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chischen Musiktheaters gewann. Ferner schrieb er zahlreiche weitere Orchester kompositionen, Konzerte, Kammermusik- und Klavierwerke, Kantaten. Seine ureigenste Domäne aber war die Chor- und Liedkomposition. Hier hat er wohl sein Bestes gegeben, bereicherte er doch diese Genres um neue Töne verinner lichter Lyrik und psychologisierender Stimmungen. Vom subjektiven Erlebnis gelangt er oft zu monumentalen Bildern menschlicher Seelenbewegungen oder zu bezaubernden Stimmungsbildern. Im Grunde seines Wesens war Foerster ein subjektiver, sensibler Lyriker von oft melancholischer Färbung, besonders in seinen späten Kompositionen, in denen immer häufiger religiös-mystische Stim mungen ertönen. Er war jedoch auch der Typ eines Künstlers, der besonders in den Jahren um die Jahrhundertwende die positiven Züge des Lebens mit ge radezu überraschender Kraft auszusprechen wußte. Er war ein Humanist, ein Sänger der Liebe, ein Sänger des Mitleids und der sozialen Sehnsucht. Zum Bilde des Menschen und Künstlers Foerster gehörte seine ausgeprägte Religiosität, seine „Gottstrebigkeit", Von der naiven, volksmäßigen Frömmigkeit Bruckners und Dvoraks unterschied er sich freilich durch seinen sinnenden und philosophisch veranlagten Geist. Ihn beseelte der Wunsch, sich Gott zu nähern, der für ihn Schöpfer und Bürge einer Weltordnung bedeutete, in der die Liebe herrscht. „Diese Liebesidee ist die Triebfeder seines kosmischen Aufflugs, sie ist die Quelle seines Glaubens an das Erdenziel des Menschen, der Nation und der Menschheit: ihnen allen ist es gegeben, das Werk der Liebe zu verwirklichen" (F. Pala). Während des ersten Weltkrieges, in den Jahren 1914 bis 1918 in Wien, komponierte er drei Gedichte, die es ihm ermöglichten, diese seine Sehnsucht nach Liebe und Frieden adäquat in Tönen erklingen zu lassen. Es waren die Gedichte „Klarer Morgen" von Otakar Brezina, „Seliges Lächeln der Toten" von Antonin Sova und „Das Siegeslied" von Frantisek Xaverius Saida (alle drei tschechischen Dichter feierten in diesen Jahren ihren 50. Geburtstag). Foerster vereinigte die drei ideell zusammenhängenden symbolistischen, dithyrambischen Wortschöpfungen zu einem Ganzen: zu dem Zyklus dreier Gesänge für Solo stimme und Orchester „Klarer Morgen" o p. 107, der zu den Höhe punkten im Foersterschen Liedschaffen, ja der tschechischen Vokalmusik gehört und von befruchtender Einwirkung auf die tschechische Musik hymnischen Ein schlages werden sollte. Es sind nicht nur Lieder, sondern umfangreiche, für Foersters Schaffen höchst charakteristische hymnische Gesänge, in ein schillern des spätromantisches orchestrales Klanggewand gehüllt. Bleibenden künstleri schen Eindruck hinterläßt das Ethos, der sittliche Ernst dieser Musik, während die Zeitgebundenheit der zugrunde liegenden, oft schwer verständlichen, bilder reichen symbolistischen Dichterworte doch nicht zu übersehen ist (eine adäquate deutsche Übertragung liegt nicht vor). Der Sinn des Gedichtes von Brezina ist: Ein geheimnisvolles Wesen ging durch den Garten, und alles war wie verwandelt. Wenn der Mensch um sich schaute, schien es ihm, als ob er die Welt zum ersten Mal erblickte. Was ihm bestimmt war, nahm er als Selbstverständlichkeit entgegen, und die „glühendsten, süße sten, begehrtesten der Frauen" grüßte er als weiße Schwestern. Das ist also die erste Erkenntnis Foersters: sich zu sinnlicher Reinheit durchzukämpfen, damit der Mensch in der Frau nicht das sinnliche, sondern das geistige Wesen sieht. Antonin Sova spricht von einer anderen Erkenntnis: vom seligen und lächelnden Sterben. Der Dichter hat eine geheimnisvolle Vision: Die Schar der glücklichen Seelen steigt zum Zenit, unhörbaren Gesang als Lichtspuren hinter sich ziehend, still durch den hellen Raum wirbelnd, mit verjüngenden Kreisen irgendwohin zu den Sternen zielend. Und das dritte Gedicht von Saida gibt gleichsam die Antwort auf die Frage, wie man zu Gott gelangt: Tiefer und höher steigt mein Herz, aus größerer Tiefe und größerer Höhe glühen die Flammen, strömt Glanz und Helle; hinter dem Puls des Äthers, hinter dem Reich des Lichtes, höher als sie glaubten und als die mörderischen Wüteriche den in Bosheit und Neid gestählten Pfeil schickten. Saida gesteht, daß es nicht leicht ist, Gottes Thron zu erreichen, daß man jedoch Gott suchen muß im Herzen der Liebe. Und das war auch Foersters Überzeugung. Antonin Dvoraks 9. und letzte Sinfonie e-Moll op. 95 ent stand 1893 in New York während des Amerikaaufenthaltes des tschechischen Meisters. Er war 1892 in die „Neue Welt" gekommen, um drei Jahre lang als Direktor des Konservatoriums in New York tätig zu sein. Die Rationalität und Betriebsamkeit des amerikanischen Lebens, die neuen Maschinen, Wolken kratzer usw. machten großen Eindruck auf Dvorak, der sich gewiß gerade auf die Gestaltung des ersten und letzten Satzes der 9. Sinfonie, seines ersten „amerikanischen" Werkes, ausgewirkt hat. Besonders wichtig jedoch waren die menschlichen Begegnungen für Dvorak, seine Berührung mit den schlichten Liedern der Ureinwohner Amerikas, der Indianer, und mit den Gesängen der Neger. Ein Widerhall dieser amerikanischen Volksmusik ist in der Partitur der Sinfonie „Aus der Neuen Welt" unmittelbar festzustellen, ohne daß der tschechische Meister irgendwelche fremden Melodien verwendet hätte: „Ich habe von keiner dieser Melodien Gebrauch gemacht. Ich habe nur eigene Themen geschrieben, denen ich die Besonderheiten der Indianermusik verlieh. Indem ich diese Themen zum Vorwurf nahm, habe ich sie mit allen Errungen schaften der modernen Rhythmik, Harmonik und Kontrapunktik sowie des Orchesterkolorits zur Entwicklung gebracht." Die Uraufführung der Sinfonie erfolgte am 16. Dezember 1893 in der New Yorker Carnegie Hall unter der Leitung von Anton Seidl, einem Freunde Richard Wagners. Als Dvorak von den amerikanischen Kritikern als „Erfinder der amerikanischen Musik" gepriesen wurde, entgegnete er mit dem ihm eigenen Humor: „Es scheint, ich habe ihnen den Verstand verdreht! Bei uns zu Hause wird man begreifen, was ich meinte!“ In der Tat: Dvorak ließ mit der Sinfonie „Aus der Neuen Welt" eines seiner besten und zugleich typisch tschechischen Werke in die Welt hinausgehen, das seitdem zu den volkstümlichsten, belieb testen Schöpfungen des internationalen sinfonischen Repertoires gehört. Eine schwermütige, langsame Einleitung ist dem ersten Satz vorangestellt, aus der sich zunächst zaghaft, dann immer bestimmter der Hauptsatz (Allegro molto) mit seinem zweiteiligen markanten Hauptthema, eine plastische Drei klangs-Melodie, entwickelt. Freudig bewegt ist das zweite Thema, vom ersten abgeleitet. Dieses Material bildet die Grundlage des einfach, übersichtlich und vor allem mitreißend gestalteten Satzes. Einen der schönsten langsamen Sätze der sinfonischen Weltliteratur stellt das anschließende Largo dar, das durch die Szene eines Indianerbegräbnisses aus Longfellows Epos „Hiawatha" angeregt wurde. Das Englischhorn stimmt die ergreifende, melancholische Trauermelodie an, die Klage über den Tod von Hiawathas treuer Gefährtin Minnehah. Das Largo ist dreiteilig angelegt. Der Mittelteil weist eine gleichsam indianische Intonation auf, ist erregter in seiner Haltung und führt zu einem feierlichen Gesang der Holzbläser. In großer Steigerung erklingen schließlich die Hauptthemen des ersten Satzes, bis dann wieder die erhabene Klage des Anfangs einsetzt Nach dem gedankenreichen Largo führt uns das Scherzo (Molto vivace) in eine gänzlich andere Welt. Wieder liegt ein Bild aus Longfellows Dichtung zugrunde: der Festtanz der Indianer zur Hochzeit Hiawathas. Ein rhythmisch akzentuiertes, harmonisch geführtes Thema charakterisiert den Indianertanz. Ein anmutiger, lyrischer Mittelteil mit walzerartigem Rhythmus löst die lebhafte wirbelnde Bewegung ab. In der Überleitung zum Trio erscheint unvermutet das Hauptthema des ersten Satzes. Nun erklingt eine echte tschechische Tanz-