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ZUR EINFÜHRUNG Franz Liszts sinfonische Dichtung „Les Preludes" wurde im Jahre 1845 entworfen und 1854 in Weimar uraufgeführt, wo der Komponist in der Zeit von 1848 bis 1861, nachdem er sich von seinen großen Reisen als Klaviervirtuose zurückgezogen hatte, als einflußreicher Lehrer und Förderer einer neuen Generation von Pianisten und Komponisten lebte und wirkte. Vieles in der Musik dieser bedeutenden, weithin wirkenden und ihrer Epoche unendlich viele Anregungen vermittelnden Persönlichkeit erscheint uns heute recht zeitgebunden und in seiner Wirkung ferner gerückt — doch darf nicht verkannt werden, daß Liszt trotz starker Betonung des virtuosen Elements, trotz der großen, uns häufig etwas äußerlich-pathetisch anmuienden Klanggebärde stets bestrebt war, seinen Werken einen geistigen Gehalt zu geben. Ebenso bedeutend wie auf dem Gebiete der Klaviermusik war Liszt in der Orchestermusik. Die Bestrebungen Hector Berlioz' fortsetzend, gelangte er in seinen sinfonischen Dichtungen zu einem neuen Typus der Programmsinfonie, jenseits aller erstarrten Formen. Mit der von ihm geschaffenen Gattung der sinfonischen Dichtung, die in Richard Strauss ihren genialen Vollender fand, hat er einen großen Einfluß auf die Entwicklung der Orchestermusik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und noch darüber hinaus ausgeübt. Nicht nur in Deutschland bildete sich eine regelrechte Liszt-Schule, sondern auch in Frankreich, in der Tschechoslowakei, in Rußland, ja selbst in England und in Amerika. Die sinfonische Dichtung „Les Preludes" ist, obwohl ihr in der Mehrzahl stehender Titel „Vorspiele“ verheißt, ein einsätziges Orchesterwerk, über das der ungarische Musikwissenschaftler Zoltdn Gärdonyi schrieb: „Zur Erklärung des Inhalts ver wendete Liszt eine umfangreiche »Meditation' des französischen Dichters Lamar tine. Dieses Gedicht enthält eine eigenartige Betrachtung des Menschenlebens. ,Was ist unser Leben anders als eine Reihenfolge von Präludien zu jenem unbekannten Gesang, dessen erste und feierliche Note der Tod anstimmt?' — heißt es in Liszts Erläuterung zu seiner Komposition. Aber das Werk ist alles andere als ein Vorspiel zum Tode. Es schildert das wechselvolle Leben eines heroischen Menschen und schließt sieghaft triumphierend. — Nach einer tasten den langsamen Einleitung erklingt das Hauptthema zuerst in pathetisch feier lichem Ton. Dieses heroische Thema nimmt dann eine weichere, sehnsuchtsvolle Gestalt an. Ein selig wogendes Thema erzählt von schwärmerischen Liebesträu men. Nach Abschluß dieses lyrisch-schwelgerischen Teils entwickelt sich eine leidenschaftlich kämpferische, stürmisch bewegte Durchführung mit einem ener gischen Fanfarenmotiv, das aus dem heldischen Hauptthema gebildet ist. Der Mittelteil ist ein Allegretto pastorale mit einem lieblichen Thema, das der Freude des Menschen an der Natur Ausdruck gibt. Im glanzvollen, triumphalen Schluß teil der ,Preludes' erfahren die beiden Hauptthemen, das energische Helden thema und das lyrische Liebesthema, eine marschartige Umformung ins Sieg hafte. Immer strahlender wird der großartige Melodienstrom, bis das Werk mit dem heroischen Fanfarenthema schließt, mit dem es auch begann.“ Aus dem reichhaltigen und vielseitigen Schaffen Ces ar Francks haben sich neben etlichen Orgelwerken und einiger Kammermusik eigentlich nur seine d-Moll-Sinfonie und die heute erklingenden Sinfonischen Variationen einen festen Platz in unseren Konzertsälen erringen können. Die relativ geringe An teilnahme, die man bei uns dem Leben und Schaffen dieses Meisters zollt, ist um so verwunderlicher, als seine Musik der deutschen durchaus nicht wesens fremd ist und für Franck Anregungen der deutschen Musik seiner Zeitgenossen Brahms und Wagner, aber auch Bachs, geistig und formal von großer Bedeutung waren. Der im Jahre 1822 in Lüttich geborene Komponist, Sohn eines wallonischen Va ters und einer deutschen Mutter, gelangt früh in den Bannkreis von Paris. Früh zeitig mit Preisen für Klavier- und Orgelspiel ausgezeichnet, bleibt dem reifen Komponisten die gebührende Anerkennung versagt. Unter ärmlichen Verhältnis sen lebt er als Musiklehrer und Organist in Paris, bis ihm 1872 eine Professur am Pariser Konservatorium angetragen wird. Erst etliche Jahre nach seinem Tod (1890) beginnen sich seine Werke durchzusetzen. Die verschiedensten Kultur kreise, die sich in dem in Frankreich lebenden Wallonen Franck, der — wie schon angeführt — für deutsche Musik eine große Neigung besaß, berühren, gelangen in seinen Kompositionen zu einer interessanten Mischung. Dabei ist wichtig fest zustellen, daß diese verschiedenen Einflüsse — Bach, Rameau, Brahms, Liszt, Wagner, Berlioz — von Franck keineswegs eklektisch benutzt werden, sondern durch seine schöpferische Persönlichkeit eine ganz eigene Verarbeitung erfahren. Die musikalische Sprache der Romantik, ins Romanische transponiert, eine an Rameau und Bach geschulte, häufig kontrapunktisch durchsetzte Form klarheit und eine mit französischer Delikatesse beleuchtete Instrumentation sind die Wesensmerkmale der Musik Francks. Die Sinfonischen Variationen für Klavier und Orche ster, 1885 entstanden, gehören zu den reifsten Leistungen des Komponisten. Bereits der Titel „Sinfonische Variationen" deutet darauf hin, daß es sich in dem vorliegenden Werk nicht um eine Reihung einzelner, unabhängiger Verände rungen des Themas handelt (wie es beispielsweise bei den Mozart-Variationen von Reger der Fall ist), sondern, daß das Thema, besser: die Themen, in sinfo nischer Technik variiert werden. Dieses sinfonische Prinzip zeigt sich bereits in der Themenaufstellung. Wie im Sonatenhauptsatz werden zwei Themen gegen übergestellt: das erste von den Streichern unisono intoniert, aus konsequenter Verfolgung eines prägnanten, rhythmisch bestimmten Motivs erwachsend, mar kant, männlich im Charakter, dem das zweite — vom Soloinstrument vorgetra gen — sofort folgt: eine schwärmerische Melodie, in delikater Weise harmonisiert. Nach der knappen Themenexposition beginnen nun im Gegen- und Miteinander von Klavier und Orchester die kunstvollen Variationen. Die Übergänge sind fließend gehalten, das sinfonische Prinzip bleibt erhalten. Kurze hingetupfte 3 //,-Takt-Episoden schieben sich in die Entwicklung ein. Ein Fis-Dur-Mittelteil — molto piü lento — bildet einen stimmungsmäßigen Gegensatz. Thematisch sind die Celli in diesem Teil stark beteiligt, über einem ausgedehnten Oktavtriiler des Solisten beginnen Celli und Bässe mit dem zweiten Thema den dritten Teil des Werkes, in dem thematisch nun noch dieses zweite Thema zahlreiche musika lische, satztechnische und also auch charakterliche Veränderungen erfährt. Das Werk bietet dem Solisten reiche pianistische Entfaltungsmöglichkeiten. Manch mal, so besonders im Fis-Dur-Mittelteil, erinnert die Behandlung des Soloinstru ments an Chopin, an dem auch die schwebende Harmonik geschult zu sein scheint. Das Konzert für Klavier und Orchester in G-Dur von Maurice Ravel gehört mit dem zur gleichen Zeit — 1930/31 — entstandenen Konzert für die linke Hand zu den letzten und reifsten Kompositionen des großen französischen Komponisten. Es zeigt Ravel auf dem Höhepunkt seiner kompo sitionstechnischen und stilistischen Entwicklung. Am 7. März 1875 in dem Pyre näenstädtchen Ciboure geboren, studierte er bei Gabriel Faure und gelangte stark in die Einflußsphäre Claude Debussys. Gleich den Werken dieses großen musikalischen Impressionisten ist auch in den imponierenden frühen Kompo sitionen Ravels eine starke Auflösung der Form zugunsten schillernder Impressionen zu bemerken. Die Schulung an Rameau und Couperin („Le Tombeau de Couperin"), ein starker Hang zur tänzerischen Geste („La Valse“) und eine enge Verbundenheit mit der vitalen Folklore des benachbarten