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mung „romanzenhaft ruhig und melancholisch" sei, daß er „den teuren Anblick des deckens Erde vor uns erstehen lassen soll, wo tausend liebe Erinnerungen sind ... So ein Hinträumen von einer herrlichen Stunde im Frühling, bei Mondenschein.'' Dem Rondofinale (Vivace) gibt der Rhythmus des feurigen pol nischen Volkstanzes Krakowiak sein sprühendes Gepräge. Virtuose Passagen und Läufe des Solisten führen am Schluß des Konzertes zu einem wahren brillan ten Feuerwerk, zu tänzerischer Entfesselung — konsequenter Gipfelpunkt eines aus gärender, jugendlicher Leidenschaftlichkeit heraus geborenen Werkes, das die erste Schaffensperiode des polnischen Meisters beschloß. „Ich bin in erster Linie und am meisten Künstler, und als Künstler will ich der Ge meinschaft dienen, nicht ins Leere hineinschreiben. Ich finde es als Komponist wertvoll zu wissen, wie die Zuhörer auf die Musik reagieren." Diese Worte Benjamin Brittens, des bedeutendsten zeitgenössischen englischen Kom ponisten, geben interessanten Aufschluß über seine Einstellung zum Verhältnis Künstler und Publikum. Die enge Verbundenheit mit dem Hörerkreis erscheint ihm also für den schöpferischen und nachschaffenden Musiker lebensnotwendig. Aus solcher Einsicht resultiert aber auch jenes ganz bezeichnende Merkmal seines Schaffens, das in der Gegenwartsmusik der kapitalistischen Länder durchaus nicht häufig anzutreffen ist: Brittens spontane schöpferische Kraft, sein lyrisch-melodi scher Empfindungsreichtum, sein handwerklich müheloses Gestaltungsvermögen haben seine Musik in die Lage versetzt, die in westlichen Ländern leider noch oft bestehende Kluft zwischen Künstler und Gesellschaft zu überbrücken. Seine Musik hat nicht nur in England, sondern auch im internationalen Maßstab größten Widerhall bei breitesten Hörerschichten gefunden. Obwohl der englische Kom ponist in erster Linie ein hochbegabter Musikdramatiker mit erstaunlichem Thea terinstinkt ist („Peter Grimes", „Albert Hering", „Raub der Lukretia", „Billy Budd", „Gloriana", „Bettleroper", „Sommernachtstraum", „Der Tod in Venedig" u. a.), konnte er auch im Konzertsaal nachhaltige Erfolge erringen (Orchester werke, Konzerte, Vokal- und Kammermusikwerke). Dieser vielseitige Musiker führt die Tradition der englischen Musik fort, die mehr als 250 Jahre lang, seit dem Tode Henry Purcells (1659—1695), der als Englands größter nationaler Komponist gilt, unterbrochen war. 1945 vollendete Britten seinen Opern-Erstling „Peter Grimes", der gleich sam die zeitgenössische englische Nationaloper wurde. Der Charakter des Werkes erforderte es, daß insgesamt sechs Zwischenspiele die einzelnen Szenen verbinden. Von diesen „I n t e r I u d e s" wählte Britten vier aus — diejenigen, die inhaltlich im Zusammenhang mit dem Meer stehen — und stellte sie zu einer Orchestersuite op. 33a zusammen. Obwohl diese Zwischenspiele Überleitungen zu realistischen Szenen der Oper sind, ist ihre Haltung mehr allgemein-betracn- tend; Britten beschreibt hier verschiedene Stimmungen des Meeres, das er als Küstenbewohner selbst genau kennt. Das erste Zwischenspiel „Dämmerung" (Lento e tranquillo) ist auf drei Motiven aufgebaut: einem Unisono der Streicher in hoher Lage, arpeggierten Terzen von Harfe, Klarinette und Bratsche und Akkorden der Blechbläser. Charakteristisch für dieses Zwischenspiel ist der Zusammenprall von a-Moll (Streicher) und A-Dur (Blechbläser). Nach E. W. White schildert Britten in diesem Stück „den Wind, der durch die Takelage der Boote am Strand und über die Schornsteine des Städtchens pfeift, den Wellenschlag der See und das Knirschen des Kieses unter der Flut". Das zweite Zwischenspiel „Sonntagmorgen" (Allegro spiritoso) ist eine impressionistische Schilderung des Meeres im glitzernden Sonnenlicht; durch kunstvolle Instrumentierung wird der Klang der Kirchenglocken hörbar. Ebenfalls eine Beschreibung friedlicher, ruhiger Stimmung ist das dritte Zwi schenspiel „Mondschein" (Andante comodo e rubato). Zu der ruhigen Bewegung der Akkorde tritt ein Nebenthema in der Flöte und der Harfe, welches das sich im Meer und auf den Dächern der Stadt spiegelnde Mondlicht darstellt. Das vierte Zwischenspiel „Sturm" (Presto con fuoco) ist das dramatischste der Suite. Ein Thema, das fugiert wird und ständig wiederkehrt, verleiht dem Stück den Charakter eines Rondos. Neben einer Abwandlung des Blechbläserthemas aus dem ersten Zwischenspiel gehören noch eine zweistimmige Passage in Trioien und das Thema aes Monologs von Peter Grimes zum motivischen Bestand der Sturmmusik, die mit der Darstellung der elementaren Gewalt des Meeres den Zyklus abschließt, dessen einzelne Ieile attacca (ohne Pause) aufeinander- tolgen. Der zu seiner Zeit auch als Pianist und Dirigent angesehene norwegische Kom ponist Edvard Grieg hatte in seiner tigenschaft als erster Nationalmusi ker seines Landes keine Vorgänger, keine Tradition, an der er hätte anschiie- ßen können. Er war der erste skandinavische Komponist, der die Volksmusik seiner Heimat in die Sphäre der Kunstmusik hob, nicht aber, indem er folklo- ristische Elemente wörtlich zitierte, sondern indem er sein eigenes Schatten an der charakteristischen Wesensart norwegischer Volksmusik ausrichtete. Am Ende seines Lebens schrieb Grieg einmal: „Künstler wie Bach und Beethoven haben auf den Höhen Kirchen und Tempel errichtet. Ich wollte . . . Wohnstätten für die Menschen bauen, in denen sie sich heimisch und glücklich fühlen . . . Ich habe die Volksmusik meines Landes aufgezeichnet. In Stil und Formgebung bin ich ein deutscher Romantiker der Schumann-Schule geblieben. Aber zugleich habe ich den reichen Schatz der Volkslieder meines Landes ausgeschöptt und habe aus dieser bisher noch unerforschten Emanation der nordischen Volksseele eine nationale Kunst zu schaffen versucht." Mit seiner bodenständi gen Kunst, seinen schwermütig-lyrischen, aber auch kräftigen Liedern, seinen eigenwilligen, häufig tänzerisch profilierten kleinen Instrumentalformen eroberte Grieg die Gunst der Musikfreunde in aller Welt. Seine immer und im guten Wortsinne volkstümliche Musik ist gekennzeichnet durch eine sinnenhafte Melo dik, eine herbsüße Harmonik, farbig-satte Instrumentation und eine aparte, von skandinavischer Folklore beeinflußte Rhythmik. Unter Edvard Griegs wenigen größeren Komponisten ragt das 1868, also mit 25 Jahren geschriebene Klavierkonzert a-Moll op. 16 bedeut sam heraus. Der Komponist widmete es dem norwegischen Pianisten Edmund Neupert, der es 1869 in Kristiania erfolgreich urautführte. Das Beispiel des Schumannschen Klavierkonzerts a-Moll hat maßgeblich die Gestaltung dieses Griegschen Jugendwerkes beeinflußt, das übrigens ebenfalls mottohaft vom Soloinstrument eröffnet wird. Aber auch die virtuose Klaviertechnik Chopins und Liszts mag Anregungen geboten haben. Nicht ohne Grund hat Hans von Bülow Grieg einmal den „Chopin des Nordens" genannt. Nach dem energischen Vor spruch stellt das Orchester das anfangs rhythmisch-markante, dann in fließende melodische Bewegung übergehende Hauptthema vor, das auch vom Klavier auf gegriffen wird. Der Solist leitet sodann zum lyrischen Seitenthema über, das zu erst in den Celli erklingt; rhapsodisch freizügig, gedrängt ist die Durchführung. Zum pianistischen Höhepunkt des Satzes wird die große Kadenz, in die die Reprise mündet. Das Hauptthema wird hier prächtig ausgeschmückt. In der kur zen Coda erklingt nochmals das Einleitungsmotto. Echten Griegschen Personal stil bietet der zweite Satz (Adagio) mit seiner ruhig strömenden Des-Dur-Me lodie, die gedämpfte Streicher vortragen, bis sie der Solist aufgreift und zu einer imposanten Steigerung führt. Nur durch eine Fermate getrennt, schließt sich das Finale an. Norwegische Volkstanzrhythmen bestimmen das Haupt thema. Einer energiegeladenen Kadenz folgt eine stürmische Stretta. Dann wird der Satz mit dem lyrischen Seitenthema in jubelnder Ausdruckssteigerung gekrönt und beschlossen. Programmblätter der Dresdner Philharmonie - Spielzeit 1973/74 - Chefdirigent: Günther Herbig Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Die Einführung in die 4 Sea-Interludes von Benjamin Britten schrieb unsere Praktikantin Marion Söhnel vom Fachbereich Musikwissenschaft der Karl-Marx-Universität Leipzig Druck: Polydruck Radeberg, PA Pirna - 111-25-12 2,85 ItG 009-80-73 SONDERKONZERT FÜR MILITÄRAKADEMIE -1: ■■ A USSERORDEN T-E-I-G-H-ES' KO^ER T 1 973/74