DRESDNER PHILHARMONIE Sonnabend, den 8. Juni 1974, 20.00 Uhr Sonntag, den 9. Juni 1974, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 10. ZYKLUS - KONZERT UND 10. KONZERT IM ANRECHT C TSCHECHOSLOWAKISCHE MUSIK Dirigent: Günther Herbig Solisten: Helena—Tattermuschovo, CSSR, Sopran Marie Mrdzovä, CSSR, Alt Miroslav Svejda, CSSR, Tenor Richard Novdk, CSSR, Baß Chor: Philharmonischer Chor Dresden Einstudierung Wolfgang Berger An der Orgel: Heinrich Albrecht Antonin Dvorak 1841-1904 Requiem für vier Solostimmen, Chor, Orchester und Orgel op. 89 I. Requiem aeternam Graduale Dies irae Tuba mirum Quid sum miser Recordare Confutatis maledictis Lacrimosa II. Domine Jesu Hostias Sanctus-Benedictus Agnus Dei ZUR EINFÜHRUNG In der Zeit seiner Rußlandreise und des sechsten Aufenthaltes in England komponierte Antonin Dvorak das Requiem für vier Solo stimmen, gemischten Chor und Orchester op. 8 9. ts beschäftigte ihn fast das ganze Jahr 1890 hindurch. Die durch das Musikfest komitee in Birmingham an Dvorak herangetragene Bitte, die Dichtung »Der Traum des Gerontius" von John Henry Newman als Oratorium zu. vertonen, hatte er abgelehnt mit der Begründung, daß ihm der Text nicht gelegen sei und daß er das Bedürfnis empfinde, sich für die nächste Zeit mehr in eine Atmosphäre schöpferischer Intimität zurückzuziehen. Für spätere Zeit jedoch sagte er ein neues Chorwerk zu. Dieses Versprechen löste er 1890 mit der Komposition des Requiems ein. Dvorak hat das Requiem nicht zum Gedächtnis einer dahingeschiedenen Person und trotz des liturgischen Gerüstes nicht für den sakralen Gebrauch der katholischen Kirche komponiert, sondern im Sinne des englischen Auftrages zur Aufführung im Konzertsaal. Unter den verhältnismäßig wenigen für den Konzertgebrauch geschriebenen Requiemkompositionen nimmt dieses Werk einen hervorragenden Platz ein. In der Zeit der immer deutlicher sich ankündigenden Wende vom Kapitalismus zum Imperialismus und der damit zusammenhängenden Gefährdung aller Kulturwerte bewahrte sich Dvorak die Kraft, das Herz in gesunder Naivität sprechen und singen zu lassen. Das Requiem ist geboren aus Dvoraks Liebe zum Leben. Im Gedenken an das sich immer wieder erneuernde Volk, das leben und siegen wird, findet er Trost. Aus dieser Haltung wächst die Totenmesse über ihren sakralen Charakter hinaus zu einem Hohenlied auf das Volk und die Heimat. Für diese Interpretation sprechen die im Werk anklingenden Elemente der Volksmusik, wie beispielsweise die auf dem altböhmischen Hussitenchoral fußende „Quam olim"-Fuge und viele an den schlichten Choralgesang der Bauern in den Kirchen der heimatlichen Dörfer erinnernden Melodien. Dem liturgischen Text entsprechend gliedert sich das Werk in zwei Hauptab schnitte, wobei der erste, vom „Requiem aeternam" bis zum „Lacrimosa dies illa", erfüllt ist von Schmerz und Trauer, der zweite, vom „Domine, Jesu Christe" bis zum „Agnus dei", trostreiches Hoffen zum Ausdruck bringt. Das Hauptthema, welches das Requiem einleitet und beschließt, ein in Halbtönen fortschreitendes Trauermotiv, durchzieht in mannigfaltiger musikalischer Belichtung und in emotional wechselvollen Abwandlungen das Werk und sichert ihm eine groß artige Geschlossenheit. Der Kontrastreichtum der musikalischen Diktion, schmerzliches Bedrücktsein im „Requiem aeternam", Zittern und Zagen im „Dies irae", Trotz im „Tuba mirum", demutvolle Ergebenheit im „Agnus dei", Zerknirschung und Hoffnung im „Confu tatis maledictis", das überaus reiche Melos der lyrischen und dramatischen Solo partien und die zu großer Wucht gesteigerten dramatischen Chöre mit den Höhe punkten im „Dies irae" und „Tuba mirum" sind von überwältigender Wirkung und bedingen die große Ausstrahlungskraft des Werkes. Zur Leitung der Uraufführung des Requiems am 9. Oktober 1891 in Birmingham hatte Dvorak seine achte Englandreise unternommen und war auch diesmal wieder von den errungenen Erfolgen beglückt und mit Ehren bedacht in die Heimat zurückgekehrt. (Aus: Alfred Hetschko, Antonin Dvorak, Leipzig 1965). I. REQUIEM AETERNAM Requiem aeternam dona eis, Domine, et lux perpetua luceat eis. Te decet hymnus, Deus in Sion, et tibi reddetur votum in Jerusalem; Exaudi orationem meam, ad te omnis caro veniet. Requiem aeternam dona eis, Domine, et lux perpetua luceat eis. Kyrie eleison! Christe eleison! II. GRADUALE Requiem aeternam dona eis, Domine, et lux perpetua luceat eis. In memoria aeterna erit justus, ab auditione mala non timebit. Requiem aeternam dona eis, Domine. III. DIES IRAE Dies irae, dies illa solvet saeclum in favilla, teste David cum Sibylla. Quantus tremor est futurus, quando Judex est venturus, cuncta stricte discussurus. IV. TUBA MIRUM Tuba mirum spargens sonum per sepulcra regionum, coget omnes ante thronum. Mors stupebit et natura, cum resurget creatura, Judicanti responsura. Liber scriptus proferetur, in quo totum continetur, unde mundus judicetur, Judex ergo cum sedebit, quidquid lotet, apparebit, nil inultum remanebit. Dies irae illa ect. V. QUID SUM MISER Quid sum miser tum dicturus? Quem patronum rogaturus, cum vix justus sit securus? Rex tremendae majestatis, qui salvandos salvas gratis, salva me, fons pietatis. Ewige Ruhe gib ihnen, Herr, und das ewige Licht leuchte ihnen. Dir gebühret Lobgesang, Gott in Zion, und Anbetung soll dir dargebracht werden in Jerusalem; erhöre mein Gebet, zu dir wird alles Fleisch kom men. Ewige Ruhe gib ihnen, Herr, und das ewige Licht leuchte ihnen. Herr, erbarme dich! Christe, erbarme dich! Ewige Ruhe gib ihnen, Herr, und das ewige Licht leuchte ihnen. Des Gerechten wird in Ewigkeit ge dacht. Er braucht sich vor böser Nach rede nicht zu fürchten. Ewige Ruhe gib ihnen, Herr. Tag des Zornes, jener Tag, der die Welt in Asche wandelt, wie Sybill' und David zeuget. Wie groß wird das Erschrecken sein, wenn der Richter wird erscheinen, Recht und Unrecht streng zu richten. Die Posaune, wundertönend durch die grabgewölbten Hallen, alle vor den Richterstuhl fordert. Tod und Leben wird erbeben, wenn die Welt sich wird erheben, Rechen schaft dem Herrn zu geben. Ein geschrieben Buch erscheinet, dar in alles ist enthalten, wonach alle Welt gerichtet wird. Wird sich dann der Richter setzen, tritt zutage, was verborgen, nichts wird ungerächt ver bleiben. Tag des Zornes, jener Tag usw. Was werd’, Armer, ich dann sprechen, welchen Mittler soll ich rufen, da selbst der Gerechte zittert? Herr, dess’ Allmacht Schrecken zeuget, der sich gnädig zu den Frommen neiget, rette mich, Urquell der Gnade. Das Konzert am 8. Juni 1974 wird von Radio DDR, Sender Dresden, aufgezeichnet