Volltext Seite (XML)
I88V eines Pfarrers oder Kaplans nachgesucht wird, die oben bezeichneten AuS- weise vorgelcgt werden sollen. Während die Negierung durch Verweigerung des Tischtitels das Mittel hat, ungeeignete Geistliche entfcrntzuhalten, wahrt sie durch eine Maturitätsprüfung der geistlichen Candidatcn insoweit das Staatsintcrcsse, als die im Knabenseminar zu Fulda erzogenen Geistlichen auch ihre wissenschaftliche Befähigung darzuthun haben. (Fkf. I.) Oesterreich. Die wiener Antographirtc Correspondenz schreibt unlerm 21. Sept.: „Es scheint, daß Rußland im vertraulichen Wege gemachte An träge, deren Ucberbringer Graf Stakelberg gewesen, durch nicht annehmbare Gegenanträge erwiderte, womit auch die beschleunigte Rückkehr des Grafen v. Buol und die erwartet gewesene kurze Anwesenheit des Kaisers in Wien sonach wieder entfallen sind. Dem Vernehmen nach hat Fürst Gortschakow die bezüglichen Depeschen am 19. Sept, erhalten." — Dem Pester Lloyd schreibt man aus Wien vom 19. Sept.: „Man hat bei dem Auftreten des Hrn. Pereirc in Wien die Hoffnung gehegt, daß dieser Bankier mit der Negierung in Verbindung treten und daß so dann wichtige Maßnahmen erfolgen werden. Auch diese Erwartungen dürf ten indessen getäuscht werden. Die Besprechungen, welche Hr. Pereire mit dem Finanzminister gehabt, sollen durchaus nicht jenen Erfolg gehabt haben, den man in vielen Kreisen vorauszusehen sich berechtigt hielt, und es heißt, daß die Anträge des Franzosen zurückgcwicsen wurden, weil sie für die Selbständigkeit des österreichischen Geldmarkts keine Garantie darboten. Die Finanzvcrwaltung ist indessen keineswegs unthätig, sie überwacht die Ma chinationen der Börse mit dem sorgsamsten Auge, und das Fallen der De visen ist namentlich ihren geschickten Maßnahmen zuzuschrciben, durch die sic auf den Curs dieser Effecten dircct einzuwirken bestrebt ist. Nur glaube ich, daß sie ohne einen förmlichen Finanzplan, der die gcsammten wirth- schaftlichen Verhältnisse des Landes ins Auge faßt, nicht im Stande sein wird, unsern gesunkenen Geld- und Creditverhältnissen emporzuhelfen. — Hr. Otto Hübner, der bekannte Statistiker, ist dieser Tage aus Paris hier angekommen. Wie man hört, soll er sich im Auftrage mehrer nord deutscher Kapitalisten hierherbegeben haben, welche der Finanzverwaltung vor längerer Zeit schon einen Plan zur Gründung einer Hypothekenbank in Oesterreich vorgelegt haben." — Die Oesterreichische Zeitung sagt: „Wir vernehmen, daß die (auch in unser gestriges Abendblatt übcrgegangenen) Angaben des wiener Korrespon denten der Hamburger Börsen-Halle über die nähern Modalitäten der zu gründenden Hypothekenbank (Nr. 223) aller Begründung entbehren." — Die Wiener Zeitung berichtet: „Am 16. Sept, hat sich in Mailand eine tragische Katastrophe zugetragen. Im Hause eines Bäckers hatten sich gegen 8 Uhr Abends sehr viele Personen versammelt, um dort vor einem festlich geschmückten Madonnenbilde zu beten. Viele von den Andächtigen begaben sich auf einen hölzernen Gang im ersten Stockwerk; die allzu schwa chen Stützen brachen ein, 25 Personen stürzten in den Hof hinab und tru gen sämmtlich mehr oder minder schwere Verwundungen davon; zwei der selben sind bereits gestorben." Italien. Sardinien. L Turin, 18. Sept. Ueber die Zustände in Nea pel spricht sich die öffentliche Meinung immer schärfer aus, allein auch die lombardisch-vcnetianischen Staaten, die päpstlichen Staaten und die Herzog- thümer sind namentlich bei uns einer Kritik unterworfen, welcher von der Negierung in keiner Weise Einhalt gethan wird. Durch den letzten Erfolg der alliirten Waffen glaubt man hier sicher auf eine Begünstigung der „ita lienischen Unabhängigkeit", auf eine Intervention in den päpstlichen und neapolitanischen Staaten. Ein Brief der Opinione aus Neapel vom 4 Sept., der die dortigen Zustände scharf schildert, theilt mit, daß nur die Schwei zertruppen zuverlässig für die Regierung seien, daß alle andern jedoch sich einer allcnfallsigen Erhebung anschließen würden, und daß namentlich die Marine gegen die Regierung und fast durchgängig muratistisch gestimmt sei. Unter den Verdächtigen sind eine Menge Geistliche (Pasqualini, Karmeli ter, Dominicaner und Fransciscaner); Adel und Volk stehen gegen die Re gierung, und es bedarf nur des leisesten Fünkchens, um die Sache zum Aufruhr zu bringen. Von einem Tage zum andern sieht man hier der Nachricht eines Ausbruchs entgegen und die fabelhaftesten Gerüchte circu- liren bereits über die Betheiligung der Alliirten an einer solchen Erhebung. — Gestern war hier reges Leben; Nachmittags in allen Kirchen feierliches Te- deum, Abends Beleuchtung der öffentlichen, Gesandtschaftsgebäude und der meisten Privatwohnungen. Der Enthusiasmus kennt keine Grenzen, sogar die sämmtlichen Theater zeigen Darstellungen des Sturms von Scwasto- pol an. — Der Oesterreichische« Zeitung schreibt man aus Turin vom 17. Sept.: „In Airoli hat ein unliebsamer Vorfall die Streitfrage zwischen Kirche und Staat abermals in schroffer Weise angeregt. Der dortige Municipal- secretär starb so plötzlich, daß er nicht mehr mit den Sterbesacramenten ver sehen werden konnte. Infolge dessen soll der dortige Pfarrer der Leiche das Begräbniß auf dem Friedhöfe verweigert haben, und da der Bischof die Weigerung des Pfarrers aufrcchterhielt, berief der Syndikus die National- garde und ließ den Todten in feierlicher Weise ohne kirchliche Einsegnung auf dem Friedhöfe beerdigen." Kirchenstaat. Aus Rom vom 12. Sept, berichtet die Gazzctta uffiziale di Venezia, daß die Abhaltung eines früher anberaumtcn Konsisto rium auf den 27. Sept, verschoben worden sei; dies geschah aus Rücksicht auf die erwarteten französischen Bischöfe. Unter den von dem Kaiser der Franzosen vorgeschlagcnen Kirchenfürstcn rage der ehemalige Abbe Plantier durch die Gaben der Gelehrsamkeit und Kanzelberedtsamkeit bedeutend her vor. Er war der Nachfolger Lacordaire'ö auf der Kanzel der Nolre-Dame. Neapel und Sicilien. Aus Neapel werden die ersten Erfolge des energischen Auftretens der Westmächte gemeldet. Berichten italienischer Blätter zufolge ist der neapolitanische Kricgsminister Fürst Jschitella mit Beibehaltung seines Gehalts entlassen worden. Brigadier Winspicre ist zum Staatssccretär, Piccna zum Kricgsminister ernannt. Der Director des Innern, Bianchini, übernimmt das Polizeidepartement anstatt des bisheri gen Polizcichefs Mazza. Mortu gut. Aus Lissabon untcrm 16. Sept, wird der Times telcgraphirt: „Der feierliche Regierungsantritt dcs Königs Dom Pedro V. fand heute früh in den Cortes statt. Derselbe erklärte, daß er der Politik des bishe rigen Cabincts treubleibe, und bestätigte die Minister in ihren Portefeuil les. Bei dieser Gelegenheit ward zum ersten mal in Portugal von dem elektrischen Telegraphen Gebrauch gemacht. Der Regierungsantritt dcs Kö nigs ward vom Volke mit Begeisterung ausgenommen. Die englischen Kriegsschiffe Sansparcil, Ncptune und Rosamond kamen gerade noch zeitig genug an, um dem neuen Könige zu salutircn." Spanien. Die Bibelgesellschaft in London gibt jetzt eine protestantische spa nische Zeitschrift, El Alba, heraus, die in großen Massen und um sonst auf der Halbinsel verbreitet wird. Die Einführung geschieht über Co runa, Alicante und Malaga. Frankreich. Paris, 22. Sept. Gestern Morgen war das Gerücht verbreitet, cs sci ein neues Attentat auf den Kaiser verübt worden. Man fügte hinzu, derselbe sei am Arme verwundet worden, und Einige wollten sogar wissen, seine Wunde sei lebensgefährlich. Der Thäter wäre, so hieß es, ein Hundert-Gardist. Diese Gerüchte erregten natürlich eine ungeheure Sensa tion. Die Börsencurse fielen bei Beginn der Börse bedeutend; die 3proc. Rente sank auf 65. 95. Man erholte sich jedoch bald von dem panischen Schrecken, den diese Nachricht verbreitet hatte, da der Polizcicommissar der Börse, mit seiner rothen Schärpe geschmückt, die Gruppen durchschritt und überall erklärte, die Gerüchte betreffs eines Attentats seien erfunden. Ueber den Ursprung dieses Gerüchts vernimmt man nichts Genaues. Die Patrie dementirte dasselbe gestern Abend in folgenden Worten: „Schon seit mehren Tagen versuchte man düstere Gerüchte zu verbreiten und unter andern das von einem neuen Attentat gegen die Person dcs Kaisers. Dieses letztere Gerücht wurde heute in einer Art verbreitet, welche die Gemüther mit ei ner großen Unruhe erfüllte; aus diesem Grunde hat die Negierung geglaubt, es an der Börse osficiell dementiren zu müssen. Der speciclle Kommissar dieses Etablissement kündigte gegen 1'/--Uhr an, daß das Factum vollstän dig falsch wäre, und seine Erklärung wurde wiederholt mit dem Rufe Vivs I'smpsrsur! begrüßt. Wir können solche unwürdige Manöver nicht genug brandmarken, die nur von einer schuldvollen Böswilligkeit und einem scham losen Spcculationsintcresse inspirirt sein können." Der Moniteur vom 22. Sept, sagt unterm 21. Sept.: „Man Hal zu Paris gestern das Gerücht von einem Attentat auf die Person des Kai- sers verbreitet, verübt von einem der braven, aufs speciellste seiner Person beigegebencn Unteroffiziere. Diese Nachricht war an und für sich so abge schmackt, daß fie keine Widerlegung verdienen würde, wenn die Böswillig keit sie nicht mit äußerster Schnelligkeit in Umlauf gesetzt hätte. Wir glau- den daher erklären zu müssen, daß sie nicht die mindeste Begründung hat. Der Kaiser und die Kaiserin waren gestern zum Besuch der Königin Chri stine in Malmaison, und II. MM. sind vollkommen wohl. Der Polizei- präfect hat Befehl erhalten, dem Ursprung einer so strafbaren Erdichtung sorgfältig nachzuforschen." Paris, 22. Sept. Man versichert uns, daß Pölissier in einer De pesche, die nicht veröffentlicht worden, von der Art und Weise spricht, wie sich die Nüssen in ihren neuen Positionen befestigen, und von den Einlei tungen, welche er selbst treffe, um sobald als möglich einen entscheidenden Schlag zu führen. Ausgemacht soll es sein, daß der französische Oberfeld herr, wie er sich seinerzeit anheischig gemacht, Sewastopol zu nehmen, nun mehr dem Kaiser das förmliche Versprechen gegeben habe, binnen einer ge wissen Zeit, die wol kaum über diesen Winter hinausgeht, die Russen aus der Krim zu werfen. Wir glauben ein besonderes Gewicht auf diesen Um stand legen zu müssen, weil er ohne Zweifel von großem Einfluß auf alle Friedensunterhandlungen sein und bleiben muß. Auf diese soll sehr eifrig von Petersburg aus hingcarbeitct werden. Besonders wünschte man einen Waffenstillstand zu erzielen, und man erzählt sich von einer Unterredung, welche zwischen dem Fürsten Gortschakow und dem Grafen Buol stattge funden und in welcher der russische Botschafter auf die Zweckmäßigkeit ei nes Waffenstillstandsabschluffes hingewiesen haben soll, der dem Frieden, dessen Europa so sehr bedürfe, von Nutzen sein würde. „Sie wissen, Fürst", soll der österreichische Minister geantwortet haben, „daß man siegreiche Waf fen nicht leicht, selbst auf kurze Zeit, aus der Hand legt." Nichtsdesto weniger soll Graf Buol an Hrn. v. Hübner eine Depesche geschickt ha ben, in welcher dieser beauftragt wird, die Stimmung deS Hofes, bei dem er beglaubigt ist, nach dieser Richtung hin zu erforschen; allein der öster reichische Botschafter hier soll sich, ohne irgendwie Schritte zu thun, in der Lage geglaubt haben', seiner Regierung aufs bestimmteste zu erklären, daß sich die Westmächte unter gar keiner Bedingung auf einen länger« Was-