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der berühmte russische Pianist Nikolai Rubinstein, Direktor des Moskauer Konser vatoriums, dem Tschaikowski das Werk ursprünglich widmen wollte und von dem er technische Ratschläge für die Gestaltung des Soloparts erbeten hatte, lehnte es mit vernichtenden Worten als völlig unspielbar und schlecht ab, was sich der Komponist sehr zu Herzen nahm. Und doch sollte gerade das 1875 beendete b-Moll-Konzert eine der allerbekanntesten und beliebtesten Schöpfungen Tschai kowskis werden. Der Komponist widmete es nach der Ablehnung Rubinsteins dem deutschen Dirigenten und Pianisten Hans von Bülow, einem großen Verehrer sei ner Musik. „Ich bin stolz auf die Ehre, die Sie mir mit der Widmung dieses herrli chen Kunstwerkes erwiesen haben, das hinreißend in jeder Hinsicht ist", schrieb Bülow, der das Konzert bei der Uraufführung am 25. Oktober 1875 in Boston spielte und es in Amerika und Europa zu größten Erfolgen führte. „Die Ideen sind so originell, so edel, so kraftvoll, die Details, welche trotz ihrer großen Menge der Klarheit und Einigkeit des Ganzen durchaus nicht schaden, so interessant. Die Form ist so vollendet, so reif, so stilvoll — in dem Sinne nämlich, daß sich Absicht und Ausführung überall decken." Seitdem ist der große Erfolg diesem an das Erbe Schumanns und Liszts anknüpfenden wie auch Elemente der russischen Volksmusik aufgreifenden und doch ganz persönlich geprägten Werk stets treu geblieben. Eingängige, sinnenfreudige Melodik und originelle Rhythmik, aufrüttelndes, le bensbejahendes Pathos und musikantischer Schwung, stilistische Eleganz und virtuose Brillanz sind die Eigenschaften, die es zu einem Lieblingsstück sowohl des Publikums als auch der Pianisten aller Länder werden ließen. Mit einer außerordentlich schwungvollen selbständigen Einleitung beginnt das Werk, das von Hörnerfanfaren eröffnet wird. Eine durch Violinen und Violoncello vorgetragene, schwelgerische Melodie wird vom Soloinstrument zunächst mit rau schenden Akkorden begleitet, dann von ihm aufgenommen und ausgeschmückt und schließlich nochmals original in den Streichern gebracht. Das Hauptthema des folgenden Allegro con spirito ist einem ukrainischen Volkslied nachgebildet, das der Komponist von blinden Bettelmusikanten auf dem Jahrmarkt in Kamenka bei Kiew gehört hatte. Ihm steht ein innig-gefühlvolles Seitenthema kontrastierend gegenüber. Ein buntes, glanzvolles Wechselspiel zwischen Solopart und Orchester mit mehreren virtuosen Höhepunkten kennzeichnet den Verlauf der hauptsächlich von Motiven des zweiten Themas getragenen Durchführung des Satzes. Lyrisch-kantabel ist der Anfangsteil des in Liedform aufgebauten zweiten Satzes: Von Violinen, Bratschen und Celli zart begleitet, bläst die Flöte eine sanfte, an mutige Melodie. In den lebhafteren, scherzoähnlichen mittleren Teil fand ein mo disches französisches Chanson „II faut s'amuser .danser et rire" (Man muß sich freuen, tanzen und lachen) Eingang. Der Schlußteil führt dann wieder in die ver träumt-idyllische Anfangsstimmung zurück. Von sprühendem Temperament, kraftvoll-tänzerischer Rhythmik ist das stark durch ukrainische Volksmusik inspirierte Finale, ein Rondo, erfüllt. Neben dem feurigen, fröhlichen Hauptthema, dessen Melodie einem ukrainischen Frühlingslied ent stammt und das zu wilder Ausgelassenheit gesteigert wird, gewinnt im Verlaufe des Satzes auch das gesangliche, ausdruckvolle zweite Thema Bedeutung. Ein hymnisch-jubelnder, wirkungsvoller Schluß beendet das Werk. In allen Konzertsälen der Welt gilt Ludwig van Beethovens „S i n- fonia eroica" Es-Dur o p. 5 5 als eines der populärsten sinfonischen Meisterwerke der musikalischen Weltliteratur. Die einzigartige Größe dieses Werkes ist breitesten Hörerschichten vertraut, die immer wieder begeistert werden von der Idee und dem wahrhaft revolutionären Kraftstrom dieser Musik. Fast legendär schon ist die Entstehungsgeschichte der Sinfonie. Beethoven, noch aus seiner Bonner Zeit ein glühender Anhänger von Aufklärung, Demokratie und der Französischen Revolution, empfing 1798 von General Bernadotte, dem Wiener Gesandten der französischen Republik, die Anregung, ein großes Musikwerk zu Ehren des Revolutionsgenerals Bonaparte zu schaffen und ihm zu widmen. Be geistert griff Beethoven den Vorschlag auf, doch zögerte er mit der Ausführung so lange, bis die Werkidee einer ihm vorschwebenden Heldensinfonie mehr und mehr in ihm reifte, und er auch die technische Meisterschaft zu einem solch gro ßen Vorhaben besaß. Erst im Jahre 1801 sind Skizzen für den Trauermarsch und das Finale nachweisbar. Die genaue Konzeption und schließliche Ausarbeitung seines Projektes begann Beethoven erst 1803 und beendete sie im Mai 1804. Zweifellos hatte der Meister in Bonaparte den ersehnten Freiheitshelden und Vollstrecker einer neuen gesellschaftlichen Ordnung gesehen, vermerkte er doch auf dem Titelblatt seiner neuen Sinfonie: „Geschrieben auf Bonaparte." Doch als sich am 18. Mai 1804 der erste Konsul der französischen Republik zum Kaiser ausrufen ließ, tilgte Beethoven, grausam enttäuscht über die Wandlung seines Idols zum Tyrannen, die Widmung und überschrieb das fertige Werk nun „Heroi sche Sinfonie, komponiert, um das Andenken eines großen Mannes zu feiern". Darin aber liegt auch die ganze programmatische Idee des Werkes begründet, das ganz allgemein „die Idee vom Heldentum eines von republikanischen Tu genden erfüllten großen Mannes, in dessen Erscheinung sich Beethoven die pro gressiven politischen und gesellschaftlichen Ziele seiner Zeit repräsentiert vor stellte" (K. Schönewolf), gestaltet, nicht etwa Episoden aus dem Leben Bonapar tes. Erstmals ging Beethoven in der „Eroica" — als Konsequenz seiner revolutionär demokratischen Weltanschauung — von einer bestimmten programmatischen Idee aus. Diese wiederum hatte zur Fogle, daß er zu neuartigen künstlerischen Lö sungen kam, ohne dabei die sinfonische Tradition aufzugeben. Dieses Neue, Epochale der schon rem umfangmäßig ungewöhnlichen 3. Sinfonie bewirkte auch, daß die Uraufführung des Werkes am 7. April 1805 im Theater an der Wien selbst bei den innigsten Anhängern Beethovens keineswegs auf vollstes Ver ständnis stoßen konnte. Ungewohnt aber erschien Beethovens Zeitgenossen nicht so sehr das scheinbar Maßlose einer bis dahin unerhörten „Musikentladung", sondern mehr noch die neue Ordnung dieser Sinfonie, die das bei Haydn und Mozart Gewohnte unermeßlich steigerte. Es war, kurz gesagt, die erstmals kon sequent angewandte Technik der „durchbrochenen Arbeit", ein differenziertes Entwicklungsprinzip des thematisch-motivischen Materials, das seinerseits zui Entfaltung neuer, erweiterter Proportionen bedurfte. Das sinfonische Schwerge wicht ist auf die wesentlich erweiterte Durchführung, namentlich des ersten Satzes, gelegt; auch die abschließende Coda hat an Profil und Bedeutung gewonnen. Denkt man an Beethovens 1. und 2. Sinfonie, so werden die Unterschiede gegen über der 3. deutlich: der beträchtliche Sprung vom Einfachen zum Komplizierten in geistiger, formaler und instrumentatorischer Hinsicht. Die schroffen Disso nanzen und wilden Ausbrüche, die unerwarteten Modulationen verleihen dem ersten Satz seine bestechende Wirkung. Einmalig in der gesamten sinfonischen Literatur ist wohl die Trauermusik des zweiten Satzes. Zum ersten Male voll aus geprägt ist Beethovens Scherzotyp im dritten Satz der „Eroica“ mit seinen hart näckigen Wiederholungen und dämonischen Steigerungen, die im Trio durch romantischen Hörnerklang unterbrochen werden. Variationsform und Kontra punktik bestimmen schließlich die ungewöhnliche Anlage des Finales mit seinem tänzerisch-sieghaften Ausklang. Dr. habil. Dieter Härtwig