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Sonntag. Die Z-itnng erscheint mit Ausnahme Les Montags täglich und wird Nachmittag» 4 Uhr aus gegeben. Preis für da» Biertel- iahr I'/, Thlr.; jede ein zelne Nummer 2 Ngr. — Nr.' 288. K. December I8S.» Zu beziehen durch all« Postämter des Zn- und Auslandes, sowie durch die Expedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Anfertionsgebühr «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz I» für den Rann, einer Zeil- vtgr. Deutsche MgtMim Zeitung. Die deutschen Mittelstaaten. — Leipzig, 8. D«. Wenn nicht alle Zeichen trügen, so bereitet sich in der Politik der deutschen Mittelstaaten in Bezug auf ihr Verhältniß zu der großen europäischen Frage ein bedeutsamer Umschwung vor. Schon die Reise der Herren v. d. Pfordten und v. Beust nach Paris, die Unterredun gen mit dem Kaiser Napoleon und dem Grafen Malewski mußten Denen, welche sich erinnerten, wie diese beiden Staatsmänner schon öfters gemein- sam eine solche persönliche Thätigkeit entfalteten, wo eS galt, die Gelegen heit zu einem vermittelnden oder bestimmenden Auftreten der deutschen Mit- telstaaten zu benutzen, nothwendig als noch etwas Anderes denn als ein bloßer AuSflug zur Erholung oder zur Befriedigung ihrer Wißbegierde und zur Vermehrung ihrer gewerblichen Kenntnisse erscheinen. Die Note des Grafen Malewski, worin dieser alle bisher neutralen Staaten auffodert, das Gewicht ihrer Meinung in die Wagschale der streitenden Mächte zu legen, mit andern Worten, wenigstens moralisch gegen Rußland Partei zu nehmen und in diesem Sinne sich zu erklären, ist sicherlich nicht erlassen worden, ohne daß man gewiß war, «in Echo für diesen Aufruf, und zwar insbesondere bei den Staaten zu finden, von deren Seite eine solche Erklä rung am wirksamsten, weil am längsten und beharrlichsten verweigert, sein mußte, d. h. den deutschen. Die mehrfach kundgewordene Angabe, daß von mehren deutschen Staaten nach gemeinsamer Verabredung, wenn auch nicht in der Form einer Eollectiverkkärung, Vorstellungen an den Petersburger Hof, mit dir dringenden Mahnung, die Hand zum Frieden zu bieten, ab gegangen seien, scheint daher in der That mehr als ein bloßes Gerücht zu sein. Ob diest Vorstellungen mehr Eindruck auf den Geist des Zar ma- cheN und ihn geneigter zur Nachgiebigkeit stimmen werden als der Verlust Sewastopols und seiner besten Kriegsflotte, die Bedrohung der blühendsten Handelsstadt und des ersten Waffenplatzes seines Reichs, die Erschöpfung seiner inner» Hülfsquellen und di« kaum mehr zweifelhafte Vermehrung der Phalanx seiner Gegner, um einen, wenn nicht um zwei gewichtige Verbündete - das wollen wir dahingestellt sein lassen. Wichtiger als in seinen möglichen Einflüssen auf die allgemeine Weltlage scheint unS der ge- dacht« Schritt der deutschen Mittelstaaten durch seine Bedeutung als ein Symptom der innern Zustände Deutschlands. Ueberblicken wir die letztver- flossenen sechs bis sieben Jahre: welche merkwürdigen Phasen sehen wir da die Politik dieser Mittelstaaten durchlaufen! Zuerst um das wieder empor strebende Oesterreich geschart, widersetzen sie sich aus allen Kräften den von Preuß«» unterstützten oder doch an Preußen sich anlehnenden nationalen Be- strebungen für eine festere Einigung Deutschlands, indem sie zugleich, selbst Oesterreich gegenüber, nach einer größer» Machtstellung im Bunde, für sich selbst, freilich vergebens- sich abmühen. Ja, so weit ging damals ihre Hin neigung zu Oesterreich und ihre Eifersucht oder ihr Mistrauen gegen Preu ßen, daß sie nahe daran waren, da« zwanzigjährig« Band des Zollvereins und dir damit engverschlungenen AerkehrSinteressew ihrer Länder einer un gewissen Zukunft preiözugeben, wenn nicht Oesterreich selbst noch zur guten Stunde eingelenkt und die Hand zur Ausgleichung geboten hätte. So blieb es bis zum Ausbruch de« orientalischen Kriegs; da machte Oesterreich Miene, gegen Rußland aufzutreten und den Deutschen Bund in eine active Politik mit sich hintinzuziehen, und alsbald wich die Anhäng- keit an diese Großmacht einer merklich«» Erkaltung, das b-ngebende Ver trau«» zu ihr einer besorglichen Zurückhaltung. Die S^mbergtr Conferen- zen unternahmen eS, sogar dem vereinigten Willen Lesterreichs uNb> Pt«u- ßens die Spitze zu bieten und eine Politik. aH .igene Hand zu versuchen, die ft-.l-ch vor dem beharrlichen Andro- Oesterreichs, welchem Preußen wenigstens »,cht entgegentrat, ntthr Stand zu halten vermochte. Aber kaum zog sich Preußen au« de; scheinbare» Gemeinsamkeit des Handelns mit Ns.rrrnch itl ein« absolute Neutralitätsstellung zurück, selbst der Ausfüh- rung des April- und Nüvetnbervertrags in dem von Oesterreich gewünsch te» Sinne durch eine von der österreichischen abweichende Auslegung sich ent ziehend, al« auch die Mittelstaaten ihre im Bundestage anscheinend nach Oesterreichs Seite hinübergereichte Hand entschieden zurückzogen und aller früh«rn Sympathien wie Antipathien vollständig vergessend, mit Preußen in das innigste Einvernehmen traten, gegen Oesterreich kalt und mistrauisch sich verhielten, ja kein Bedenken trugen, in ihren Preßorganen letzteres in derselben Weise zu behandeln, wie sie vor nicht allzu langer Zeit Preußen behandelt hatten. Die bekannte Glinka'sche Note zeigte, wessen man sich damals Von Griten Rußland« zu diesen Staaten versah. Und in der That sah man selbst in offieiellen Blättern derselben die große Streitfrage zwi schen dem Westen und dem Osten in einem Ton« verhandelt, Recht und: Unrecht zwischen den kriegführenden Mächten in einer Weise auSgetheilt, daß m<m nicht wol zweifelhaft sein konnte, auf welcher Seite die Cabinete Hb MltteE mit ihren Sympathien standen. Und nun jetzt wieder diese neüeste Wendung, hie zwar noch ziemlich entfernt sein mag von einer wirklichen zweifellosen Beistimmung zu der westlichen oder einer Absagung der östlichen Politik, geschweige von einer activen Parteinahme für jene ge gen diese, immerhin aber doch ein erster Schritt auf einer Bahn ist, welche von dem bisher so streng festgehaltenen Ziele nothwendig weiter und weiter abführen muß. Wir haben diesen geschichtlichen Rückblick auf die Politik der deutschen Mittelstaaten nicht zu dem Zweck hier gegeben, um gegen diese Politik oder ihre Leiter den Vorwurf der Inkonsequenz, Wandelbarkeit oder Unzuver lässigkeit zu erheben. Wir erkennen an, daß, was an dieser Politik zu ver missen oder auszusetzen sein mag, weit mehr den Verhältnissen al« den Per» sonen zur Last fällt. Aber gerade darum glaubten wir die öffentliche Auf merksamkeit darauf hinlenken zu müssen. Die politische Stellung von Staa- ten, welche zu klein sind, um an der Entwickelung der großen europäischen Verhältnisse einen wahrhaft wirksamen und mitentscheidenden Antheil zu ha- ben, und doch zu groß, um sich ein für alle mal stillschweigend und gedul- big eines solchen zu begeben, kann nicht anders als zu Anläufen, deren Vergeblichkeit auch die gewandteste diplomatische Führung nicht abzuwenden vermag, und zu Schwankungen führen, welche den Einfluß dieser Staaten noch mehr abschwächcn, indem sie den Mächtigem die Zuversicht verleihen, dieselben unter begünstigenden Umständen jedesmal ihrem Einfluß erliegen zu sehen. Selbst das Zusammenhalten aller dieser Staaten untereinander zum Zweck eines gemeinsamen Auftretens schützt dagegen nicht, wie der Aus- gang der Darmstadter Coalition und der Bamberger Conferenzen beweist. Was aber kann sie schützen? Nichts Anderes als ein möglichst inniges Ver- wachsen mit den. Gcsammtkörper der deutschen Nation, ein unverbrüchliche« Festhalten an den wirklich gemeinsamen Interessen Deutschlands, ein auf richtiges Eingehen auf alle wahrhaft nationalen und volksthümlichen Bestre- bungen. Das ist der mütterliche Boden, aus welchem allein die Mittel- staaten die Kraft des Widerstandes schöpfen können, so oft ein Hercules, von Ost oder von West, sie in seiner Umarmung zu ersticken droht. D eutschl a« d. Preußen. ^-Berlin, 7. Dec. Der russische Gesandte am Hofe von Hannover, Hr. v. Fon ton, welcher vor einigen Tagen hier eingetrof- fen war, hat sich, dem Vernehmen nach, von hier nach Wien begeben, vo» wo derselbe, nachdem er mit dem dortigen russischen Gesandten, Fürsten Gortschakow, conferirt, sich wahrscheinlich nach Petersburg begeben dürfte. Hr. v. Fonlon ist bekanntlich eine Persönlichkeit von großer Bedeutung in der russischen Diplomatie, und es hätte seiner vorherigen Besprechungen hier mit dem Baron Budberg unv in Wien mit dem Fürsten Gortschakow kaum bedurft, uni die ganz besondere Aufmerksamkeit der diplomatischen Welt auf die gegenwärtige Reise dieses Diplomaten zu lenken. Daß die Reise des Hrn. v. Fonton mit den gegenwärtigen Friedensbestrebungen, und namentlich mit der Stellung Deutschlands zu diesen Bestrebungen in enger Verbindung steht, liegt auf der Hand. Nächstdem hätte auch die Annahme Vieles für sich, daß Hr. v. Fonton beauftragt sei, bei dieser Gelegenheit auch die Ansichten des Barons Budberg amd deö Fürsten Gortschakow über Das, worüber man diese Herren bei der zuerst in Warschau, dann in Peters- bürg projeclirt gewesenen Diplomatenconferenz hat hören wollen, mündlich nach Petersburg zu überbringen. Vielleicht steht der telegraphisch gemeldete große Ministerrath, welcher demnächst in Petersburg stattfinden soll, mit' diesem Umstand nicht ganz außer Verbindung. Es hat darum die Reise des Hrn. v. Fonton auch in dieser Beziehung ihre Bedeutung. Sie kann, was diesen Punkt betrifft, gleichsam als ein Ersah angesehen werden für die schon angeordnel gewesene, zuletzt aber wieder unterbliebene Reise de« Fürsten Gortschakow und des Barons Budburg nach Petersburg. Die neu liche Notiz in der Kreuzzeilung, daß all« Mittheilungen über eine bevorste hende Reise des Barons Budberg nach Petersburg falsch waren, erhielte dadurch nur eine relative Richtigkeit; denn cs würde unter diesen Umstän den jene Notiz allerdings wol richtig sein in Bezug auf das äußerlich Fac- tische, aber falsch in Bezug auf den eigentlichen Kern der Sache. Uebrigen« war die große Emphase, mit welcher jenes Desaveu gegeben wurde, auch ohnedies nicht am Platze. Denn die Angabe, daß Baron Budberg und Fürst Gortschakow sich zu einer Reise nach Petersburg bereithieltcn, war nicht falsch; die Sache war nur die, daß man, angesichts der großen Be wegungen, welche sich in der europäischen Diplomatie vorbereiteten, in Petersburg es für geeigneter hielt, die betreffenden Herren auch nicht für kurze Zeit von ihren resp. Posten zu entfernen, und darum in Bezug auf die bereits beschlossen gewesene Reise zuletzt wieder Contreordtt ergehen ließ.— Da« Gerücht, daß Kar« von den Russen genommen worden sei, ist hier bereits seit zwei Tagen allgemein verbreitet. Es heißt sogar, daß bei der hiesigen russischen Gesandtschaft schon eine telegraphische Depeschb darüber eingetroffen sei. Dem scheint jedoch nicht so zu sein, denn sonst wärt anzunehmen, daß die Siegesbotschaft in der Krenzzritung schon ein«»