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klagende Klarinettenmelodie dargestellten Flehen um Hilfe. Er befreit sie, und eine von Smetana mit verschwenderischem Klangzauber ausgestattete innige Lie besszene deutet auf das Gelingen von Sarkas heimtückischem Plan. Die ahnungs losen und trunken gemachten Mannen des Ctirad beginnen einen täppischen Tanz, bis sie in Schlaf versinken. In einem Anflug von witzigem musikalischem Naturalismus läßt sie der Komponist in tiefen Tönen schnarchen, während Sarkas Horn ihre Gefährtinnen herbeilockt. Sie verdrängt ein kurz aufwallendes Gefühl echter Liebe zu Ctirad, und im tosenden Sturm schildert das Orchester die Mordgier des Amazonenheeres, dem die Männer bis zum letzten zum Opfer fallen. „Aus Böhmens Hain und Flu r". Die vierte der Tondichtungen gilt abermals der Natur des Landes, doch diese Schilderung soll, wie ihr Verlauf zeigt, keineswegs als ruhiges Idyll empfunden werden. Während sich in der „Moldau" die Kontraste durch die wechselnden Landschaften und Stimmungen ergaben, tritt hier stärker ein kämpferisches Moment hervor. Es steht deutlich in Gegen satz zu den lyrischen und beschaulichen Episoden. Ohne so bestimmte Hinweise, wie sie uns Smetana in der „Moldau" gab, hören wir dennoch das Rauschen des Waldes, das Wogen der Felder und auch die Tänze und Lieder des Volkes heraus. Indem Smetana aber im Schlußteil der Tondichtung die fröhliche Polka melodie mehrmals gewaltsam unterbrechen läßt, ehe sie sich voll entfalten kann, will er sicherlich mehr geben als nur „ein Erntefest oder irgendein Dorffest", wie er gelegentlich sagte. Die Unterbrechungen deuten zweifellos auf die dunklen und bösen Kräfte hin, die zur Zeit der Entstehung des Zyklus der Entfaltung einer tschechischen Nationalkultur im Wege standen. Der Polkarhythmus verkörpert dagegen die gesunden, kämpferischen Kräfte des Volkes und gibt der Über zeugung des Meisters Ausdruck, daß sich sein Land eines Tages frei entfalten wird. „Tabor". Die beiden letzten Teile des Zyklus „Mein Vaterland" gehören inhaltlich und musikalisch zusammen. Sie zählen wiederum zum Typ der historisch legendären Tondichtungen wie schon „Vysehrad" und „Sarka". Die sinfonische Dichtung „Tabor" trägt ihren Namen nach der südböhmischen Stadt Tabor, dem Sammelpunkt der als Taboriten bekannt gewordenen Gruppe der Hussiten. In einer Zeit der nationalen Sammlung erkannten Smetana und seine Freunde in dem tschechischen Reformator und Volksführer Jan Hus und seinen Anhängern Vorläufer ihrer eigenen nationalen Freiheitsbewegung. Die von den Hussiten nach der Ermordung ihres Anführers auf dem Scheiterhaufen des Konzils zu Konstanz im Jahre 1415 geführten sozialreligiösen Kriege erschienen den fort schrittlich revolutionären Männern des 19. Jahrhunderts als Sinnbilder der eigenen Pflichten. Deshalb legte Smetana seiner Tondichtung „Tabor" bedeutsam den Hussitenchoral „Die ihr Gottes Kämpfer seid" zugrunde, weil dieser während der Hussitenkriege eine ähnliche Bedeutung hatte wie etwa hundert Jahre später die von Engels als „Marseillaise der Bauernkriege" bezeichnete Lutherweise „Ein feste. Burg". Die ganze Tondichtung beruht auf einer sehr kunstvollen Ver wendung der Melodie des Hussitenliedes oder seiner einzelnen Motive. Sie schildert weniger bestimmte Episoden jener in Gestalt von Religionskriegen ge führten politischen Auseinandersetzungen, als vielmehr allgemein die Zuversicht und Kampfentschlossenheit des tschechischen Volkes. „Blanik". Unmittelbar an „Tabor" schließt sich der letzte Teil des Zyklus, „Blanik", an. Der Berg Blanik hat in der tschechischen Volkssage eine ähnliche Bedeutung wie in der deutschen der Kyffhäuser. In den Blanik haben sich näm lich nach ihrer Niederlage die hussitischen Kämpfer zurückgezogen, und dort schlafen sie bis zum Tage, da das Vaterland ihrer Hilfe bedarf und sie ruft. Der Komponist handelt deshalb folgerichtig, wenn er auch diese Tondichtung zum großen Teil aus dem musikalischen Material des Hussitenchorals gestaltet. Aber hier sind die Kontraste stärker und deutlicher. Ein zart lyrischer Hirtengesang löst die kämpferische btimmung des Anfangs ab. Er charakterisiert die Stille der Natur am Abhang des Berges, der einen so kostbaren Schatz birgt, vielleicht auch das sehnsüchtige Kufen des Volkes nach der Hilfe durch die Kämpfer der alten Zeit. Denn alsbald ertönt der Ruf des Hornes und, zunächst leise, dann immer stärker anschwellend, der Marschtritt der hussitischen Krieger. In kunst voller kompositorischer Verbindung, die jener anfangs erwähnten Forderung von Richard Strauss nach dem Einfalls- und Gestaltungsvermögen auch des Kom ponisten von Programmusik höchste Ehre macht, verquickt Bedfich Smetana schließlich den Siegesmarsch der täboritischen Kämpfer, ihren hussitischen Choral und — als Symbol der tschechischen Nation — das stolze Hauptthema aus „Vysehrad" zu einem erhabenen Klangbild. Sowohl in musikalischer Hinsicht als auch in ideeller Durchdringung faßt Smetana in dieser abschließenden Ton dichtung den Zyklus „Mein Vaterland" zu einem Bekenntnis zur nationalen Erneuerung des tschechischen Volkes und seines Landes großartig zusammen. Prof. Dr. Richard Petzoldt (t) LITERATURHINWEISE: Rychnowski: Smetana (Stuttgart 1924) Bartos: Smetana in Briefen und Erinnerungen (Prag 1954) VORANKÜNDIGUNGEN : Mittwoch, den 3., und Donnerstag, den 4. April 1974, jeweils 20.00 Uhr, Kulturpalast 9. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Hartmut Haenchen Solist: Bernard Ringeissen, Frankreich, Klavier Werke von Wagner-Regeny, Mozart und Beethoven Freier Kartenverkauf Sonnabend, den 13., und Sonntag, den 14. April 1974, jeweils 20.00 Uhr, Kulturpalast 10. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Hartmut Haenchen Solist: Andrej Korssakow, Sowjetunion, Violine Chor: Kinderchor der Dresdner Philharmonie Leitung: Wolfgang Berger Werke von Bartök, Vivaldi und Beethoven Freier Kartenverkauf Freitag, den 19., und Sonnabend, den 20. April 1974, jeweils 20.00 Uhr, Kulturpalast Einführungsvorträge jeweils 19.00 Uhr Dr. habil. Dieter Härtwig 8. KONZERT IM ANRECHT C UND 8. ZYKLUS-KONZERT Dirigent: Günther Herbig Solist: Dr. Ferdinand Klinda, CSSR, Orgel Werke von Vejvanovsky, Suchon, Fibich und Jandcek Anrecht C und tJ Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit 1973/74 — Cnefdirigent: Günther Herbig Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Druck: Polydruck Radeberg, PA Pirna - 111-25-12 2,85 ItG 009-32-74 7. KONZERT IM ANRECHT C UND 7. ZYKLUS-KONZERT 1973/74