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1881 senstillstand einlassen werden, als hinreiche, die Tobten auf den Schlacht- feldern zu begraben. Auch in Berlin soll der Vertreter Rußlands in die- sem Sinne gewirkt haben; allein die preußische Negierung soll das Ansin nen aus dem Grunde zurückgewicsen haben, weil diese Einmischung in eine Angelegenheit, die es sozusagen von sich gewiesen, unmöglich anders als erfolglos bleiben könnte. Es haben in den letzten Tagen wieder Minister- berathungen stattgefunden, an welchen der Kaiser in Person lhcilgcnommcn haben soll und in welchen die große Frage des Augenblicks zur Verhand- lung kam. Es sollen nach Versicherungen, die mir zugehcn, zwei Dinge aus den hingeworfcnen Aeußerungen des Kaisers deutlich herausgelreten sein, daß er die Fortsetzung des Kriegs gegen Rußland für unerläßlich erachte und daß er ebenso hoffe als wünsche, die österreichischen Waffen denen der Westmächte beigesellt zu sehen. Wie ich es Ihnen seinerzeit gemeldet und wie cs seither bestätigt worden, war es Ludwig Napoleon, der auf England dahin eingewirkt, daß die vor einiger Zeit eingetretene Verstimmung zwi schen Oesterreich und den Westmächtcn nicht zum Bruch erweitert wurde, und Alle, die dem Kaiser nahestehen, behaupten, daß ec immer und immer die Uebcrzcugung ausspreche, Oesterreichs wirkliche Allianz mit den West- machten, d. h. das vereinigte Auftreten der drei Verbündeten bedeute in allen Fällen eine rasche und glückliche Lösung der großen Streitfrage. „Er würde", sagen die Eingeweihten, „Friedensuntcrhandlungen vorderhand zu- rückweiscn, wenn er nicht wüßte, daß man durch sie hindurch muß, um zur eigentlichen Allianz mit Oesterreich zu gelangen." — Nach einem bayonner Blatt wäre dem Marschall Pelissier vom Kaiser der Titel eines Herzogs v. Sewastopol zugcdacht. — Der Prinz Napoleon erhält von den Ausstellern immerfort allerlei Gaben für die orientalische Armee. Seit der Bekanntmachung des letzten Verzeichnisses schenkte der Direclor des Landwirthschaftlichen Instituts zu Grignon einen Pflug zum Urbarmachen, Hr. Pleyel ein reichverziertes auf- rechtstehendcs Piano von Rosenholz, endlich die Witwe Erard den schönen Flügel im Stile Ludwig's XV., der einen Werth von ungefähr 25,000 Fr. hat. Vom 1. Oct. an wird der Industrie- und Kunstpalast um 10 Uhr Vormittags geöffnet und Abends 5 Uhr geschlossen. — Der Jnde'pendance belge werden folgende Details über einen Putsch versuch im Vardepartement mitgetheilt: „Die ehemaligen Insurgenten dieses Departement, welche 1851 ins Exil gingen, fuhren fort, mit ih rem Vaterlande, namentlich mit der ländlichen Bevölkerung, die noch kei neswegs vom Socialismus curirt ist, in Verbindung zu bleiben. Vielleicht durch eine gewisse Aufregung im Innern ermuthigt und durch ihre Unge- duld, als Herren zurückzukchrcn, getrieben, vereinigten sich die exaltirtesten dieser Leute, um die Grenze zu überschreiten. Man war so unvorsichtig gewesen, die Versammlung dieser Feinde der Ordnung in Nizza, einige Meilen von der offensten Grenze Frankreichs, zu dulden. Der verwegene Coup der Verschworenen von Angers gab der thörichtcn Einbildung Eini ger Nahrung. Das Signal zum Aufbruch ward gegeben. Aber der fran- zösische Consul zu Nizza benachrichtigte die Negierung. Truppen setzten sich in Bewegung und nahmen, 4—500 Mann stark, vor der Varbrücke Po sition; eine ebenso starke Reserve rückte von Marseille nach der kleinen Stadt Brignolles. Es fand indessen kein Zusammenstoß statt, und die ganze Geschichte endete mit einigen auf sardinischem Gebiet vorgenommenen Verhaftungen. Die Zahl der von Nizza ausgezogenen Flüchtlinge betrug nur etwa 100." Paris, 25. Sept. Der heutige Moniteur enthält ein Decrct, durch welches drei Divisionsgeneralc und sieben Brigadegenerale ernannt wer den. Die Generale Bosquct, Niel und Mac Mahon haben das Großkreuz der Ehrenlegion erhalten. Der Moniteur enthält ferner ein Decret, durch welches ein Credit von 10 Mill. Fr. zu Arbeiten im Interesse der Com- mun und für Wohlrhätigkcitsanstalten eröffnet wird. — Der heutige Con- stitutionnel sagt, er habe persönlich bei den Oberbehörden nach den Absich ten derselben in Betreff des Credit mobil! er Erkundigungen cingezogen. Der Constitutionnel dementirt hiernach das Gerücht von der Einsetzung ei- nes Gouverneurs für die betreffende Gesellschaft.— In heutiger Passage war die Stimmung eine feste. Die 3proc. Rente wurde zu 66. 35 ge macht. Ocsterreichische Staatseisenbahnactien wurden zu 795, Credit mo- bilier-Actien zu 1360 gehandelt. Großbritannien. ^London, 22. Sept. Das Ausbleiben weiterer Depeschen aus der Krim gibt zu so vielen absurden Speculationen über die Lage der russi schen Armee und die muthmaßlichen nächsten Operationen der verbünde ten Generale Veranlassung, daß cs verlorene Mühe wäre, sie alle registrl- ren zu wollen. Was wurde über diesen Gegenstand während der letzten Tage nicht Alles geschrieben! Die Leitartikel unserer ersten Blätter thaten dem Unsinn geziemenden Vorschub, indem sie ihre Naisonncments auf die sehr kühne und auf bloße Vcrmuthungen basirte Ansicht gründeten, daß sich die russische Armee in der allerverzweifeltsten Lage befände, daß es eine nim mer zu verzeihende Ungeschicklichkeit der alliirten Oberfcldherren sein würde, wenn Fürst Gortschakow mit seiner ganzen Armee nicht gefangen nach Lon- don und Paris geführt würde u. dergl. m. Auf welchem Wege die russi sche Armee zur Waffenstreckung gebracht, ja wie nur ihr Rückzug gchin- dert werden könne für den Fall, daß Fürst Gortschakow einen solchen beab sichtige, darüber schwiegen die sanguinischen Kritiker. Es dürfte daher, wenn auch nicht ersprießlich, doch interessant sein, diese Frage etwas gründlicher aufzufassen, wie dies schon früher von einem Berichterstatter des Morning Herald geschehen ist. An einen Angriff der Alliirten guf die bei Macken zie furchtbar verschanzten feindlichen Heercsmassen glaubt selbst hier kein Mensch, denken, nach Allem, was man von den Dispositionen der Generale weiß, auch diese nicht. Dagegen ist cs ein Licblingsgcdanke der englischen Presse geworden, vermittels der Flotte eine Abtheilung der Armee nördlich von Sewastopol landen, dort den Russen in den Rücken fallen, ihnen den Rückzug nach Pcrekop abschncidcn zu lassen. ES fragt sich vor allem: wo soll diese Armee landen? Es müßte bei Eupatoria oder Kalamita geschehen. Ersteres hätte den Vorzug ausgedehnter Erdbcfestigungen für sich, die ei ner Landung selbst vereinzelter Divisionen Schutz bieten könnten, sodaß die Ausschiffung sicher und allmälig vor sich gehen könnte. Von Eupatoria aus könnte dann eine Armee entweder gegen Simpheropol dirigirt werden, oder auf dem alten Wege (gegen die Alma) vorrücken. Das größte Hin- dcrniß wäre in diesem Falle dec Wassermangel in Eupatoria. In lctzterm Orte würde man sehr wenig, auf den nächsten sechs deutschen Meilen in der Richtung gegen Simpheropol wahrscheinlich gar kein Trinkwasser fin den. Auf dem alten Wege gegen die Alma wäre diesem Uebelstande durch die Flotte abzuhclfen. Der Almafluß selbst vertrocknet auch im heißesten Sommer nicht; dagegen wäre der lange Flankcnmarsch auf dem engen Wege längs der Salzsümpfe an und für sich gefährlich. Durch eine Landung in der Kalamitabai (südlich von den stagnirendcn Salzwasserseen) wäre dieser gefährliche Marsch unnöthig; an dieser Stelle aber sind keinerlei Befesti gungen. Hier müßte eine starke Armee von mindestens 50,000 Mann auf einmal landen, um einem eventuellen Massenangriffe des Feindes die Spitze bieten zu können. Man weiß, was zu einem solchen Unternehmen erfoder- lich ist, und es dürfte sehr zweifelhaft sein, ob die Alliirten dazu noch in diesem Herbst die nöthigen Vorbereitungen zu treffen im Stande sind. Tre ten nur erst Stürme ein, dann wäre cs Wahnsinn, die Flotte längs der offenen Küste zu exponiren. Wird aber die Landung bei Kalamita glück- lich bewerkstelligt, dann wird erst eine zweite Almaschlacht durchzukämpfen sein. Die Alliirten werden sie nicht zu scheuen haben, trotzdem die Russin seit der Besetzung Eupatorias durch die Türken ihre rechten Positionen auf den Almahöhen mit Erdwerken stark befestigt haben; denn die feindliche äußerste Linke wird ewig der Flotte gegenüber exponirt bleiben, unter deren Schutze Franzosen und Engländer den Feind werden werfen können; aber, wie gesagt, dazu gehört gutes Sommerwetter beim Landen und eine sichere See für die begleitende und deckende Flotte. Auf der Südseite von Se wastopol müssen infolge des Abzugs von 50,000 Mann überdies die Dis- Positionen dahin geändert werden, daß man die ausgedehnte Tscherna-Rjetsch- kalinie aufgibt und sich auf die Vertheidiguug der Balaklavahöhen beschränkt, wozu allerdings ein Corps von 12,000 Mann guter Truppen genügend wäre. Eine solche Aenderung der Dispositionen könnte dem Feinde nicht lange verborgen bleiben, und er würde seine ganze Macht im Norden zu- sammenziehcn, wo cs zur Entscheidung käme. Ein directer Marsch von Eupatoria nach Pcrekop aber, der so oft ancmpfohlen wurde, wird auS Mangel an Transportmitteln zuverlässig das Allerletzte sein, woran die Generale der Alliirten denken werden. Für die nächsten Wochen wird es sich darum handeln, ob Fürst Gortschakow wirklich so großen Mangel an Vorräthen hat, daß er sich mit seinem ganzen Heere nicht lange auf der Halbinsel halten kann. Dann wird er muthmafilich, ohne stark belästigt werden zu können, einen Theil seines Heeres nach Perekop rctiriren lassen. Entschließt er sich mit der andern Hälfte zur Vertheidiguug der Nordforts, dann wird es zu einem Kampf um diese kommen; die Flotte wird trach ten in den Hafen zu dringen, um das Ihrige beizutragcn, und die Bewäl tigung der Nordscite dürfte nicht übermäßig viel Zeit in Anspruch nehmen. Das Morning Chrvnicle tritt für die österreichische Vermittelung in die Schranken. Man könne nicht leugnen, daß Oesterreich der Sache der Civilisation im Allgemeinen wichtige Dienste geleistet habe; und für das Scheitern der letzten Unterhandlungen könne man es nicht verantwortlich machen. Jetzt wieder eigene sich Oesterreich allein zum Vermittler, thcils weil seine eigenen Interessen Frieden heischen, und theils weil die Initiative der Unterhandlung weder von dem krankhaften Hochmuth Rußlands zu er warten sei, noch von den triumphirendcn Alliirten ausgehen könne. Oester reich dagegen, als ein neutraler und zugleich befreundeter und mächtiger Staat, könne den Vermittler spielen, ohne seiner eigenen oder der Alliirten Würde etwas zu vergeben. Das Morning Chrvnicle ist der Hoffnung, bei nahe der Ucberzeugung, daß England und Frankreich die Welt durch ihre Mäßigung in Erstaunen setzen werden. Wenn auch die große Masse darob Zeter schreien sollte, würden doch alle Denkenden einsehcn, daß Mäßigung in der Stunde des Siegs und nach glänzend geretteter Ehre, den zwei größten Vorfechtcrn der Civilisation als heilige Pflicht obliege. Ihre Fe derungen würden ganz die alten bleiben und nur als Zusatz zu den vier Punkten die Erstattung der Kriegskosten stipuliren. Daß cs auch im In teresse der Alliirten liege, derartigen Friedensvorschlägen Gehör zu schenken, leide gar keinen Zweifel. Denn dauere der Krieg fort, so arbeite er den Fanatikern und Verschwörern in die Hände, die unter dem Geschrei: Un- garn, Polen, Italien! auf den Umsturz der ganzen gesellschaftlichen Ord- nung trachten. Daily News im Gegcntheil dringt auf Verwerfung aller Vorschläge, die nicht direkt vom Feinde kommen. Die Dazwischenkunft Oesterreichs würde dieselben Resultate wie das letzte mal haben. Es sei beinahe unmöglich zu denken, daß die Alliirten, nachdem sie durch die Erfahrung so empfindlich gewitzigt seien, die alten Böcke von neuem schießen würden. Die Times kommt wieder auf Neapel zurück. England müsse zwar für seinen Theil und für den Augenblick mit der erhaltenen Genugthuung zufrieden sein; deshalb dürfe aber Niemand wähnen, daß die zeitweilige Be-