eine aus dem Kreise Krotoschin, die andere aus Köslin. Wichtig ist es, daß die letztere Pe tition von dein Abg. v. Gerlach übergeben worden ist; denn wenn man die Uebernahme einer Petition durch einen Abgeordneten einem Ancignen derselbe»» schon an und für sich gleichzuachten pflegt, so würden bei Hrn. v. Gerlach auch ohne einen solchen Auftrag die wärmsten Sympathien für die Wiedereinführung des Stocks wol nicht zu bezweifeln sein, und die Uebernahme der betreffenden Petition durch Hrn. v. Gerlach kann daruin w'ol in doppelter Beziehung alS Beweis dienen, daß die Rechte, mit Hülfe ihrer Majorität, auch diesen Gegenstand endlich wieder zu „ordnen" ge- denkt. Die Petition auS Köslin und die andern betreffenden Eingabe»» hüben aber für die Rechte das Gute, daß sie dieselbe der Initiative zur Wiedereinführung der im Volksgeiste grundverhaßten Maßregel übcrheben; denn die Rechte ist cs nun nicht, welche den betreffenden Antrag stellt, sondern die Justizcommission thut cs auf Grund der ««gegangenen Peti tionen. Es ist freilich abzuwartcn, was die Justizcommission beantragen wird; eS ist aber auch auf die Thatsache hinzuweisen, daß in der ganzen Justizcommission sich nur ein liberales Mitglied (Wentzel) bestnbct. Neben diesem dürfte auch noch ein anderes interessantes Thema aufs Tapet kom men. Was von den Jagdvcrordnungen von 1848 noch übrig ist, ist den Rittern fortwährend ein Dorn in» Auge gewesen, und eS wird darum durch die hierauf bezüglichen Petitionen, welche bei dem Hause der Abgeordneten eingegangen sind, der Rechten Gelegenheit gegeben sein, auch diesem Gegen stände «ine entsprechende Remedur angedeihcn zu lassen. Ein Frhr. v. Zuydt- wyck aus dem Regierungsbezirk Minden beantragt nämlich dir „Zurückgc- währung des Jagdrechts an diejenigen Berechtigten, denen es durch das Gesetz vom 31. Oct. 1848 entzogen worden ist", ein Anderer beantragt , kurzweg „die Beseitigung deS Jagdgesetzes vom 31. Oct. 1848", ein Drit ter, der Major und Landrath a. D. v. Fabeck zu Jablonken, schlägt vor, „die durch das neue Jagdgesetz begangene Ungerechtigkeit dadurch gutzu- machen, daß der Neubcrrchtigte, nicht aber der Altberechtigte durch Geld- cnkschädigung vergütet werde"». Auf Erlaß von Ausfuhrverboten, Schlic- ßung der Brennereien und Einschränkung der Branntweinfabrikation sind ebenfalls mehre Petitionen eingegangen, die sich jedoch, im Hinblick auf die handelspolitischen Principien, zu welchen die Negierung sich in dieser Beziehung bekennt, voraussichtlich keine Berücksichtigung finden werden. Uebrigens liegt den betreffenden Petitionen auch nicht immer die gegenwär tige Theuerung, sondern zuweilen auch eine gewisse religiöse Anschauung zugrunde, wie z. B. der mit 1058 weitern Unterschriften versehenen Pe- tition eines Pastors in Barmen. Die Petitionen von Subalternbeamten um Erhöhung ihrer Gehalte sind sehr zahlreich; dieselbe»» sind«»» in dem be kannten, an die Commission zur Prüfung des StaatshaushgltSetat wieder zurückgegangcncn Antrag des Abg. v. Kleist-Tychow ihre Erledigung. Was den jüngst bekannt gewordenen Antrag des Abg. Diergardt, die Einfüh rung des Tabacksmonopols betreffend, angeht, so ist das Aufsehen, welche- derselbe in der ganzen betheiligten Handelswclt hcrvorrust, natürlich sehr begreiflich; die mannichfachcn Besorgnisse aber, die sich von vielen Seiten an diesen Antrag knüpfen, müssen als ungerechtfertigt bezeichnet werden. Der Antrag ist gewiß gutgemeint, aber an ein Durchgehen desselben und vollends an ein Aneignen des betreffenden PrincipS von Seiten der Re- gierung ist nicht zu denken. Wir wollen hier nicht Hinweisen auf die Bc- deutung der Tabacksfabrikation in Preuße»» und auf das Sonderbare oder vielmehr Himmelschreiende, welches darin läge, wenn man den bestehenden Etablissements mit einem male von Staatswcgen Einhalt gebieten wollte, denn es kann, den» betreffenden Anträge gegenüber, vollkommen genügen, wenn wir hervorheben, daß die Regierung aus handelspolitischem Grundsatz die Freiheit der Gewerbe und der Industrie nicht beeinträchtigen will, und daß sie, wenn dem auch nicht so wäre,, auch noch aus einem andern nahe liegenden Grunde gegen eine solche Assimilirung mit dem in Oesterreich herrschenden Princip die tiefsten Bedenken haben müßte. Auf der Tages ordnung für nächsten Montag, wo die Sitzungen des HauscS der Ab- geordneten wieder beginnen, steht die Bekanntmachung der nach der Schluß sitzung am 17. Dec. noch vollzogenen CommissionSwahlcn und die Wabl des definitiven Präsidenten und dec Viceprcksidenten. Di« eng lisch« Presse läßt jetzt ihre ganze Galle über Preußen aus, und zwar in einer Weise, wie es in der» betreffenden früher« Expectoratio- nen noch nicht geschehen. Die Times sprach vor einigen Tagen von der Aufstellung einer Armee von 100,000 Mann am Rhein, und in ähnlicher Weise sagt jetzt die Morning Post, Berlin liege den Westmächten näher als Moskau. Wir wollen die betreffenden Artikel hier nicht beleuchten, son dern nur das Gefühl bezeichnen, welches dieselben veranlaßt hat- Das ist das Gefühl des Misvcrgnügcns über zwei Punkte, einmal darüber, daß Preußen sich gehütet hat, die wcstmächtlichen Friedensvorschläge speciell zu unterstützen und dadurch sich dieselben mehr oder weniger anzueignen, und dann darüber, daß der gehoffte Friede nach allem Anschein nicht zustande kommt. In dem letzter» Punkte liegt das eigentliche Interesse, welches di, betreffenden Auslassungen für uns haben können; den»» was die Drohun- gen rc. betrifft, so ist in de« englischen Blättern bekanntlich schon vieles Derartige gesagt worden, worüber die Welt gleichwol ganz beruhigt bleiben konnte. In Paris sind die Friedenserwartungen ebenfalls bereits bis auf den Gefrierpunkt gesunken. Theils kommt diese Anschauung bereit- zum Vorschein in den ofsiciösen pariser Correspondenzen; stärker aber ist dies noch in den Kreise»» der französischen Diplomatie selbst der Fall. Man spricht unter Ander»» auch bereits davon, daß man in Paris die Abhaltung eines großen Kriegsraths beabsichtige, ai» welchem die Obergenerale und die Admirale der vereinigten Armeen und Flotte»» theilnchmen sollten, mit den» Beisätze, daß mit der Ausführung des betreffende»» ProjectS nur gewartet würde, bis das Resultat der Unterhandlungen, welche gegenwärtig noch in Petersburg geführt werden, in bestimmter Weise vorliegc. Die Bericht« aus Stockholm sind für Diejenigen, welche geglaubt habe», der jüngst ver öffentlicht« Vertrag zwischen Schweden und den Westmächten «nthalt« keine