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Dienstag, den 19. Februar 1974, 19.30 Uhr im Festsaal des Kulturpalastes Dresden Konzert der Dresdner Philharmonie Dirigent: Kurt Masur, Leipzig Solist: Jacques Klein, Brasilien, Klavier PROGRAMMFOLGE Franz Liszt 1811-1886 Les Preludes — Sinfonische Dichtung nach Lamartine Cesar Franck 1822-1890 Sinfonische Variationen für Klavier und Orchester Maurice Ravel 1875-1937 Konzert für Klavier und Orchester G-Dur Allegramente Adagio assai Presto PAUSE Modest Mussorgski 1839-1881 Bilder einer Ausstellung (Instrumentation: S. Gortschakow) Promenade I Gnomus Promenade II Das alte Schloß Promenade , n III Tuilerien (Streit der Kinder nach dem Sp ,e ' IV Bydlo Promenade V Ballett der Küchlein in ihren Eierschalen VI Samuel Goldenberg und Schmuyle (Zwei Juden, ein reicher und ein armer) Promenade VII Der Marktplatz von Limoges VIII Katakomben IX Die Hütte auf Hühnerkrallen (Baba-Jag 0 ' X Das große Tor von Kiew ZUR EINFÜHRUNG JACQUES KLEIN wurde 1930 in Aracati (Brasilien) geboren und lebt heute in Rio de Janeiro. 1950 ging er in die USA und wurde Schüler von William Kapell. 1952 kam er nach Europa und wurde in Wien Schüler Bruno Seidlhofers. Seine internationale Karriere begann nach der Erringung des 1. Preises beim Inter nationalen Wettbewerb in Genf im Jahre 1953. Zwei Jahre später ehrte man ihn als „besten jungen Pianisten des Jahres“ mit der Verleihung der Harriet- Cohen-Medaille. Mit großem Erfolg gastierte er seither u. a. in Argentinien, Brasilien, Italien, Großbritannien, Österreich, Norwegen, in der Schweiz, in den Niederlanden, in Dänemark, Frankreich und den USA. Er war Solist u. a. bei den Londoner und Westberliner Philharmonikern, bei der Schottischen National philharmonie, beim Concertgebouw Amsterdam. Bei der Dresdner Philharmonie war er erstmals 1972 zu Gast. ZUR EINFÜHRUNG Franz Liszts sinfonische Dichtung „Les Preludes" wurde im Jahre 1845 entworfen und 1854 in Weimar uraufgeführt, wo der Komponist in der Zeit von 1848 bis 1861, nachdem er sich von seinen großen Reisen als Klaviervirtuose zurückgezogen hatte, als einflußreicher Lehrer und Förderer einer neuen Generation von Pianisten und Komponisten lebte und wirkte. Vieles in der Musik dieser bedeutenden, weithin wirkenden und ihrer Epoche unendlich viele Anregungen vermittelnden Persönlichkeit erscheint uns heute recht zeitgebunden und in seiner Wirkung ferner gerückt — doch darf nicht verkannt werden, daß Liszt trotz starker Betonung des virtuosen Elements, trotz der großen, uns häufig etwas äußerlich-pathetisch anmutenden Klang gebärde stets bestrebt war, sei nen Werken einen geistigen Gehalt zu geben. Ebenso bedeutend wie auf dem Gebiete der Klaviermusik war Liszt in der Orchestermusik. Die Bestrebungen Hector Berlioz’ fortsetzend, gelangte er in seinen sinfonischen Dichtungen zu einem neuen Typus der Programmsinfonie, jenseits aller erstarrten Formen. Mit der von ihm geschaffenen Gattung der sinfonischen Dichtung, die in Richard Strauss ihren genialen Vollender fand, hat er einen großen Einfluß auf die Entwicklung der Orchestermusik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und noch darüber hinaus ausgeübt. Nicht nur in Deutschland bildete sich eine regelrechte Liszt-Schule, sondern auch in Frankreich, in der Tschechoslowakei, in Rußland, ja selbst in England und in Amerika. Die sinfonische Dichtung „Les Preludes“ ist, obwohl ihr in der Mehrzahl stehender Titel „Vorspiele" verheißt, ein einsätziges Orchesterwerk, über das der ungarische Musikwissenschaftler Zoltän Gärdonyi schrieb: „Zur Erklärung des Inhalts ver wendete Liszt eine umfangreiche .Meditation* des französischen Dichters Lamar tine. Dieses Gedicht enthält eine eigenartige Betrachtung des Menschenlebens. .Was ist unser Leben anders als eine Reihenfolge von Präludien zu jenem un bekannten Gesang, dessen erste und feierliche Note der Tod anstimmt?' — heißt es in Liszts Erläuterung zu seiner Komposition. Aber das Werk ist alles andere als ein Vorspiel zum Tode. Es schildert das wechselvolle Leben eines