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Dienstag Nr. 12. IS. Januar 18S6 Leipzig. Di« Zeitung erscheint mit Ausnahme de« MvntagS täglich und wird Nachmittags ä Nhr aus gegeben. für das Viertel jahr I'/, Thlr.; jede ein zelne Nummer 2 Ngr. Deutsche MgtMiuk Zcituug. «Wahrheit Lad Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch di« Erpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Bnsertionagebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Der Gustav-Adolf-Verein und die Protestanten in Ungarn. Der Pester Lloyd enthält folgenden Artikel aus Presburg vom 7. Jan.: „Die Magyar Sajtö vom 5. Jan. enthalt einen langen Aufsatz mit der Überschrift «Der Gustav-Adolf-Verein und das evangelische Lyceum in Presburg», welcher die hiesigen evangelischen Kreise sehr unangenehm be rührt. Der Verfasser hat offenbar über eine Sache gesprochen, in die er nicht gehörig cingewciht ist. Anknüpfend an die auch in diesen Blättern mitgelheilten Briefe des Gustav Adolf-Vcreins an den Vorstand der prcs- burger evangelischen Gemeinde, bemerkt er, daß dieser einer Aneiferung von außen wol nicht bedürfe, um seinen Pflichten nachzukommcn; der Verfasser liebe die Art und Weise nicht, wie eine fremde Negierung irgendeine ver wandte Kirche in Ungarn zu unterstützen suchte, weil man in dieser Art und Weise gewisse politische Zwecke nicht verkennen konnte; daß er es aber ebenso wenig heilsam finde, wenn unter dem Vorwande der protestantischen Theilnahme und Sympathie die hcgenionistischcn Bestrebungen Preußens sich auf die österreichische Monarchie und hier wieder besonders auf jene Theile, welche nicht zu Deutschland gehören, erstrecken würden. Zur Be- ruhigung des Verfassers können wir versichern, daß der Gustav-Adolf- Verein bei seinen mildthätigen Gaben durchaus keine politischen Zwecke ver folge, was auch die hohe Regierung offen anerkennt, indem sic den Ver kehr zwischen ihm und den Protestanten Oesterreichs gestattet. An der Spitze jenes Vereins steht keine politische Macht; er wird gebildet aus Mit gliedern der evangelischen Kirchen Deutschlands, der Schweiz, der Nieder lande, und im letzten Jahre sind auch in Frankreich, in Schweden, ja selbst in Bukarest Zweigvcreine entstanden. Seine Gelder sammelt er nicht aus Regierungskassen, sondern durch die groschenwcisen Beiträge der zahlreichen Mitglieder. Der Sitz des Centralvorstandes ist nicht in Preußen, sondern in Leipzig, und weder die preußische noch sonst eine Negierung übt einen Einfluß auf die Vertheilung seiner Spenden. Sein Zweck ist einzig und allein die Unterstützung armer evangelischer Gemeinden ohne Unterschied der Sprache oder des Landes. Wir glauben nicht, daß es die Protestanten Oesterreichs der Magyar Sajtö Dank wissen möchten, wenn es ihr, was wir übrigens nicht befürchten, gelingen würde, das Wirken des Vereins zu verdächtigen und ihm die Grenzen unserer Monarchie zu verschließen. Haben doch allein im jüngstvergangenen Jahre in den deutschen und böh mischen Kronländern Oesterreichs 42 Gemeinden die namhafte Summe von 9782Thlrn. und 18 Gemeinden Ungarns 5676 Thlr, erhalten. So manche Kirche, so manche Schule wäre ohne seine Unterstützung nicht entstanden. Der Centralvorstand gibt der Lehranstalt in Oberschützen fünf Jahre lang einen jährlichen Beitrag von 3000 Fl., und nur dadurch ist es möglich geworden, dem Institut, welches eine Elementarschule, ein Schullehrersemi- nar, eine Realschule und ein Gymnasium besitzt, das Oeffentlichkeitsrecht zu erwerben. Was nun aber die obenerwähnten Briefe, welche der Ma gyar Sajtö zu jenen Expektorationen Anlaß gaben, anbelangt, so möge Folgendes zur Aufklärung dienen: Die vorjährige, am 11. Sept, zu Hei- delberg abgchaltene Hauptversammlung dcS Gesammtvcreins besuchte auch der emeritirte Superintendent StromSky, um unserm Lyceum eine Unter stützung zu erwerben. «Mit festem treuherzigem Vertrauen», so schloß er seine wärme Ansprache, «legt nun meine Gemeinde das Schicksal ihrer Schule, ihr Sein und Nichtsein in Ihre Hände, an Ihr edles Herz. Voll- enden Sie, was der reinste aufopferndste Wille zum Segen der gesammtcn evangelischen Kirche in Ungarn begonnen hat, jedoch nicht vollenden kann. Zwei Lehrstühle fehlen uns noch, aber auch die Mittel zu ihrer Gründung und Erhaltung. Gewähren Sie uns mit hochherzigem Sinne diese Mittel auf einige Jahre, bis der Herr unö wieder freundlichere Tage erscheinen läßt. Tausend und tausend evangelische Herzen werden Sie dafür noch in der Todesstunde segnen.» Der Verein erfüllte diesen Wunsch, indem er der Schule fünf Jahre hindurch einen jährlichen Beitrag von 1600 Fl. zusicherte. In dem einen jener Briefe wird dies dem Vorstande der Ge meinde angezeigt, in dem andern erklärt der Verein, daß, wenn er auch die zwei Professoren bezahlt, er doch auf ihre Wahl nicht den geringsten Einfluß nimmt; wol aber wünsche er, daß die Anstalt den Federungen der hohen Regierung gemäß der deutschen Sprache Rechnung trage, den bestehenden Vorschriften Genüge leiste, um das Oeffentlichkeitsrecht zu er langen, ohne welches sie ihrer Aufgabe niemals vollkommen entsprechen kann. Und nun urtheile man, ob der Gustav-Adolf-Vercin damit der preu ßischen Hegemonie in die Hände arbeitete?" (Den neuesten Beschluß des evangelischen Convent» in dieser Angelegenheit haben wir bereit- in Nr. 9 mitgetheilt. D. Red.) j Deutschland. Frankfurt a. M., 11. Ja». Wie die frankfurter Blätter melden, hat die Bundesversammlung in Ausführung ihres Beschlusses vom 7. Nov. 1881 in der gestrigen Sitzung beschlossen, den wesentlichen Inhalt ihrer Verhandlungen, freilich nur „soweit sich diese überhaupt zur Bekannt- machung eignen", von Anfang dieses Jahres an durch die Tagblätter, und zwar zunächst durch die am meisten verbreiteten hiesigen Zeitungen, zu ver öffentlichen. Wenn auf diese Weise ein vielfach gefühltes Bedürfniß befrie- digt werde, so werde unberechtigten, den Sachverhalt häufig entstellenden Mil- theilungcn um so entschiedener entgegengctrcten werden können. Preußen. -^Berlin, 13. Jan. Hr. v. Seebach ist, auf der Rückreise von Petersburg begriffen, gestern hier eingetroffcn. Nach kurzem Aufenthalt reiste derselbe nach Dresden weiter. Die Rückreise nach Pari dürfte er wahrscheinlich schon heute antreten. In unterrichteten Kreisen will man wissen, daß Hr. v. Seebach, entsprechend der Aufgabe, die ihm von Seiten des Kaisers Napoleon zutheil geworden war, auch von Seiten des' Kaisers Alexander noch besondere Erläuterungen zu den russischen Gegen vorschlägen nach Paris zu überbringen habe. Ob dieser Umstand geeignet ist, die Sache des Friedens zu fördern, bleibt natürlich abzuwarten; hier scheinen indessen die guten Hoffnungen, die man noch vor einigen Tagen haben zu dürfen glaubte, merklich sinken zu wollen. Es scheinen bereits vorläufige Andeutungen aus Paris darüber vorzuliegen, baß die russischen Gegenvorschläge, und ganz besonders diejenigen, welche sich auf die Neutra- lisation des Schwarzen Meeres beziehen, wenig oder vielmehr gar keine Aussicht auf Annahme von Seiten der Westmächte hätten. Der russische Militärbevollmächtigte am hiesigen Hofe, Graf Benkendorff, welcher sich bekanntlich seinerzeit nach Nikolajew zum Kaiser Alexander begeben hatte und seitdem von hier abwesend war, ist, von Petersburg kommend, gestern Abend auf seinen hiesigen Posten wieder cingctroffen. Derselbe soll, wie man hört, die russischen Gegenvorschläge in extenso mit hierhcrgebracht haben. Die gestrige Sitzung des Herrenhauses war hauptsächlich dem An- denken des verstorbenen Präsidenten dieses Hauses, des Fürsten v. Pleß, gewidmet. Eine entschiedene Opposition hat sich, wenn auch erfolglos, im Schoose der Justizcommission gegen die projectirte Aufhebung des Art. 88 der Verfassungsurkunde gezeigt. Dieser Artikel bestimmt, daß den Richtern andere besoldete Staatsämter nicht übertragen werden dürften. Hervorgehobcn wurde von der Opposition, daß die Beibehaltung dieser Be stimmung im Interesse der Unabhängigkeit des preußischen Nichterstandes dringend zu wünschen sei. Bei der Abstimmung blieb die Opposition in dessen mit 2 gegen 9 Stimmen in der Minderheit. — Das Haus der Ab geordneten dürfte wahrscheinlich morgen oder übermorgen bereits mit der Berathung de- Budgets beginnen. t Berlin, 12. Jan. Aus Petersburg wird hierhergcmeldet, daß der Kaiser Alexander in Bezug auf die bevorstehende Wahl eines neuen ka tholischen Erzbischofs befohlen habe, daß die Bestimmungen der Ueber- einkunft mit dem päpstlichen Stuhle bei dieser Wahl streng und genau be obachtet werden sollen und die russischen Staatsbehörden sich von jeder un berechtigten Beeinflussung der Wahl scrnzuhalten hätten. Zugleich soll der Kaiser angeordnet haben, daß jeder betreffende katholische Bischof in den Stand gesetzt werde, der Wahl eines Erzbischofs in Wilna beiwohnen zu können. Au- Mangel an Neiscmitteln sollen früher mehre katholische Bi schöfe die Reise zu einer solchen Wahl nach Wilna nicht haben unterneh- men können. Dieser Anordnung des Kaisers von Rußland wird in den hiesigen diplomatischen Kreisen eine besondere Bedeutung beigemcssen, da man in derselben gewissermaßen eine Rücksicht für die katholischen Groß mächte Frankreich und Oesterreich von Seiten des Kaisers Alexander er- blicken will.— Die Gegenvorschläge Rußlands sollen nun auch hier bekannt geworden sein. In mehren Punkten habe Rußland nachgegeben, es sei jedoch sehr zweifelhaft, ob die Westmächte und Oesterreich dadurch befriedigt sein würden. — Man schreibt der National-Zeitung aus Dresden vom 8. Jan.: „Ueber die Reise des Hrn. v. Seebach »ach Petersburg ist soviel Jrrthümliche- verbreitet, daß es der Mühe verlohnt, aus sicherer Quelle einige Mitthei- lungcn zu machen. Kaiser Napoleon hatte die sächsische Negierung für eine Einwirkung auf das Petersburger Cabinet zu intcressiren gewußt, und diese bemühte sich auch in der That durch freundliche Vorstellungen in Peters burg für die Sache des Friedens. Eine solche Vermittelung der deutschen Mittelstaaten kam indessen dem wiener Cabinet sehr ungelegen und mochte nicht ohne Einfluß auf dessen Entschluß geblieben sein, mit den Westmäch- trn sich über ein an Rußland zu stellendes Ultimatum zu vereinbaren. Die Verhandlungen führten zur Aufstellung jener Fodrrungen, welche Traf Ester- häzy nach Petersburg gebracht hat. Lon dem Augenblick der Verständi-