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Freitag, . iVetpHiß. Di« Zettang erscheint mu Ausnahme des Montag« täglich und wird Nachmittags 4 Uhr aus- gegeben. »rei* für da« Viertel jahr I'/, Thlr.! jede «In- zelue Nummer 2 Rgr. Nr. 3. 4. Januar 1836 DnlW Mgmkint Zeitung. »Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch all« Postämter de« In- und Auslandes, sowie durch die Expedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Ansertiontgebühr für den Raum einer Zeile 2 Rgr. Das österreichische Gewerbegcsctz. ---Leipzig, 3. Jan. Oesterreich hat wiederum einen bedeutungsvollen Schritt auf. der Bahn innerer Entwickelung gethan. Während es noch den Angriffen wegen deS Concordats mit Rom ausgesetzt ist, überrascht eS die Welt mit einer Maßregel, welche jedenfalls nach einer ganz andern Richtung hinweist und — mögen die Gründe und die Folgen jener erster« sein, welche sie wollen — wohl geeignet scheint, derselben ein kräftiges Ge gengewicht zu halten und das vorzeitige Triumphgcschrci Derer Lügen zu strafen, .welche durch jenen Schritt Oesterreich der verdumpfenden Macht einerjeder GeisteSregung und jedem Fortschritt feindlichen Hierarchie auf immer verfallen wähnten. Sollte auch durch daS Concordat dem Systeme ultramontaner Geistesbehcrrschung für den Augenblick ein bedenklicher Vor- schub geleistet und die freie Entwickelung wissenschaftlicher und religiöser Ideen gefährdet scheinen (was zu untersuchen hier nicht unser Zweck ist), so wird doch — vorausgesetzt, daß diese neueste Maßregel, die im Ent wurf vorliegende Gesetzgebung, unverkümmert, wie sie hier in großen und wirklich genialen Zügen projectirt ist, ins Leben tritt und ihre Wirkungen ftei entwickeln kann — damit für daS ganze Volksleben, das geistige so gut wie das materielle, ein Boden geschaffen sein, über welchen jene fin stern Mächte mittelalterlicher Beschränktheit keine Gewalt haben und wel cher früher oder später zu dem Punkte deS ArchimedeS werden muß, von dem aus die Herrschaft derselben selbst auf ihrem eigensten Gebiete aus den Angeln gehoben wird. Mehr denn je stehen, nach dem heutigen Stande der Cnltur, alle Richtungen des öffentlichen Lebens und der geistigen Bewegung der Völker in einem innigen und untrennbaren Zusammenhang miteinander. Man kann heutzutage nicht dem geistigen Fortschritte auf dem einen Gebiete Zu geständnisse machen, ohne daß die Folgen derselben alsbald auch auf allen andern Gebieten sichtbar würden; man kann nicht, während man auf der einen Seite in den allgemeinen Wettlauf der Civilisation mit vollem Winde und weitgespannten Segeln sich hineinwagt, gleichzeitig durch un- übersteigliche Schranken gegen diesen allgemeinen Wettlauf sich absperrcn. Zu einer vollen und ganzen Herstellung mittelalterlicher Herrlichkeit und Glückseligkeit gehört, neben dem Banne der Kirche, auch der Bann der feudalen Patrimonialherrschaft und der Bann des Zunft- und Gewerbe- zwangeS, und wo man, wie in Oesterreich geschehen, den einen dieser Banne (durch eine zeitgemäße Agrargesetzgebung) mit fester Hand bereits durch brochen hat, den andern (durch ein freies Gewcrbegesetz) soeben zu durch- brechen im Begriff steht, da hat cs auch mit jenem driften keine Noth; früher oder später wird auch er, soweit er gegen den Geist der Zeit ver stößt, diesem Geiste weichen müssen. Daß dem so sei, weiß Niemand besser als jene Partei, welche an der Wiederherstellung feudaler Adelsmacht und hierarchischer Alleinherrschaft (sei cs unter der Form der katholischen oder der lutherischen Kirche) so ämsig arbeitet. Sie hat vorlängst mit rich tigem Blicke erkannt, daß ihre Bestrebungen keinen Erfolg, wenigstens kei-^ nen dauernden, haben können, solange auf dem Gebiete der heutzutage so übermächtigen materiellen Interessen ein anderer als ihr Geist — der Geist individueller Freiheit und Selbstbestimmung — die Herrschaft führt, und baher ist unter ihren Losungsworten nicht das letzte die Wiedcrfcsselung dieses Geistes, die Aufhebung oder doch Beschränkung der bestehenden Ge- werbefreiheit, die Herstellung der alten Zunft- und Bannrechte, der alten Grenzen zwischen Stadt und Land, der Vernichtung des „Uebergewichts des Bürgerlhums", wie sie cs nennt, dieser Frucht der Entfesselung der Gewerbthätigkeit und des von dieser unzertrennlichen geistigen Fortschritts. DaS vor einigen Wochen erschienene Programm der Rechten zu Berlin legt davon neuerdings schlagendes Zeugniß ab. ES könnte nun zwar noch der Argwohn erregt werden, als ob man in Oesterreich an leitender Stelle sich die Consequenzen dieser neuen Maß regel nicht recht klar gemacht oder als ob man wol gar dieselbe nur inö Leben gerufen habe, um damit nach außen und innen zu kokettiren, viel leicht den Übeln Eindruck des Concordats wieder zu verwischen, und als ob man im voraus entschlossen fti, die scheinbar bewilligte Freiheit nicht zu ih- rer vollen Entwickelung kommen zu lassen. Aber weder das Eine noch das Andere scheint uns glaubhaft. Wie immer man über die leitenden Staats männer Oesterreichs denken mag, die Anerkennung kann man ihnen nicht versagen, daß sie, mindestens was die Reformen der materiellen Grundla gen des inner« Staatslebens betrifft, mit ebenso klarem Blick als fester Hand sowol niederreißen al- aufbauen, daß sie Alles, was sic thun, im großen Stile thun. Der neue Gesetzentwurf enthält Beschränkungen und Vorbehalte, zum Theil wohlfahrtspolizeilicher, zum Theil auch politischer Natur, welche einer wahren Gewerbesreiheit noch vielfach im Wege stehen, immerhin aber nicht größere, als welche z. B. auch in Preußen seit den neuern Bestimmungen über Concrssionirung der Buchdrucker, Buchhändler re. in Wirksamkeit sind. Dahingegen gibt der Entwurf, wo er einmal wirk liche Gewerbesreiheit gewährt, solche auch mit voller Hand und im Geiste der Aufrichtigkeit, ohne ängstliche Verclausulirungen, ohne die romantischen Schnörkel einer Renaissance der „guten alten Zeit" günstiger Bevormun dung und patriarchalischer „Feudalifirung" des GewerbewcsenS, wie es die neuen Restauratoren der Staatswissenschaft an der Spree in ihrem jüng sten Programm nennen. Man ist in Oesterreich in allen solchen materiel len Fragen viel zu nüchtern, praktisch und einfach verständig, als daß man sich .mit ohnmächtigen Versuchen abquälen sollte, die Quadratur des Zirkels zu finden und Mittelalter und Neuzeit, die Tändeleien einer phantastischen Romantik und die gebieterischen Bcdingnisse des modernen Industrialismus zu einer zwitterhaften Mische zusammenkuppeln zu wollen. Man hat diese Bedürfnisse als unabweisbare und nicht länger aufzuschiebende erkannt, und man wird — dieses Zutrauen haben wir zu den österreichischen StaatSmän- nekn und im Besonder« zu Hrn. v. Bruck — auf dem von dieser Erkennt- niß vorgezeichneten Wege ebenso konsequent vorwärtsgehen, wie man eS in Betreff der Agrargesetzgebung, trotz vielfacher Ein- und Widersprüche deS Grundbefihadels, bisjctzt gethan hat. Deutschland. Preußen. ^Berlin, 2. Jan. Wir haben vor einigen Tagen nähere Mitthcilung gemacht über eine vorläufige Aeußerung Rußlands hin sichtlich seiner Stellung zu den von den Westmächten ausgestellten Fric- densbedingungcn in Betreff des dritten Garantiepunkts. Inzwischen hat der russische Staatskanzler Graf Ncsselrode eine Circulardepesche an die russischen Gesandtschaften im Auslande über denselben Gegenstand ergehen lassen. In dieser Depesche ist Das, was wir über die Bedingungen, un ter welchen Rußland auf die gcfoderte Neutralisation des Schwarzen Mee res cingehen wolle, mitgetheilt hatten, bestätigt, und da dieser Punkt bei den gegenwärtigen Friedensbemühungen die Hauptsache bildet, so brauchen wir, nachdem wir die betreffende Bestätigung constatirt haben, auf den weitern Inhalt jener Kundgebung für jetzt nicht weiter einzugehen. Zwei Punkte sind aber als wesentlich markirend für die Situation noch hervorzuheben. Erstens nämlich, daß bei Abgang der fraglichen Depesche dem Grafen Nes selrode die Friedensbedingungen der Wcstmächte nicht bloS vorläufig, son dern im Detail in wortgetreuer Fassung bekannt waren, woraus hervor geht, daß wir in dieser Depesche nicht mehr eine blos vorläufige, sondern eine den betreffenden Foderungen gegenüber ganz bestimmte und präcisirte Meinungsäußerung der russischen Negierung zu erblicken haben; und zwei tens, daß, dem Gesagten logisch entsprechend, in der Depesche hcrvorgehvben ist, daß Rußland, wie stark auch sein Wunsch nach Frieden sei, doch nicht unter andern Bedingungen als den bezeichneten auf die vorgeschlagene Neutralisation des Schwarzen Meeres eingchen könne. Aus beiden zusammen folgt nun bis zur Evidenz, daß die Friedensbedingungen der Westmächte, so wie solche gestellt sind, als von Rußland abgelehnt zu betrachte« sind. Wir wollen damit nicht apodiktisch sagen, daß die gegenwärtigen Friedensbemü hungen in Petersburg gleichfalls als bereits gescheitert anzusehen seien, denn diese Bemühungen dauern zur Zeil noch fort und ihr Resultat muß darum natürlich abgewartet werden; besondere Hoffnungen sind bei dieser Lage der Dinge aber nicht vorhanden. Die weilern Mittheilungen, welche aus Pe tersburg eingehen, sind ebenfalls ganz danach angelhan, alle Illusionen in Bezug auf begründete FricdcnShoffnungen schwinden zu machen. Die West mächte verharren streng bei ihren hinsichtlich des Schwarzen Meeres auf gestellten Bedingungen, und es sind darum alle Mittel zur Herbeiführung einer Transaction zwischen den beiden Gegensätzen genommen, und wenn dem auch nicht so wäre, so würde eine Verständigung darum doch nicht minder auf die größten Schwierigkeiten stoßen durch das Drängen der Kricgö- partci, an deren Spitze der Großfürst Konstantin steht, auf Fortsetzung des Kriegs. Wir haben hierüber in unserm jüngsten Schreiben, bei Erwähnung der erfolgten Reactivirung des Fürsten Mcnlschikow, bereits einige Andeu tungen gegeben. In diplomatischen Kreisen, wo man über die betreffen- den Verhältnisse gewiß noch genauer unterrichtet ist, spricht man darum von einer baldigen Wiederherstellung des Friedens auch nur noch wie von einer kaum zu hoffenden Eventualität. Warum hat der Kaiser Lud wig Napoleon in seiner Rede an die Garde kein Wort vom Frieden, sondern im Gegentheil in erneut kriegerischem Tone gesprochen? Man bemerkt mit Recht, daß derselbe von der schlechten Aufnahme, welche die westmächtlichcn Vorschläge am russischen Hofe gefunden, bei Haltung dieser Rede bereits unterrichtet gewesen sein dürfte. Sie ersehen hieraus, daß wir gutunterrichtet gewesen, als wir wiederholt bemerkten, daß Preußen wol den Frieden, aber nicht die westmächtlichen Friedensbedingungen unterstützt, und daß darum die Mission des Oberstlieutenants v. Manteuffel nach Wien sich nicht sowol auf eine Transaktion zwischen Preußen und Oesterreich in