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Nr. S 11 Januar 185«. DmW AllgkMwk ZciülU «Wshrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Nkeia für das Viertel jahr 1 >/, ^Thlc.; jede ein zelne Nummer 2 Ngr. Zu beziehen durch alle Postämter des Zn- und Auslandes, sowie durch die Erpedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Anferrion »gebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Freitag. AeitzdHia. Die Zeitung erscheint nudAuSnahmedea Montga« täglich and wird Nachmittags st Uhr aus- gegeben. Das österreichische Concordat «nd die Büchercensur. Man schreibt der Neuen Preußischen Zeitung aus Wien vom 7. Jan.: „Hier macht ein Rundschreiben viel von sich reden, welches der Erzbischof von Mailand an alle Drucker, Buchhändler und solche Personen, die mit welch immer für Büchern oder Druckwerken in der Stadt und Diöcese Mailand handeln, gerichtet hat. Es ist vom 23. Dec datirt und wird be reit- von italienischen Blättern veröffentlicht. Da das Aktenstück, welches sich auf die im Concordat enthaltenen Bestimmungen über das bischöfliche Recht der Bücheraufsicht bezieht, von allgemeinem Interesse ist, so theile ich Ihnen dasselbe vollständig in treuer Ueberfetzung mit. Es lautet: Da <S von der höchsten Wichtigkeit ist für die unversehrte Aufrschthaltung unsers heiligsten katholischen Glaubens und der guten Sitten, daß in keiner Weise durch Bü cher oder Blätter, gleichviel ob gedruckt, lithographirt oder in Kupfer gestochen, was immer für Jrrthümer gegen die katholische Lehre verbreitet, und daß hierdurch die Gläubigen nicht irgendwie zu bösen Sitten aufgefodert oder verlockt werden, so haben wir schon viele male, wie es unsere bischöfliche Pflicht streng erheischt, öffentlich die bc- klagenswerthe Zügellosigkeit hervorgehoben, die sich auf diesem Gebiete geltend gemacht hat, und haben den Gläubigen nachdrücklich die Verpflichtung zu Gemüthe geführt, sich des Lesens schlechter Bücher und des Ansehens oder Ankaufens zügelloser Drucksachen zu enthalten; allen Buchdruckern und allen Denen, die mit solchen Gegenständen Handel treiben, haben wir auch auf das lebhafteste den große» Nachtheil in das Gevächtniß zvrückge- rufen, der ihren Seelen und den Seele» Anderer durch Verbreitung obenbesagter Arten von Bücher», Kupferstichen oder Gemälden und durch bloße Schaustellung der- stlben sowie durch die Außerachtlassung der heiligen Regeln des Index bezüglich der Presse und des Buchhandels zugefügt wird. Jetzt aber, seitdem das zwischen dem Heiligen Stühle und unserm erlauchten Kaiser glücklich abgeschlossene Concordat uns nicht nur die Erinnerung an unsere Pflicht, dje Presse zu überwachen, mit den Wor te» des 9. Artikels zurückruft: «^rvkiepiocopi etc», sondern auch uns die kräftigste Unterstützung von Seiten der weltlichen Autorität verheißt, um diese höchst verderb lichen Dinge den Auge» des Publicum« zu entziehen und deren Verbreitung im gan zen Lande zu hindern, und zwar-lült iden Worten: «8vck et Vubernium etc.», so glauben.wir im Einvernehmen mit den hachwürdigen Ordinarien der Lombardei, un sern Suffraganen, und festen Entschlusses, für das geistliche Wohl unserer geliebten Diöccsanen auch durch bestmögliche Verhinderung der Mtobränche der Presse zu sorgen, um einer strengen Pflicht nachzukommen und um ein treuer Diener jene« Gottes zu sein, der eines Tages genaue Rechenschaft für die unserer Obhut anvertrauten Geelen sodern wird, daß es zeitgemäß sei, mit dieser Mittheilung allen Druckern, Buchhändlern und solchen Personen, die mit welch immer für Büchern oder Druckwerken in unserer Diöeese Handel treiben, kundzugcbe», und auch um jedem miöliebigen und materiellen Schaden, der ihnen erwachsen könnte, vorzubeugen: Daß wir von Seiten des Dogma, der Moral und der den kirchlichen Personen und Dlngen gebührenden Ehrfurcht fortfahren werden, mit aller Aufmerksamkeit alle gegenwärtig und etwa auch künftighin erscheinenden Publikationen nach wie vor zu überwachen, und daß wir womöglich den Drucker jener Publikationen privatim ermahnt haben werden, in denen sich ein der Religion und den guten Bitten wahrhaft feindlicher Seist kundgibt, nicht unterlassen werden, sie öffentlich zu verwar nen, falls sie in demselben Geiste verharren sollten, und daß wir sie uöthigcnfallS den kirchlichen Censure» verfallen erklären werde», sowie sie -eS durch das Factum gott loser oder ketzerischer Lehren sein würden, und zwar sowol die Schreiber solcher Ar tikel als auch die Drucker und Förderer derselben in was immer für einer Welse; auch werden wir nicht unterlassen, den Beistand der Staatsbehörde behufs des Ver bots und der Suspension in Anspruch zu nehmen; daß allen Druckern oder Verlegern als Söhne» der Kirche immerdar die strenge Verpflichtung obliegt, unserer kirchlichen Revision vorher vorzulegen alle Manuskripte oder Bücher was immer für Art, dle sie zu drucken oder neu auszulegcn beabsichtigen, eingeschlossen die Erbauungs- oder kirch lichen Druckwerke, damit sie die Autorisation hierzu erlangen; und daß wir diese Ver pflichtung ihnen in das Gsdächtniß zurückrufen, damit sie sich nicht die Nachtheilt zu ziehen, welche für sie entstehe» würden, falls mir nnS in die widrige Nothwendigkeit würden versetzt sehen, von der weltlichen Behörde daS Verbot der Werke zu verlangen, wenn dieselben schon veröffentlicht sind; daß Alle», welche Handel mlt Büchern betrelven, ebenso di« Verpflichtung obliegt, von unserer kirchlichen Revision auch die Ermächtigung zn verlangen, au« dem Ausland« kommend« Bücher in den Verkehr bringen zu dürfen, den Fall ausgenommen, wenn diese Bücher schon offenkundig sollten erlaubt sein; daß wir endlich neuerdings alle nrit irgendwelcher Gattung von Druckwerken Handeltreibende ermah ne», nicht ihre Seele und die 'Seelen ihrer Brüder zu verderben, indem sie lascive oder!in was immer für einer Weise Aergerniß gebende oder zur Geringschätzung der religiösen Personen und Dinge aufreizende Darstellungen vor die Augen des Publi cum- dringen. Neuerdings bitten wir unsere und der heiligsten katholischen Kirche vorerwähnten geliebtesten Söhne, beim Herzen Jesu Christi, unscrS gemeinschaftlichen Erlösers, sich nicht 'herzugeben zu den; Angriffe, den die menschlichen Leidenschaften beständig gegtN-dle göttliche Wahrheit unternehmen, einen schmählichen Gewinn nicht ihreni ewigen Seelenheil und dem Seelenheil jener ihrer Brüder vorznziehen, die auch durch sein kostbares Blut erlöst wurden. Mögen sie sich nicht füx Ander« und für sich selbst zu Werkzeugen der Verdammniß hergeben, indem sie die natürlichen Ge setze und die heiligen Vorschriften der Kirche verletzen, sondern mögen sie vertrauen, daß Gott auch zeitlich ihren gewissenhaften Gehorsam segnen wird, sich gutwillig die sen weisen Maßregel» unterziehen, die ihr Gemüth vor Gott zur Ruhe bringen und sie vor jeder Belästigung und zeitlichem Schaden schützen werden. In dem süßen Vertrauen erhört zu werden, ertheilen wir liebevoll Jedem der Vorerwähnte» unsern Hirtenseae». Gegeben in Mailand in unserm erzbischöflichen Palastc am 22. Dec. 1855. Bartholomäus Romivt, Erzbischof. So der Wortlaut des interessanten Actenstückö. Es scheint hiernach doch in der That wünschenswerth, daß auch die Verhältnisse der protestan- tischen Confcssioncn in den österreichischen Staaten baldigst geregelt werden, wie es mit denen der katholischen jetzt geschehen ist. Denn wenn auch der Erzbischof von Mailand in einer Provinz residirt, die nur von Katho liken bewohnt ist, in Bezug auf andere österreichische Kronländer, wo die Bevölkerung eine gemischte ist, kann doch den katholischen Bischöfen un möglich eine derartige Censur über alle Bücher re. zustehen." Auch in der Allgemeinen Zeitung spricht sich ein wiener Korrespondent misbilligend über das Rundschreiben des Bischofs von Mailand aus. Er sagt: „Es ist die erste Frucht einer Versammlung der Bischöfe unserer ita lienischen Provinzen, die dabei Vereinbarungen getroffen haben über die Modalitäten der Ausführung des Concordats, die ohne Zweifel auch den Behörden zur.Kenntnißnahme coinmunicirt wurden. Durch dasselbe ist die Prävcntivcensur festgestellt, und zwar im weitesten Umfange des Worts. Die darin enthaltenen Bestimmungen lassen über die Absichten des italie- nischen Episkopats nicht den leisesten Zweifel übrig. Durch solche Verein- barungen wird aber den Ausführungsverordnungen, die von der Staats gewalt ausgehen müssen, in einer für den Staat wie für die katholische Kirche wenig ersprießlichen Weise präjudicirt werden. Sie werden begrei fen, daß dieses Aktenstück hier alle Geister beschäftigt und daß man sich allgemein die Frage aufwirft: Was hat die italienischen Bischöfe bewogen, diesen äußersten Schritt zu thun, ohne sich mit ihren deutschen und unga rischen Kollegen vereinbart zu haben und ohne die nach Ostern festgesetzte Versammlung aller österreichischen Bischöfe in Wien abzuwartcn? Wir wollen diese Frage diesmal nicht beantworten, müssen aber zur Ehrenret tung der österreichischen Regierung in Italien die Thatsache constatiren, daß die italienische Literatur der österreichischen Kronländer in den letzten Jah ren zu diesem Schritt keine Veranlassung gegeben hat. Diese -Literatur ist in Wien gegenwärtig vollständig bekannt, da, wie Alle wissen, von jedem italienischen Druckwerk drei Pflichtexemplare kraft der Preßordnung nach Wien abgeliefert werden. Mehr als einmal hat die österrtichische Regie rung dem einschlägigen Ansinnen der italienischen Episkopate entsprochen und, ohne auf die politischen Antcccdentien des anklagcnden' Theils zu sehen, Alles verhütet, was der katholischen Kirche in Druckschriften wirklich hätte gefährlich werden können.- Man würde unklug handeln und cs würde zu nichts führen, wenn man die Tragweite des heutigen Schritts des Mailän der Ordinariats sich verhehlen und dieselbe unterschätzen wollte. Er ist zu beklagen, einzig und allein im Interesse der katholischen Kirche. Die Ver legenheiten, in welche dieser Schritt die Regierung bringen muß, sind eine Waffe mehr in den Händen der principicllen Gegner der Kirche. Alle größern katholischen Staaten Europas genießen gegenwärtig die Preßfrei heit, Oesterreich, Frankreich, Spanien und Baiern. In den größern nichtkatholischcn Staaten, England, Preußen u. s. f., ist die Preßfrei heit für die katholische Kirche das wichtigste Mittel zur Förderung der Interessen des Katholicismus. Mil der Preßfreiheit ist die Macht der ka tholischen Kirche in Frankreich gestiegen; hundert Jahre vorher war in dem selben Lande mit geistlicher Censur Voltaire der Herr des Tags. MitAus- nahme einiger verkommenen Staaten in der italienischen Halbinsel und Ruß lands herrscht die Preßfreiheit in allen gebildeten Ländern aller Wclttheile. Sie hat, wie alle menschlichen Institutionen, ihre Licht- und Schattensei ten, die Gründe davon liegen nicht in der Presse, sondern in der Natur des Menschen. Der Mensch irrt, solange er strebt. Die Schattenseiten wird keine Polizeigewalt, weder des Staats noch der Kirche, vollständig aufzuhcben im Stande sein, das Licht, welches durch die Preßfreiheit sich verbreitet, wird durch das Rundschreiben des Mailänder Ordinariats nicht verdunkelt werden. Es würde im äußersten Fall den Mailändern doch noch von einem Punkt aus leuchten, wo der weltliche Arm in Oesterreich nicht mehr hinrcicht. Wir sind überzeugt, das deutsche und das ungarische Episkopat werden nicht vergessen, daß in Oesterreich die Preßfreiheit gesch- lieh besteht, und werden sich nicht der Auffassung ««schließen, daß durch den Art. 9 des Concordat die gesetzlich bestehende Preßfreiheit in Oesterreich zu Gunsten einer Alles umfassenden geistlichen Censur aufgehohen sei." Deutschland. Aus Mitteldeutschland schreibt man den Hamburger Nachrichten: „Wie wir vernehmen, wäre bereits auf vertraulichem Wege eine vorläufige Mit- theilung an unsere Negierungen über die von Baiern angeregten Vorschläge zu gemeinnützigen Bundesanordnungen ergangen und erstreckten sich dieselben auf Erleichterung der Freizügigkeit, auf Einheit in Münze, Maß und Gewicht, Beseitigung aller zollamtlichen Grenzen im Innern der deutschen Bundesstaaten und Emanirung eines gemeinsamen Handelsgesetzes." Preußen. /X Berlin, 9. Jan. Falls die so ziemlich übereinstim menden Angaben des Journal des Debats und des Wiener Fremdenbatt in Betreff der Instruction des Grafen Esterhazy bezüglich der von ihm behufs Entgegennahme der Antwort des Petersburger Cabincts abzuwarten den Termine sich bestätigen, wird auch der Oberst v. Manteuffel vorerst noch nicht von Wien hier zurückzuerwarlcn sein. Nach jenen Angaben wäre