DRESDNER PHILHARMONIE Sonnabend, den 15. Juni 1974, 20.00 Uhr Sonntag, den 16. Juni 1974, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 10. PH I LH ARMONISCH ES KONZERT Gastspiel des Dresdner Kreuzchores Dirigent: Martin Flämig Solisten: Helge Termcr; Dresden, Sopran Annelies Burmeister, Berlin, Alt Armin Ude, Dresden, Tenor Hermann Christian Polster, Leipzig, Baß An der Orgel: Konrad Müller Giovanni Battista Pergolesi Stabat mater für Soli, zweistimmigen Knabenchor, 1710—1736 Streicher und Orgel Stabat mater (Duett — Chor) Cujus animam gementem (Arie — Sopran) O quam tristis (Duett — Chor) Quae moerebat et dolebat (Arie — Alt) Quis est homo (Duett — Soli) Vidit suum dujcem natum morientem (Arie — Sopran) Eja mater (Arie — Alt) Fac ut ardeat cormeum (Duett — Chor) Sancta mater (Duett — Soli) Fac ut portem Christi mortem (Arie — Alt) Inflammatus et accentus perte (Duett — Soli) Quando corpus morietur (Duett — Chor) PAUSE Joseph Haydn Messe für Soli, vierstimmigen Chor, Orchester 1732—1809 und Orgel d-Moll (Nelson-Messe) Kyrie (Sopransolo und Chor) Gloria (Soloquartett und Chor) Qui tollis (Baßsolo und Chor) Quoniam (Soloquartett und Chor) Credo (Chor) Et incarnatus (Soloquartett und Chor) Et resurrexit (Sopransolo und Chor) Sanctus (Chor) Benedictus (Soloquartett und Chor) Osanna (Chor) Agnus Dei (Soloquartett) Dona nobis pacem (Chor) ZUR EINFÜHRUNG Giovanni Battista Pergolesi war ein bedeutender und erfolgreicher Vertreter jener italienischen Komponistenschule, die Anfang des 18. Jh. in Neapel wirkte und besonders auf dem Gebiet der Oper beispielgebend für Europa wurde. Pergolesi schuf neben Opern auch Sonaten, ein Violinkonzert, Oratorien, Messen und andere Kirchenmusik. Geboren 1710 in Jesi (Italien), nahm er mit zwölf Jahren ein Musikstudium an einem der Konservatorien zu Neapel auf. Hier entstand auch seine erste Auftragsoper, die 1731 zur Aufführung gelangte. Den Höhepunkt seines Schaffens erreichte er kurze Zeit später mit der Opera buffa „La serva padrona" (Die Magd als Herrin; 1733). Als eine der ersten Opern dieser Gattung erreichte sie Weltgeltung. Sie war auch die Ursache des sogenannten Buffonistenstreits, der, ausgelöst 1752 in Paris, sich zu einer Aus einandersetzung zwischen den Verfechtern der alten höfischen Opera seria und der bürgerlichen Opera buffa ausweitete. Der Erfolg des neuen Bühnenstückes bewirkte die Ernennung Pergolesis zum stellvertretenden Kapellmeister der Stadt Neapel. 1734 betraute man den Komponisten mit Amt und Titel eines neapolita nischen Hoforganisten. Pergolesi, schon lange lungenkrank, begab sich zur Genesung in ein Kloster. Hier komponierte er sein Stabat mater und verstarb kurz darauf im Alter von 26 Jahren. Ein Stabat mater gehört zu den bekanntesten freien kirchlichen Hymnen (Sequenzen). Der lateinische Text stammt vermutlich von Bonaventura (j" 1274), F. G. Klopstock übertrug ihn ins Deutsche. Der erste Teil der Dichtung schildert in epischer Form die Empfindungen der unter dem Kreuz stehenden Maria beim Tod Jesu, der zweite ist ein Gebet. Berühmte Vertonungen dieses Textes schufen u. a. A. Scarlatti, Haydn, Rossini, Liszt, Dvorak und Szymanowsky. Pergolesis Stabat mater für Soli, zweistimmigen Chor, Streicher und Orgel entstand im Auftrag eines kirchlichen Ordens, der eine neue Komposition dieser Dichtung wünschte. Die Einflüsse der neapolita nischen Oper werden auch in diesem Werk spürbar, im Wechsel von Rezitativen, Arien und Duetten, in typischen Verzierungen und Koloraturen. Klare Linien führung, tiefes Empfinden und Plastizität des Ausdrucks bei Anwendung schlich tester kompositorischer Mittel kennzeichnen das Werk. Das wird besonders im Sopransolo „Vidit suum dulcem natum' 1 deutlich. Höhepunkt der Komposition ist der polyphon gearbeitete Chor „Fac ut ardeat cormeum“. Das vorausgehende „Eja mater fons amoris" trägt deutlich buffoneske Züge. Eine für jene Zeit übliche Amen-Fuge beschließt das Werk. Nachdem Joseph Haydn 1795 von seiner zweiten Konzerttournee durch England nach Wien zurückgekehrt war, begann für ihn eine neue Epoche seines Schaffens, die der Vokalsinfonik. Es entstanden hintereinander sechs große Messen und zwei Oratorien. Haydn hatte auf seinen Englandreisen die große Oratorientradition des Landes kennengelernt. Die stark entwickelte englische Chorpraxis und die Bekanntschaft mit Händelschen Oratorien vermittelten ihm große künstlerische Anregungen. Das erste Zeugnis des neugewonnenen Stils sind die Messen. Durch die sinfonische Behandlung des Orchesterparts werden, parallel zum Vokalsatz, neue, vertiefte Ausdrucksbereiche geschaffen. Die strenge Bindung an den Choral und die alte Polyphonie gehen verloren. Die Musik ist dem liturgischen Geschehen nicht mehr untergeordnet. Im Vordergrund steht die persönliche Auseinandersetzung des Komponisten mit dem Text. Damit war der Übergang von der alten Kantatenmesse zur einheitlichen sinfonischen Messe der Wiener Klassik vollzogen. Im heutigen Konzert erklingt die Messe d-Moll für Soli, vierstim migen Chor, Orchester und Orgel. Es ist die dritte der sechs